Status quo Green IT

Experton Studie enthüllt teilweise katastrophale Ergebnisse

26.06.2009
Die Experton Group hat im ersten Quartal 2009 eine Studie zum Markt für Green IT in Deutschland ausgearbeitet. Kernaussagen darin: Deutsche Unternehmen sehen Green IT als wichtiges Thema, haben aber noch wenig Informationen und Know-how in Sachen Öko-IT.

Experton hat zwischen Januar und April 2009 eine von Hewlett-Packard als Hauptsponsor finanzierte Umfrage bei 100 Unternehmen in Deutschland erarbeitet. Hierbei und in zusätzlich 37 Expertengesprächen eruierten die Unternehmensberater, wie es um das Öko-Bewusstsein von IT-Verantwortlichen und um konkretes Wissen zum ökologischen IT-Betrieb bestellt ist. Das Ergebnis ist nicht ermutigend: Es gibt viele Defizite sowohl beim Wissensstand zum Thema Green IT, als auch bei der konkreten Umsetzung. Ganz allgemein, so eine Erkenntnis, agieren Großunternehmen "grüner" als mittelständische oder kleine Betriebe.

Katastrophales Ergebnis

Eines der unerfreulichen Ergebnisse betraf den Energiebedarf von Rechenzentren: 85 Prozent der Befragten mussten zugeben, dass sie diesen gar nicht kennen. Experton kommentiert diesen Wert deutlich: "Ein katastrophales Ergebnis!" Ein Grund für diese Unkenntnis dürfte in einem weiteren Ergebnis der Befragung liegen: Insbesondere bei mittelständischen und kleinen Unternehmen wird der Energiebedarf der IT "im wesentlichen nicht aus dem IT-Budget gezahlt".

Bei den Fragen nach dem Energiebedarf von Rechenzentren und wer hierfür in Unternehmen zahlt, ergab sich zudem ein irritierendes Ergebnis bei Großunternehmen: Bei fast der Hälfte der Konzerne (46 Prozent) wird die Stromrechnung dem IT-Budget zugeschlagen. Nur 36 Prozent der IT-Verantwortlichen kennt aber den Energiebedarf des oder der eigenen Rechenzentren. Mit anderen Worten: Zehn Prozent der befragten IT-Manager aus Konzernen bezahlen für etwas, was sie gar nicht kennen.

Wolfgang Schwab ist Green-IT-Experte bei der Experton Group.

Das Bewusstsein für die Bedeutung des Faktors Energiekosten dürfte künftig steigen. Denn die Experton-Befragung ergab auch, dass fast die Hälfte aller Unternehmen einen gestiegenen Energiebedarf vom Jahr 2007 zum darauf folgenden Jahr konstatierten. Dieser Trend wird sich fortsetzen, weswegen es wichtig erscheint, auf diesen Kostenfaktor auch in IT-Abteilungen ein wachsames Auge zu haben.

Umweltbewusstsein wegen des Image? Nein

Vielleicht liegt es an den wirtschaftlich schwierigen Zeiten: Aber aus Imagegründen oder wegen eines besonders ausgeprägten Umweltbewusstseins würde nur ein geringerer Teil der Unternehmensführungen ein Budget bereitstellen, das den mit dem Betrieb der Firmen-IT einhergehenden Kohlendioxidausstoß reduzieren würde. Lediglich ein Drittel der befragten Unternehmen bejahte die Frage, ob für dieses Unmweltengagement ein Sondertopf bereitgestellt wird. Wolfgang Schwab, Green-IT-Experte bei der Experton Group, meinte denn auch: "Wer angibt, aus Imagegründen Green-IT-Konzepte zu verfolgen, nutzt dieses Argument wahrscheinlich eher als Feigenblatt."

Auch bei dieser Frage gibt es deutliche Unterschiede zwischen, kleinen und mittelgroßen Firmen einerseits sowie großen Unternehmen andererseits: 56 Prozent der Großkonzerne würden explizit Budgets zur CO2-Reduzierung zur Verfügung stellen.

Sogar nur jeder vierte Befragte ist laut der Experton-Untersuchung bereit, gesondert Mittel bereitzustellen, um durch eine optimierte Geschäftsprozessunterstützung den CO2-Ausstoss der Unternehmens-IT zu verringern. Bei Unternehmen mit 5000 und mehr Mitarbeitern allerdings steigt dieser Wert auf 46 Prozent.

Beliebt: Konsolidierung und Virtualisierung

Bei der Frage, welche "Teilbereiche der Green IT für das Unternehmen wichtig sind", gab es ziemlich deutliche Ergebnisse. Spitzenreiter bei der Bedeutung bestimmter Green-IT-Strategien sind der effiziente Einsatz der IT durch Konsolidierung und Virtualisierung, gefolgt vom Einsatz energieeffizienter Klimatechnik. Die Nutzung von Abwärme hingegen ist offensichtlich noch zu exotisch, um breiten Anklang zu finden.

Abgesehen einmal mehr von den großen Unternehmen ist zudem das Thema Applikationskonsolidierung als Öko-Strategie eher von mäßigem Interesse. Ebenfalls nicht im Fokus bei der Durchsetzung von Green-IT-Konzepten steht der Einsatz energieeffizienter Hardware - ein Ergebnis, das überrascht. Allerdings könnte das daran liegen, dass die Hersteller von IT-Komponenten - Beispiel Prozessoren - diese zunehmend mit umweltfreundlicheren Eigenschaften versehen. Diese Produkte kommen dann beim Kauf neuer Gerätschaft automatisch zum Einsatz, ohne dass hier eine gesonderte Öko-Strategie zugrunde liegt.

Dem widerspricht allerdings das Ergebnis auf die Frage, ob es in Unternehmen Vorschriften oder Richtlinien zur Nutzung energieeffizienter Hardwarekomponenten gibt. Bis auf Großkonzerne, in denen offensichtlich rigidere Vorgaben gelten, gibt es hierzu in kleinen und mittelständischen Betrieben zu fast 80 Prozent keine Regeln. Konsequenterweise hat der Energieverbrauch von Hardwarekomponenten denn auch nur einen sehr geringen Einfluss auf die Kaufentscheidung für Server, Storage, Netzkomponenten, PCs und Notebooks.

Fahrlässiger IT-Betrieb

Richtiggehend verärgert zeigte sich Experton-Mann Schwab bei folgendem Ergebnis: Die Analysten wollten wissen, ob die in Unternehmen eingesetzten System-Management-Suiten verschiedene Features wie etwa das Energie-Monitoring aller aktiven Komponenten oder das automatische Abschalten von Ressourcen unterstützen. Vor allem wollte Experton wissen, ob diese Features in Unternehmen auch genutzt werden. Fast die Hälfte aller Befragten (46 Prozent) gab an, Energie-Monitoring werde von ihren Management-Suiten unterstützt - aber nicht eingesetzt. Zweifünftel der Befragten könnten die Abschaltprozesse ohne viel Umstand automatisieren - tun es aber nicht. Verwunderlich ist es dann auch nicht, dass etwa Konzepte wie Wake-on-LAN wenig genutzt werden. Schwab hierzu: "Ich verstehe nicht, warum man ein sehr sinnvolles Feature, das Energie sparen hilft und damit die Kosten senkt, nicht eingesetzt wird, obwohl es vorhanden ist. Das ist schon fast fahrlässig."

Fünf erste Schritte hin zu Green IT

Die Experton Group hat fünf Schritte definiert, die für eine erfolgreiche Green-IT-Strategie von Bedeutung sind: Um Energie effizienter zu nutzen, sollten Unternehmen erstens Konzepte zur Konsolidierung und Virtualisierung ihrer IT-Infrastruktur insbesondere in Rechenzentren erarbeiten.

Die Unternehmensberater fordern zudem, energieeffiziente Hardware einzusetzen. Praktisch alle CPU-Hersteller hätten etwa in den vergangenen sechs bis zwölf Monaten "deutliche Fortschritte" in punkto Energieeffizienz ihrer CPUs gemacht. Auch die DDR-3-Hauptspeichertechnologie (DDR = Double Data Rate) sei wesentlich energieeffizienter als die Vorgänger-Techniken DDR und DDR-2. Überdies ließen sich mit neuen Lüftern und Netzteilen Wirkungsgrade von bis zu knapp 95 Prozent erzielen. Auch so könne der Energieverbrauch einzelner Systeme deutlich gesenkt werden. Schließlich müssten bei der Diskussion um eine energieeffiziente IT auch unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USVs) in die Betrachtungen einbezogen werden.

Als dritten Faktor von Bedeutung nennt Experton die Kühlung der Computerkomponenten. Dieser komme in Rechenzentren eine doppelte Bedeutung zu. Einerseits sollte sie effizient kühlen, dabei aber so wenig Energie wie möglich verbrauchen. Andererseits würden die Anforderungen an die Wohltemperiertheit der Systeme ständig steigen. Verantwortlich hierfür sind immer höhere Leistungsdichten, wie sie beispielsweise bei Blade-Server-Techniken auftreten und bei sehr dicht gepackten Netzwerken. Als Lösung schlägt Experton vor, Einsatzmöglichkeiten von Wasserkühlungen entweder auf Rack-Ebene oder sogar schon auf Chip-Ebene zu prüfen.

Eine Strategie, die in letzter Zeit von Rechenzentrumsverantwortlichen häufiger in Betracht gezogen wird, ist die Nutzung der Abwärme. Sie sei allerdings, so Experton, ein noch relativ unbeachteter Bestandteil von Green-IT-Strategien. Eine gewisse Menge an Abwärme werde sich aus physikalischen Gründen auch in Zukunft nicht vermeiden lassen. Anwender sollten also prüfen, ob diese sinnvoll genutzt werden kann. Optionen könnten etwa die Warmwasseraufbereitung, die Heizung von Büroräumen, aber auch die Einspeisung in öffentliche Fernwärmenetze sein.

Schließlich könnten Anwender im Sinne eines ökologisch einwandfreien IT-Betriebs auch gezielt IT-Lösungen zur besseren Unterstützung von Geschäftsprozessen nutzen. So ließe sich der Energieverbrauch in Fachabteilungen senken. (jm)