Firmengründung im Eiltempo

EU will bürokratische Hürden für den Mittelstand abbauen

30.06.2008
Die EU-Kommission beabsichtigt, die Position mittelständischer Unternehmen in der Union zu verbessern. Zu diesem Zweck haben die Eurokraten den "Small Business Act" definiert. Ziel des Projekts ist es, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Entscheidungsfindung in der EU stärker zu berücksichtigen und Maßnahmen zum Nutzen des Wachstumspotenzials zu ergreifen.

Der Vorstellung des Small Business Act war eine Befragung der EU vorausgegangen, an der über 500 Firmen teilnahmen. Die meisten Antworten kamen aus Deutschland, Italien, Großbritannien und Frankreich. Das Umfrageergebnis zeigte, dass für kleine und mittelständische Firmen hauptsächlich administrative Hürden, Überregulierung und zu hoher Bürokratieaufwand die größten Hürden sind. Des Weiteren kämpfen KMU mit folgenden Problemen:

Mittelstand wird mit Großunternehmen in einen Topf geworfen

Mit dem Small Business Act will Brüssel nun Maßnahmen in den Mitgliedsstaaten initiieren, die den Status von kleinen und mittelständischen Betrieben im Vergleich zu Großunternehmen verbessern sollen. Problematisch ist bis dato zum Beispiel, dass in den meisten Rechtsvorschriften und Verwaltungsverfahren nicht nach der Unternehmensgröße unterschieden wird, obwohl 99 Prozent der Unternehmen in der Union kleine und mittelständische Betriebe mit maximal 250 Beschäftigten sowie einem Umsatz von höchsten 50 Millionen Euro sind. Dieser Umstand führt dazu führt, dass 23 Millionen Klein- und Mittelstandsfirmen häufig dieselben Verwaltungsauflagen erfüllen müssen, wie die 41.000 Großunternehmen Europas. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist ferner, dass die KMU 80 Prozent der neuen Arbeitsplätze in der Union geschaffen haben. Außerdem werden die meisten Arbeitsplätze in der Europäischen Union von dieser Klientel gestellt.

Wegen dieser Schlüsselrolle für die künftige Entwicklung, will die EU bürokratische Hürden abbauen und die europäischen KMU besser unterstützen, damit sie ihr Potenzial, langfristig nachhaltiges Wachstum und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, voll ausschöpfen können. Diesem Zweck dient der Small Business Act. Er umfasst zehn Grundsätze, die auf höchster politischer Ebene eingeführt werden sollen, sowie konkrete Maßnahmen, die den Kleinunternehmen das Leben erleichtert sollen. Nach Konsultationen mit Unternehmen und ihren Vertretern will die Europäische Kommission außerdem in vier Bereichen, die für KMU besonders wichtig sind, neue Rechtsvorschriften vorschlagen.

Neue Rechtsvorschriften in vier Bereichen

  1. Eine neue allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung in Bezug auf staatliche Beihilfen wird Verfahren vereinfachen und Kosten sparen. Durch sie können KMU mehr staatliche Hilfen erhalten und sich leichter Mittel für Bildung, Forschung und Entwicklung, Umweltschutz und anderes erschließen.

  2. Durch das neue Statut der Europäischen Privatgesellschaft (Société privée européenne - SPE) können in allen Mitgliedstaaten Europäische Privatgesellschaften gegründet werden, die nach denselben Grundsätzen arbeiten. Diese neue Art der Rechtsform wurde entwickelt, weil für grenzüberschreitend tätige KMU heutzutage sehr kostspielige Verpflichtungen bestehen; sie müssen bislang in jedem Mitgliedstaat, in dem sie tätig werden wollen, Tochterunternehmen mit jeweils unterschiedlicher Rechtsform gründen. Die SPE würde in der Praxis bedeuten, dass für ein KMU ein und dieselbe Rechtsform ausreicht, gleichgültig ob es nur in seinem eigenen Mitgliedstaat oder auch in anderen tätig ist. Die Entscheidung für die SPE erspart den Unternehmern Zeit und Geld für Rechtsberatung, Management und Verwaltung.

  3. Ein neuer Vorschlag über die Mehrwertsteuer wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit bieten, für lokal erbrachte Dienstleistungen ermäßigte Mehrwertsteuersätze zu erheben; dazu gehören auch personalintensive Dienstleistungen, die hauptsächlich von kleinen und mittleren Unternehmen erbracht werden.

  4. Eine für 2009 vorgesehene Änderung der Richtlinie über Zahlungsverzögerungen soll dazu beitragen, dass die KMU innerhalb der festgelegten Zahlungsfrist von 30 Tagen ihr Geld erhalten.

Firmengründung in einer Woche

Die Entwicklung und Durchführung politischer Maßnahmen auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten orientiert sich an 10 Grundsätzen, wie etwa daran, dass Unternehmer, die Konkurs angemeldet haben, eine zweite Chance bekommen sollten, dass der Zugang zu Finanzmitteln erleichtert wird und dass die KMU in die Lage versetzt werden, Umweltprobleme in Geschäftschancen.

Über die bereits bestehende Zusage hinaus, den Verwaltungsaufwand bis zum Jahr 2012 um 25 Prozent zu reduzieren, sollte der Zeitbedarf zur Gründung eines neuen Unternehmens eine Woche nicht überschreiten, die Höchstdauer zur Erteilung von Unternehmenslizenzen und -zulassungen sollte einen Monat betragen und es sollte zentrale Anlaufstellen geben, die bei Neugründungen und Personaleinstellungen weiterhelfen.

Soweit praktikabel, wird die Kommission künftig in unternehmensrelevanten Verordnungen, Entscheidungen und Beschlüssen ein konkretes Datum für deren Inkrafttreten angeben. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, ähnliche Maßnahmen zu treffen.

BDI und BDA begrüßen die Initiative

Arnd Kirchhoff: Brüssel muss seine Definition von Mittelstand überdenken.
Foto: Arnd Kirchhoff

Bei Arndt Kirchhoff, Vorsitzender des BDI/BDA-Mittelstandsausschusses, löst der Small Business Act ein positives Echo aus: "Es ist eine gute Nachricht, dass die EU-Kommission den Mittelstand stärker in den Fokus der europäischen Politik rückt", meint Kirchhoff und ergänzt: "Zwei Dinge sind für den deutschen Mittelstand entscheidend: die konsequente Umsetzung des Think-Small-First-Prinzips auf allen Feldern der europäischen Rechtsetzung und die Konzentration auf Maßnahmen für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumschancen."

Kirchhoff weist auch darauf hin, dass ein Drittel der Teilnehmer an der Internet-Konsultation zum "Small Business Act" die europäische Definition von kleinen und mittleren Unternehmen als schwierig für das Wachstum mittelständischer Unternehmen betrachtet. "Dieses Votum muss die EU-Kommission berücksichtigen", fordert der Verbandsrepräsentant und macht sich für eine stärkerer Berücksichtigung der Interessen von Familienunternehmen stark. "Die enge und rein quantitative europäische Definition kleiner und mittlerer Unternehmen ist schlecht. Wir erwarten von der EU-Kommission einen Vorschlag, der Familienunternehmen gezielter unterstützt, etwa durch eine flexiblere Anwendung der Definition. Das stärkt den deutschen Mittelstand und schafft Wachstum und Arbeitsplätze."