Neue Festplatten-Technologie

Festplatten mit Advanced Format

17.01.2011 von Frederik Niemeyer
Mit Advanced Format sprengen die Festplatten-Hersteller die Kapazitätsgrenze von 2,2 Terabyte. Wir erklären die Vor- und Nachteile der Technik im Detail.

Seit Ende 2009 hat Western Digital als einer der ersten Hersteller Festplatten auf dem Markt, die mit einer Sektorgröße von 4096 Byte arbeiten und nicht mehr mit 512 Byte. Diese Technologie heißt Advanced Format. Erkennbar sind die Advanced-Format-Geräte von Western Digital zur Zeit an der Produktbezeichnung „EARS“ oder „BPVT“.
Ab Januar 2011 sollen die Festplatten aller Hersteller in dem neuen Format erhältlich sein. Dies hat die herstellerübergreifende International Disk Drive Equipment and Materials Association (IDEMA) bekannt gegeben. Wir erklären, welche Vorteile und Nachteile das Verfahren hat. Unter Windows XP kann es zum Beispiel zu deutlichen Leistungseinbußen kommen.

Warum Advanced Format?
Daten liegen auf Festplatten in physikalischen Sektoren, die in Spuren aneinandergereiht sind und konzentrisch über die magnetische Datenscheibe verlaufen. Seit 30 Jahren schon beträgt die Größe eines Sektors 512 Byte. Mit Advanced Format ändert sich das nun. Es gibt zwei Gründe für die Einführung von größeren Sektoren: Die Vergrößerung des logischen Adressraums stößt derzeit ebenso an eine Grenze wie die Erhöhung der Datendichte durch Verkleinerung der physikalischen Strukturen. Die Festplattenkapazitäten lassen sich bei herkömmlicher Blockgröße also nicht mehr wesentlich steigern. Advanced Format löst diese Probleme.

Grenzen des Adressraums

Der LBA-Wert gibt die Anzahl der Blöcke an

Das Betriebssystem spricht die Sektoren der Festplatte über das sogenannte Logical Block Addressing (LBA) an. Der erste physikalische Festplattensektor bekommt den logischen Block 0 zugeordnet, der zweite Sektor den LBA 1, der dritte Sektor LBA 2 und so weiter. Die Speicherkapazität einer Festplatte können Sie berechnen, indem Sie die Anzahl der logischen Blöcke mit der Sektorgröße der Festplatte multiplizieren. Häufig geben die Hersteller den Adressbereich einer Festplatte auf ihrem Etikett an. Im Falle der Western Digital Caviar Green WD20EADS zum Beispiel beträgt er 3907029168. Multiplizieren Sie diese Zahl mit der Sektorgröße von 512 Byte ergibt sich eine Bruttokapazität von knapp 2000 Gigabyte (GB) beziehungsweise 1863 Gibibyte (GiB).

Der logische Adressraum ist allerdings begrenzt, gegenwärtig kann er maximal 48 Bit groß sein. Nutzen Festplatten das 512-Byte-Sektorschema lassen sich über den 48-Bit-LBA 2^48*512 Byte adressieren: das sind immerhin noch knapp 144 Petabyte. Um Blöcke mit einer Länge von 48 Bit adressieren zu können, ist kein 64-Bit Betriebssystem notwendig. Windows XP kann seit dem Service Pack 1 auch in der 32-Bit-Version damit umgehen.

Trotzdem können Sie unter Windows XP 32-Bit keine Festplatten beziehungsweise Partitionen nutzen, die größer als 2 Tebibyte (TiB) beziehungsweise 2,2 Terabyte (TB) sind und 512-Byte-Sektoren haben. Denn die Partitionstabelle - die den Bereich festlegt, in dem Sie Daten speichern können - befindet sich in der 32-Bit-Version von Windows XP innerhalb des Master Boot Records (MBR). Der MBR belegt LBA 0, er ruft die Partition auf. Dem MBR steht jedoch bloß ein Adressfeld von maximal 32 Bit zur Verfügung. 2^32*512 Byte macht 2 TiB Nettokapazität – größere Partitionen sind unter den beschriebenen Voraussetzungen nicht möglich.

Schematische Darstellung einer Partition

Dieses Problem lässt sich nur lösen, indem Windows die GUID-Partitionstabelle (GPT) verwendet, die ein großes Adressfeld von 64 Bit bietet. Damit sind Festplattenkapazitäten im Exabyte-Bereich auch mit einer 512-Byte-Sektorgröße möglich.
Microsofts Betriebssysteme unterstützen GPT aber erst seit der 64-Bit-Version von Windows XP. Im Gegensatz zu den 32-Bit-Versionen von Windows Vista und 7 unterstützt XP-32-Bit GPT nicht. Über GPT lassen sich also Partitionen laden, die größer als 2,2 TB sind. Um allerdings von diesen großen Festplatten booten zu können, brauchen Sie eine Hauptplatine, die nicht das Basic Input Output System (BIOS), sondern den BIOS-Nachfolger Unified Extensible Firmware Interface (UEFI) nutzt. Denn nur UEFI kann GPT-Bootsektoren initialisieren. Im PC-Bereich ist UEFI derzeit praktisch nicht existent, obwohl die Hersteller seit längerem um die anstehende Problematik wissen. Apple ist hier einen Schritt weiter und nutzt UEFI bei seinen Mac-Rechnern schon seit geraumer Zeit.

Festplatten mit einer Sektorgröße von 4096 Byte lösen diese Kapazitätsschranke. Seagate zum Beispiel verwendet bei dem 3-TB-Modell aus seiner GoFlex-Desk-Serie einen speziellen Trick, um die Platte auch unter XP 32-Bit nutzbar zu machen: Intern arbeitet die Festplatte zwar noch mit 512-Byte-Sektoren, der Controller-Chip des USB-Gehäuses übersetzt die Sektorgröße nach außen hin aber auf 4096 Byte. So sind auch mit dem 32-Bit-Adressfeld des MBR große Kapazitäten möglich – allerdings nur über USB.

Grenzen der Datendichte

Sinkende Signalstärke bei steigender Datendichte

Mit 4096-Byte-Sektoren ist auf Festplatten eine höhere Datendichte als derzeit erreichbar.
Zwar können Hersteller die Plattenkapazität erhöhen, indem sie mehr Magnetscheiben einbauen, jedoch liegen die Nachteile dieses Verfahrens auf der Hand. Zum einen ist der Platz für die Datenscheiben durch den Formfaktor der Festplatten begrenzt. Zum anderen steigen Betriebsgeräusch und Stromverbrauch mit der Anzahl der Datenscheiben. Nicht zuletzt steigt auch das Ausfallrisiko mit der Anzahl der verbauten mechanischen Teile.

Effizienter ist es, die Datendichte der Scheiben zu steigern. Derzeit passen maximal 667 Gigabyte auf eine Datenscheibe. Eine hohe Datendichte bedeutet aber, dass einer bestimmten Menge an Bytes weniger Fläche als bisher auf der Magnetscheibe zur Verfügung steht. Je geringer die Fläche pro Byte, desto größer die Fehleranfälligkeit bei der Datenübertragung. Man spricht dann von einer schlechten Signal-to-Noise-Ratio (SNR). Die Platte kann das Signal der gespeicherten Information (Signal) nicht mehr von Störsignalen (Noise) unterscheiden. Es kommt zu Fehlern.

Acht 512-Byte-Sektoren

Um das zu verhindern, grenzt an jeden physikalischen Sektor auf der Festplatte ein sogenannter Error-Correction-Code-Bereich (ECC). Durch den ECC-Bereich lassen sich die zu speichernden Daten überprüfen. Er sorgt dafür, dass die Festplatte keine Fehler macht.
Bei steigender Datendichte und sinkender SNR muss deshalb ein immer größerer Fehlerkorrektur-Bereich reserviert werden, auf dem sich keine nutzbaren Daten speichern lassen.
Die Bereiche des Sektors, die der Identifikation und Steuerung (Sync/DAM) dienen, verringern zusätzlich den Nutzbereich. Zudem befinden sich zwischen Sektoren leerstehende Toleranzbereiche, sogenannte Gaps, die ebenfalls Platz beanspruchen.

Ein Advanced Format Sektor hat die Größe von acht konventionellen Sektoren

Ein Advanced-Format-Sektor mit 4096 Byte ist achtmal größer als ein 512-Byte-Sektor. Dadurch spart man sieben Steuerbereiche und sieben Toleranzbereiche ein. Man spart auch sieben ECC-Bereiche ein – allerdings ist der ECC-Bereich eines 4096-Byte-Sektors ungefähr doppelt so groß wie der eines einzelnen 512-Byte-Sektors. Insgesamt stehen durch den Umstieg auf Advanced-Format ungefähr 7 bis 11 Prozent mehr Speicherplatz zu Verfügung als bisher. Noch wichtiger: Durch den größeren ECC-Bereich lässt sich die Datendichte trotz sinkender SNR weiter erhöhen.

Die Probleme von Advanced Format

Ein Sektor bekommt acht Blöcke zugewiesen

Viele ältere Programme, die nur die 512-Byte-Sektorgröße kennen, funktionieren unter Umständen nicht korrekt mit den größeren Sektoren. Die Advanced-Format-Festplatten für die SATA-Schnittstelle verwenden deshalb einen speziellen Kompatibilitätsmodus: Intern arbeitet eine solche Platte mit 4096-Byte-Sektoren, dem Betriebssystem gibt sie sich jedoch als 512-Byte-Laufwerk zu erkennen. Dadurch verweisen jeweils 8 logische Blöcke auf einen physikalischen Sektor. Dieser Emulationsmodus heißt 512e.

Die Falschausrichtung der Blöcke führt zu Problemen

Da 4096 ein Vielfaches von 512 ist, entstehen in der Regel keine Probleme. Allerdings kommt Windows XP im Gegensatz zu Windows Vista (seit dem Service Pack 1) und Windows 7 nicht gut mit dieser Lösung zurecht. Denn XP setzt den ersten Block der Partition immer auf LBA 63, der am Ende eines physikalischen Sektors liegt und nicht am Anfang. Die Blöcke der Partition sind dadurch nicht korrekt an den Sektoren ausgerichtet. Da eine Advanced-Format-Festplatte minimal eine Sektorgröße – also 4096 Byte – bearbeiten kann, schreibt und liest sie einzelne Datenabschnitte immer über zwei Sektoren statt über einen. XP ist dadurch zwar weiterhin fehlerfrei lauffähig, doch die Festplatte arbeitet deutlich langsamer.

Die Ursache für den Leistungsabfall
Dafür ist das sogenannte Read-Modify-Write (RMW), das Lesen-Verändern-Schreiben, verantwortlich. Ein Beispiel: Windows XP adressiert einen Speicherbereich von 4096 Byte. Eine Festplatte, die aus physikalischen 512-Byte-Sektoren besteht, kann die entsprechenden Daten einfach aus dem Cache auf die acht 512-Byte-Sektoren schreiben. Eine korrekt ausgerichtete Advanced-Format-Festplatte beschreibt stattdessen einen Sektor mit 4096 Byte.

Bei einer falsch ausgerichteten Advanced-Format-Platte erstreckt sich ein 4096 Byte langer Speicherbereich aber über zwei Sektoren, von denen jeweils ein Teil verändert werden soll und ein Teil nicht. Die Festplatte muss also zwei Sektoren lesen, im Cache verändern, auf eine Drehung der Scheibe warten, damit sich der Sektor wieder unter dem Festplattenkopf befindet und kann dann erst die entsprechenden Sektoren schreiben.

Advanced-Format-Laufwerke unter Windows XP

Installationshinweise auf dem Etikett ein Advanced-Format-Festplatte

An den Festplatten von Western Digitals EARS-Serie befindet sich ein Jumper, der den logischen Adressbereich intern um einen Block erhöht. Windows XP glaubt dadurch nur, die Partition auf LBA 63 zu beginnen, befindet sich tatsächlich jedoch auf LBA 64, also einem korrekt ausgerichteten Block. Wir können dieses Verfahren nicht empfehlen.

Zum einen hilft dieser Trick nur bei der Erstellung der ersten Partition, eine zweite und dritte Partition wird von XP mit großer Wahrscheinlichkeit weiterhin falsch ausgerichtet. Zum anderen bekommen Sie später Probleme, wenn Sie auf Windows 7 umsteigen möchten. Denn wenn Sie dann den Jumper entfernen, wird die Partitionstabelle zerstört, und Sie verlieren Ihre Daten. Lassen Sie den Jumper unter Windows 7 aber stecken, führt das zur erneuten Falschausrichtung der Partition.

Besser ist es, bei Western-Digital-Festplatten das Alignment-Programm des Herstellers zu verwenden. Das Programm verschiebt die Partition auf einen an den physikalischen Sektoren ausgerichteten Bereich. Je nach Menge der Daten kann dies einige Zeit in Anspruch nehmen, weil der komplette Datenbestand um die notwendige Menge an Blöcken verschoben wird. Dieses Verfahren funktioniert auch mit mehreren Partitionen sowie mit Datensicherungsprogrammen. Nach der Ausrichtung der Blöcke funktionieren die Advanced-Format-Laufwerke im Emulationsmodus auch unter Windows XP ohne Leistungsverlust.

Zusammenfassung Advanced Format

Unter Windows-XP-32-Bit können Sie herkömmliche Festplatten maximal bis zu einer Kapazität von 2,2 Terabyte nutzen. 4096-Byte-Sektoren lösen diese Beschränkung zwar, jedoch kann XP sie nur über USB in ihrer nativen Größe verwalten.

Die wirklichen Vorteile der Advanced-Format-Architektur bestehen in einer 7 bis 11 Prozent größere Kapazität pro Datenscheibe sowie einer verbesserten Fehlerkorrektur durch längere ECC-Bereiche. Aufgrund der dadurch möglichen höheren Datendichte erhöhen sich in Zukunft wahrscheinlich auch die sequenziellen Transferraten der Festplatten.

Die Probleme betreffen vor allem Windows XP und ältere Programme. Advanced-Format-Festplatten für die SATA-Schnittstelle greifen derzeit noch auf eine Emulation von 512-Byte-Blöcken zurück. Dadurch begrenzt sich die maximale Kapazität einer Partition unter dem MBR allerdings wieder auf 2,2 Terabyte. Bei Windows XP sollten Sie dabei auf das korrekte Ausrichten der Partition achten, da sonst die Leistung der Festplatte einbricht.

Derzeit verursachen Advanced-Format-Laufwerke mehr Probleme als sie Nutzen bringen. Spätestens 2011 jedoch steigen alle Festplattenhersteller auf dieses Format um, weil bei herkömmlicher Blockgröße sonst keine Kapazitätssteigerungen mehr möglich sind. Wann der grundlegende Wechsel auf die Advanced-Format-Architektur ohne den Zwischenschritt über die Emulation von 512-Byte-Sektoren erfolgt, ist noch nicht abzusehen. Vielleicht 2014 mit dem endgültigen Ende von Windows XP.

Die Abbildungen stammen von IDEMA und Western Digital.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation PC-Welt.