Fiducia steht unter Konsolidierungsdruck

04.08.2004 von Joachim Hackmann
Mit Fusionen und Übernahmen hat sich der Fiducia-Konzern aus Karlsruhe in den letzten Jahren zu einem der größten deutschen IT-Dienstleister aufgeschwungen. Doch die Erfolgsgeschichte beschränkte sich bislang auf den Markt der Volks- und Raiffeisenbanken. Nach wie vor tut sich die Fiducia schwer, Aufträge außerhalb des genossenschaftlichen Finanzverbundes zu gewinnen.
Die Marktforscher von Gartner zählen Fiducia zu den zehn größten deutschen IT-Dienstleistern. Den Umsatz von mehr als 711 Millionen Euro im vergangenen Jahr erzielte der IT-Dienstleister fast ausschließlich mit Volks- und Raiffeisenbanken. In drei Jahren sollen jedoch 25 bis 30 Prozent der Einnahmen aus dem Drittmarktgeschäft stammen.

Konsolidierung ist für die Fiducia kein Fremdwort. Sie hat sowohl die internen Kräfte gebündelt als auch eine aktive Rolle bei der Marktbereinigung gespielt. "Vor elf Jahren gab es noch insgesamt neun IT-Rechenzentralen für die Volks- und Raiffeisenbanken, heute sind es noch zwei", schildert Michael Krings, Vorstandssprecher der Fiducia IT AG, Karlsruhe. Im Norden versorgt die GAD aus Münster knapp 500 Volks- und Raiffeisenbanken. Das Pendant im Süden, die Fiducia, zählt mehr als 900 genossenschaftliche Banken zu ihren Kunden.

Fiducia und GAD kommen durch

Beide IT-Dienstleister sind in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen, indem sie mit anderen genossenschaftlichen Rechenzentren fusionierten oder Unternehmen akquirierten. Die GAD verleibte sich 1997 die GFI, die aus den regionalen Rechenzentren in Köln und Koblenz hervorging, sowie im Jahr 2001 die GRZ aus Lehrte bei Hannover ein. Fiducia weitete ihre Geschäfte aus, indem sie 1998 mit der GRK aus Kassel, 2001 mit der RWG aus Stuttgart und im vergangenen Jahr mit der RGB aus München fusionierte.

Mit dieser Expansionspolitik konnte sich die Fiducia immerhin in die Top-Ten-Liste der deutschen IT-Dienstleister vorarbeiten, legt man die Erhebung von Gartner zugrunde (siehe Grafik "Die größten deutschen IT-Dienstleister"). Die Fiducia selbst zählt sich in ihren Marketing-Broschüren zu den 15 bedeutendsten inländischen IT-Dienstleistern. Dagegen lassen die Marktforscher von PAC den Rechenzentrums-Betreiber komplett durch ihr Raster fallen: "Wir betrachten in unseren Analysen hauptsächlich IT-Dienstleister, die überwiegend am freien Markt aktiv sind. Die Fiducia zählt nicht dazu, weil sie ihre Einnahmen in erster Linie mit den genossenschaftlichen Banken erzielt", erläutert Karsten Leclerque, Analyst des Beratungsunternehmens Pierre Audoin Consultants (PAC), München.

Nur die Orga punktet im Drittmarkt

Grundsätzlich spricht die Fiducia zwar Kunden aus dem Drittmarkt an, bislang aber mit dürftigem Erfolg. Krings machte über die Einnahmen im externen Markt keine Angaben, formulierte aber einen Anspruch: "Wir wollen innerhalb der nächsten drei Jahre etwa 25 bis 30 Prozent unseres Umsatzes außerhalb unserer angestammten Kundengruppe erzielen." Bislang konnte sich lediglich die Fiducia-Tochter Orga über die Bankenszene hinaus ein deutliches Profil verschaffen. "Die Orga ist das SAP-Competence-Center der Fiducia, spricht aber auch den non-kaptiven, also freien externen Markt an, wobei letzteres Geschäft bei weitem überwiegt", beschreibt PAC-Experte Leclerque. Allerdings bewegt sich der Fiducia-Ableger auf vergleichbar niedrigem Niveau. "Von rund 40 Millionen Euro Jahresumsatz erzielt die Orga etwa 35 Millionen Euro mit Drittkunden", weiß der PAC-Analyst.

Ein kleiner, aber wichtiger Baustein für den weiteren Ausbau des externen Geschäfts ist das im Juli 2003 gekauften Softwarehaus ISB AG mit rund 100 Mitarbeitern. Der Anbieter nahm im Jahr 2002 knapp zehn Millionen Euro ein und konnte in den Jahren vor der Übernahme hohe Wachstumsraten vorweisen. Die ISB entwickelt und vertreibt Branchenlösungen für die öffentliche Hand sowie die Bereiche Automotive und Pharma.

Kleine Privatbanken als Kunden gewonnen

Die Fiducia wagt sich damit in eine neue Branche vor, denn zuvor wurden fast ausschließlich Finanzdienstleister angesprochen, unter anderem mit einer eigenen Bankensoftware. Kleine Verkaufserfolge abseits des genossenschaftlichen Verbunds konnte man bereits im Markt für Privatbanken erzielen. Etwa 40 Institute zählen die Karlsruher zu ihrem Kundenstamm, der Umsatz mit diesen Häusern soll sich 2004 auf bescheidene elf Millionen Euro belaufen. "Das ist sicher kein großer Anteil am Gesamtumsatz", räumt Krings ein, "doch sehen wir in diesem Bereich einen potenziellen Wachstumsmarkt für die Fiducia. Unser Vorteil gegenüber den großen Anbietern ist, dass wir eigene mandantenfähige Bankanwendungen haben, die wir im Outsourcing-Verfahren für unsere Partnerbanken betreiben."

In diesem Markt versteht sich der IT-Dienstleister als mittelständischer Anbieter. Das entspricht auch den Wurzeln des Fiducia-Geschäfts, denn die Stammklientel, die Volks- und Raiffeisenbanken sind dezentral organisiert. Die Fiducia versorgt in diesem Markt nahezu konkurrenzlos eine Vielzahl kleiner Kunden mit dem Portfolio eines Full-Service-Providers. Fremdgänger wie etwa die Berliner Volksbank, die Compunet für das Desktop-Management verpflichtete, sind derzeit noch die Ausnahme und finden sich allenfalls unter den größeren Häusern, die sich eigene IT-Kompetenz leisten.

Das weist aber auf das Dilemma der Fiducia hin. Als Anbieter mit mittelständischer Kundenstruktur tun sich die Karlsruher schwer, große Banken anzusprechen. Das Werben um Aufträge von Instituten wie der Deutschen Bank, der Commerzbank, der Dresdner Bank und Hypovereinsbank überlässt das Fiducia-Management den Konkurrenten IBM, T-Systems und CSC. Einzig die Konzerne im genossenschaftlichen Verbund wie die DZ Bank, die R+V Versicherung und die Bausparkasse Schwäbisch Hall zählt die Fiducia neben den Volks- und Raiffeisenbanken zur wichtigsten Zielgruppe. "Hier gelingt es uns zunehmend, mit System-Outsourcing und SAP-Diensten Fuß zu fassen", gibt sich Krings zuversichtlich. Allerdings ist diese Klientel nicht so treu, wie es die kleineren regionalen Institute sind. So trennte sich beispielsweise die von der Bankenkrise stark gebeutelte DZ-Bank von ihrem eigenen Rechenzentrum und den IT-Mitarbeitern. Den Betrieb (ohne Mitarbeiter) übertrug sie nicht der Fiducia oder GAD, sondern der Deutschen Börse Systems AG.

Kostendruck fördert Fusionen

Auch der Fiducia bläst der eisige Wind des Wettbewerbs entgegen. Die Fusionen in der Bankenszene sind nicht zuletzt dem wachsenden Kostendruck der Kunden und den ausufernden IT-Kosten geschuldet. Sie fordern von ihrem IT-Dienstleister marktgängige Preise und schlanke Strukturen. Von der Fusion mit der RGB verspricht sich die Fiducia beispielsweise laut Angabe der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ein Einsparpotenzial von 60 Millionen Euro pro Jahr. Wesentliche Effekte erzielt der IT-Dienstleister durch Konsolidierung der internen Ressourcen, was zumeist Stellenabbau bedeutet. Unmittelbar nach den Hochzeitsfeierlichkeiten zwischen Fiducia und RGB veröffentlichte die Gewerkschaftszeitung "Fuvision" den Preis: Demnach sollen mehr als 1000 Stellen abgebaut werden. Die Unternehmensleitung dementierte die Zahl, doch klar ist, dass durch die Konzentration der derzeit noch vier unterschiedlichen Produktivsysteme auf eine einheitliche Lösung im Jahr 2007 einige Positionen im IT-Betrieb überflüssig werden.

Dies wird voraussichtlich auch mit Standortschließungen einhergehen. Mittlerweile unterhält die Fiducia noch zwei Produktionsstandorte, und zwar in München und Karlsruhe. In weiteren Niederlassungen werden Vertriebs-, Beratungs- und Schulungsaufgaben wahrgenommen. "Unsere eigene Wertschöpfungskette steht permanent auf dem Prüfstand. Wenn sich der Eigenbetrieb in einzelnen Bereichen nicht bewährt und rechnet, suchen wir einen Partner, mit dem wir Dienste gemeinsam anbieten", räumt Krings ein. Jüngstes Beispiel ist die Übergabe des Netzbetriebs an einen derzeit noch nicht genannten Provider, der Mitarbeiter und die Verantwortung für die TK-Dienste und Datenleitung übernehmen soll.

IT-Services für Banken

In Deutschland haben sich historisch die drei Banksegmente der öffentlich-rechtlichen Sparkassen, der Genossenschaftsbanken und der Privatbanken entwickelt. Die Branchenkrise der vergangenen Jahre hat auch in den jeweiligen IT-Dienstleistungssegmenten Spuren hinterlassen: Die Zahl der Anbieter hat sich deutlich reduziert. Die öffentlich-rechtlichen Finanzdienstleister können heute noch auf drei IT-Dienstleister zurückgreifen, wobei die regionale Zuständigkeit streng reglementiert ist. Im Süden und Westen gibt es die Sparkassen Informatik. Im Norden und Osten ist die Finanz-IT aus Hannover aktiv. Die bayerischen Institute werden von der IZB beliefert. Der genossenschaftliche Finanzverbund kennt gar nur noch zwei Service-Provider. Im Norden betreut die GAD aus Münster rund 500 Volks- und Raiffeisenbanken, und im Süden stellt die Fiducia ihre Dienste über 900 regionalen Banken zur Verfügung. Auch die Privatbanken unterhalten zum Teil noch hauseigene IT-Dienstleister, die frühere Ambitionen, im Drittmarkt Erfolge anzustreben, mittlerweile aufgegeben haben. Die HVB Systems und HVB Info (beides IT-Töchter der Hypovereinsbank) sowie Dregis (Dresdner Bank) beschäftigen sich derzeit allerdings vornehmlich mit internen Konsolidierungsprojekten. Die Deutsche Bank hat ihre für das Desktop-Management zuständige Tochter Sinius bereits komplett an SBS verkauft.

Zudem konsolidiert sich der Markt weiter, und der Druck der Konkurrenz wächst. Zum einen drängen die unabhängigen IT-Dienstleister zunehmend mit eigenen IT-Services in sämtliche Bankensegmenten vor, zum anderen sind Fusionen unter den verbliebenen kaptiven Anbietern unumgänglich. Spannend bleibt allein, wer wen wann schluckt und wer in welchen Segmenten Marktanteile erobern kann. "Wir sind etwa doppelt so groß wie die GAD", stellt Krings schon einmal vorsorglich klar. "Ich gehe davon aus, dass es in fünf Jahren nur noch einen IT-Anbieter (im genossenschaftlichen Bereich) geben wird. Außerdem werden die drei Bankensegmente in Deutschland durchlässiger." Vorreiter für eine die drei klassischen Bankentypen übergreifende Kooperation ist die Deutsche Wertpapierservice Bank (DWP Bank). Sie entstand vor etwa einem Jahr aus der Fusion von einem Wertpapierabwickler aus dem öffentlich-rechtlichen Sparkassen- sowie aus dem genossenschaftlichen Finanzverbund. Seit einigen Monaten bezieht auch die Dresdner Bank Dienste von der DWP Bank. Die zum Allianz-Konzern gehörende Privatbank plant sogar, das Engagement auszuweiten und finanziell bei der DWP Bank einzusteigen.