WITTE Automotive

Fertigung mit ERP-Welt verbunden

28.04.2011 von Andreas Schaffry
Der Automobilzulieferer WITTE Automotive verbindet mit SAP MII und in die Anwendung integrierten Best-Practice-Lösungen seine produktionsnahen Systeme mit SAP ERP. Prozesse und Kennzahlen in der Fertigung lassen sich jetzt in Echtzeit überblicken und die Produktion optimieren sowie kosteneffizienter machen.

Als global tätiger Automobilzulieferer steht WITTE Automotive unter einem hohen Wettbewerbs- und Kostendruck. Damit das Unternehmen künftig nachhaltig und profitabel wachsen kann, drehen die Verantwortlichen an vielen Stellschrauben, wie etwa die Entwicklung und zeitnahe Markteinführung neuer und innovativer Produkte.

„Um Produktionsprozesse effizienter zu gestalten, müssen wir Schwachstellen in der Fertigung aufdecken sowie zeitnah und flexibel darauf reagieren. SAP MII und integrierte Best-Practice-Lösungen liefern uns dazu aussagekräftige Kennzahlen in Echtzeit.“ Gregor Hanys, Informationstechnologie Applikationsmanagement SAP (IT-AM) bei WITTE Automotive
Foto: Witte Automotive

Ebenso wichtig ist es für das Unternehmen, die Produktivität durch eine Reduzierung von Stör-, Rüst- und Durchlaufzeiten in der Produktion kontinuierlich zu steigern und gleichzeitig Kosten zu senken. "Dieses Ziel konnten wir nur durch eine Shop-Floor-Integration und eine Echtzeitsicht auf das aktuelle Produktionsgeschehen erreichen", erklärt Gregor Hanys, Informationstechnologie Applikationsmanagement SAP (IT-AM) bei WITTE Automotive.

WITTE Automotive: Konzepte für die Automobilwelt

WITTE Automotive zeichnet sich seit 1899 durch kreative und innovative Lösungen im Bereich der Schließ- und Verriegelungstechnik aus und entwickelte sich zu einer weltweit agierenden Firmengruppe mit Produktionsstandorten in Tschechien sowie in Bulgarien. Heute beschäftigt die WITTE-Gruppe rund 2.500 Mitarbeiter, die einen Jahresumsatz von rund 300 Millionen Euro erwirtschaften. Zu ihren Kunden zählt die Firma alle namhaften Pkw- und Lkw- sowie Systemhersteller, unter anderem BMW, Daimler, General Motors, Volkswagengruppe, Ford, Mercedes Benz Nutzfahrzeuge und SCANIA sowie Brose, Magna und Webasto. Die Produkte des Automobilzulieferers genügen höchsten Qualitäts- und Sicherheitsansprüchen. In Deutschland übernehmen innerhalb der WITTE-Gruppe Tochtergesellschaften diverse Spezialaufgaben, etwa KROSTA Metalltechnik im Bereich der Werkzeug-, Stanz- und Druckgusstechnik, RIKU Kunststoff als Kompetenzzentrum für die Kunststoffverarbeitung, PRINZ WITTE für das Biegen und Schweißen der Front- und Heckklappenscharniere sowie FINGSCHEIDT Automotive für Schließ- und Verriegelungssysteme.

SAP MII verknüpft Produktion mit ERP

Dazu verknüpfte das Unternehmen Schnittstellen zwischen den produktionsnahen Systemen in der Fertigung und den betriebswirtschaftlichen Lösungen des zentralen SAP-ERP-Systems miteinander. Dazu führte man SAP Manufacturing Integration and Intelligence (SAP MII) ein. Ergänzt wird die Anwendung um zwei vorkonfigurierte, auf SAP MII basierenden Best-Practice-Lösungen für MDE und OEE des Einführungspartners Trebing + Himstedt, einem SAP-Beratungshaus aus Schwerin. Die MDE-Lösung dient zur Erfassung und Rückmeldung von Maschinendaten. Die OEE-Lösung ermöglicht die Überwachung der Maschineneffizienz für alle angebundenen Anlagen oder pro Anlage und eine Analyse der Produktionskennzahlen.

Klare Sicht auf Kennzahlen

Witte Automotive stellt Fahrzeugteile vom Keyless-Entry-System bis zur Schließgarnitur her. Mit einer SAP-Lösung lassen sich Kennzahlen aus der Fertigung in Echtzeit überblicken.
Foto: Witte Automotive

Die Vorzüge dieser Gesamtlösung machten sich bald nach dem Echtstart bemerkbar. Fehlersammelkarten, Lohnscheine, Tagesaufschreibungen, produzierte Mengen sowie Daten zur Maschineneffektivität oder zu Stillstandzeiten werden mithilfe der MDE-Lösung vollautomatisch erfasst und an das SAP-System für die Echtzeitverbuchung und -verarbeitung übergeben sowie gleichzeitig an die OEE-Lösung.

Diese visualisiert Produktionskennzahlen grafisch übersichtlich aufbereitet in Dashboards auf einer webbasierten Oberfläche. So haben Endanwender, vom Maschinenbediener über den Qualitäts-Manager bis zur Geschäftsführung, stets eine klare Sicht auf Stör-, Rüst- und Durchlaufzeiten, Gut- und Ausschussmengen oder Maschinendefekte. Zugleich können sie diese Kennzahlen quasi per Knopfdruck weiter auswerten.

Fertigung in Echtzeit überblicken

Das Produktionsgeschehen wie auch alle Daten und Rückmeldungen aus den Maschinensteuerungen und Qualitätsmanagement-Systemen lassen sich heute jederzeit aktuell überblicken. Die erfassten Daten stehen genau zu dem Zeitpunkt zur Verfügung, zu dem sie anfallen und nicht erst Stunden oder gar Tage später. Dadurch werden Maschinenstörungen oder -ausfälle sofort erkannt und können rasch behoben werden.

Nicht zuletzt liefern die Produktionskennzahlen sowie die Auswertungen dem Management wichtige Ansatzpunkte, um Prozesse in der Produktion zu überwachen und damit noch effizienter zu gestalten. "Alles zusammen trägt im Ergebnis dazu bei, dass wir die Qualität unserer Fertigungsprozesse und damit unserer Produkte kontinuierlich verbessern und so die Kundenzufriedenheit erhöhen", berichtet Gregor Hanys.

Fehlerpositionen automatisch erfassen

Dank des heute nahtlosen Datentransfers aus der Produktion in die Warenwirtschaft konnte WITTE Automotive zuvor weitgehend manuelle und papiergebundene Abläufe ablösen und automatisieren. Insbesondere bei der Übertragung von Fehlersammelkarten in das SAP-System führt dies zu nicht unerheblichen Zeit- und Kosteneinsparungen.

Früher musste ein Maschinenbediener die in den Maschinensteuerungen gesammelten Daten am Ende der Schicht auf ein Blatt Papier notieren. Anschließend tippte er diese am SAP-Arbeitsplatz per Hand in die SAP-Anwendung für das Qualitätsmanagement ein. Das dauerte pro Schicht rund 45 Minuten. Allein in Velbert haben die Maschinenbediener im Jahr auf diese Weise etwa 225.000 Fehlermerkmal-Positionen in das SAP-System übertragen. Heute werden über die Hälfte der Positionen innerhalb von 30 bis 40 Sekunden automatisch verbucht.

20 Prozent mehr Daten, bessere Analysen

Durch die elektronische Erfassung und Verarbeitung hat sich zudem die Anzahl der in die SAP-Arbeitspläne übertragenen Fehlersammelkarten um rund 20 Prozent erhöht. Die breitere Datenbasis erhöht die Qualität der Daten und damit auch die Genauigkeit der Auswertungen, denn in letztere fließen auch Fehlerpositionen ein, die nicht in das SAP-System übertragen werden.

Ebenso hat das Unternehmen die Abläufe zur Analyse von Maschinenstillständen effizienter gestaltet. Steht eine Anlage mehr als vier Minuten lang still und liegt der Grund dafür nicht in einer realen Maschinenstörung, sondern weil Material oder Verpackungen fehlen, müssen Maschinenbediener diesen Ausfall nachbegründen. Diese Informationen erfassen die Bediener heute an einem BDE-Terminal. Von dort werden die Daten in die SAP-Software übertragen wie auch in die OEE-Anwendung importiert, wo sie sich mit wenigen Mausklicks nach verschiedenen Kriterien auswerten lassen.

Die Analysen geben dem Unternehmen wichtige Aufschlüsse über die Leistungsfähigkeit seiner Anlagen, es kann deren Wartung besser planen, die Auslastung optimieren oder Nachschubprozesse wirkungsvoller organisieren. Auch Soll-Ist-Vergleiche liefern Kennzahlen zur Performance der Anlagen, denn sie zeigen die Abweichungen zwischen den pro Stunde und Schicht tatsächlich produzierten Stückzahlen mit den Vorgaben an. Die entsprechenden Daten holt sich die OEE-Anwendung zum einen aus den Maschinensteuerungen, zum anderen aus den SAP-Arbeitsplänen. Außerdem sind - durch spezielle Templates - auch Soll-Ist-Abgleiche zu den Taktzeiten bei Anlagen oder zu den Hubzahlen je Minute bei Stanzautomaten möglich.

Kunden bekommen Prüfdateien schneller

Nicht zuletzt kann der Automobilzulieferer seinen OEM-Kunden heute auch angeforderte Prüfdateien für Funkschlüssel zeitnah zur Verfügung stellen. Bei jedem produzierten Funkschlüssel wird die Funktionsfähigkeit der Elektronik maschinell gemessen und dafür eine Prüfdatei im XML-Format mit bis zu 50 Prüfpositionen erzeugt. Die OEE-Lösung liest diese Daten von selbst aus und stellt sie übersichtlich dar. Benötigt ein Automobilhersteller eine bestimmte Prüfdatei, etwa aufgrund einer Fehlfunktion bei einem Funkschlüssel, können Mitarbeiter im Qualitätsmanagement diese mit einer komfortablen Suchfunktion schnell recherchieren. Früher mussten sie dafür die Prüfdateien einzeln durchsuchen, was bei einigen tausend produzierten Funkschlüsseln pro Tag einen enormen Zeitaufwand bedeutete.

ROI innerhalb von drei Jahren

Derzeit verbindet der Automobilzulieferer weitere Anlagen mit der SAP-MII-Gesamtlösung - sowohl im Werk in Velbert als auch in den Werken seiner deutschen Tochtergesellschaften Krosta, Fingscheidt und Riku. "Da wir immer mehr Anlagen und Bereiche in Echtzeit überwachen, auswerten sowie rasch optimieren können, rechnen wir damit, den Return on Investment für das 2008 gestartete Projekt innerhalb von drei bis maximal vier Jahren zu erreichen", resümiert Gregor Hanys.