Kostenlose Hypervisor im Vergleich

ESXi, Hyper-V oder XenServer Express?

03.12.2008 von Andrej Radonic
Die drei Markt führenden Hypervisor gibt es auch in kostenlosen Einsteigerversionen. Wo liegen ihre größten Defizite gegenüber den Vollversionen und für welche Zwecke eignen sie sich?

Die Kernkomponente der Server-Virtualisierung, der Hypervisor, ist inzwischen zum Massengut geworden. Spätestens seit Microsoft Hyper-V als Bestandteil seines Server-Betriebssystems Windows abgibt, lässt sich mit der reinen Virtualisierungstechnik kaum noch ein Geschäft machen. Dementsprechend konzentrieren sich die Hersteller zunehmend auf Management-Tools und Enterprise-Features sowie Support als Haupt-Einnahmequelle.

Microsoft, VMware und Citrix schränken die Funktionen und Lizenzen ihre Gratis-Produkte im Vergleich zu ihren Vollprodukten ein, sei es durch limitierte Managementfunktionen, Begrenzung auf wenige Prozessoren oder durch reduzierte Unterstützung für Storage oder High Availability. Bei allen Unterschieden wird dabei eine gemeinsame Ausrichtung deutlich: diese Systeme sind für den Betrieb auf einzelnen Servern gedacht.

Unterschiedliche Konzepte

Bei allen drei Produkten handelt es sich um Hypervisor des Typs 1, das heißt, die Virtualisierungsschicht läuft direkt auf der Hardware und nicht auf einem Host-Betriebssystem.

Während Microsoft Hyper-V und Citrix XenServer als Produkt untrennbar mit den jeweiligen Management-Betriebssystemen - Windows Server 2008 respektive Linux - verbunden sind, beschränkt sich VMware ESXi auf die reine Hardwareabstraktion und kommt mit 32 MB Festplattenplatz aus.

Im Gegensatz zu den Konkurrenten bietet Citrix für die Express-Variante auch gegen Bezahlung keinen Support an. Hingegen kann eine bestehende Installation - ähnlich wie bei VMware - einfach durch einen Lizenzschlüssel zu einer Vollversion umgewandelt werden. Das Microsoft-Produkt hingegen muss man neu installieren, um auf eine der kostenpflichtigen Ausführungen umzusatteln.

Hyper-V Server 2008

Hyper-V Server 2008 ist die eigenständige Ausführung von Windows Server 2008 in der Hyper-V-Rolle, die im Vergleich zur Vollversion ein noch weiter abgespecktes Windows enthält. Lizenzen werden hier - wie auch bei den anderen Systemen - erst für die Gäste nötig.

Hyper-V Server lässt sich problemlos installieren und stellt Windows-Administratoren vor keine Hindernisse stellen. Jedoch dürfte für diese Klientel Windows 2008 Server Core, das dem Virtualisierungssystem zugrunde liegt, mangels grafischer Oberfläche gewöhnungsbedürftig sein.

Die lokale Administration beschränkt sich auf die Kommandozeile, remote steht mit dem Hyper-V-Manager ein grafisches Werkzeug zur Verfügung.

Die Voraussetzungen für Installation und Betrieb sind moderat, da gängige Serverhardware verwendet werden kann. Das System verlangt genau wie XenServer einen 64-Bit-Prozessor mit integrierter Virtualisierungsunterstützung (also Intel VT oder AMD-V).

Die Administration des Hyper-V-Servers findet lokal auf der Kommandozeile statt. Weitergehende Funktionen wie das Steuern von Gästen erfolgen remote und grafisch über den kostenfreien Hyper-V Manager (via Vista oder Windows 2008) oder über System Center Virtual Machine Manager (SCVMM), für dessen Lizenzierung Kosten anfallen.

Alle wichtigen Windows-Varianten können virtualisiert betrieben werden, als einzige Alternative zu den eigenen Systemen unterstützt Microsoft Novell SUSE Enterprise Linux (SLES). De facto besteht seine vornehmliche Aufgabe darin, Rechner unter Windows Server 2003 zu virtualisieren und zu konsolidieren. Aufgrund der fehlenden Lizenz für ein Gast-Windows ist es für Nutzer von Server 2008 uninteressant, weil diese Version bereits in der Standard-Edition die Installation der Software in der Parent-Partion und in einer gewöhnlichen VM zulässt.

Die kostenlose Variante weist gegenüber der der Vollversion wesentliche Nachteile auf: Kein Host-Clustering, kaum Anpassung durch Nachinstallation anderer Komponenten und dadurch Reduzierung auf die reine Hypervisor-Rolle. Lediglich Multipath IO, Bitlocker, SNMP sowie Windows Backup sind zusätzlich möglich.

Sehr nützlich hingegen ist, dass der Volume Snapshot Service (VSS) für automatisierte Backups laufender Maschinen verfügbar ist, die über diesen Dienst automatisch auf "ruhend" gestellt werden, so dass das Dateisystem intakt bleibt.

Stärken und Schwächen

Plus

  • Einfache und schnelle Installation

  • Schnelle Verfügbarkeit in Windows-Landschaften

Minus

  • Kein Memory Over-Commit

  • Keine Live Migration

  • Kein direktes Upgrade auf höhere Version möglich

  • System kann keine anderen Dienste ausführen (beispielsweise Datei- oder Web-Server)

VMware ESXi

ESXi enthält als kleiner Bruder viele wichtige Funktionen des Marktführers ESX und lässt sich auf 32- sowie auch 64-Bit-Hardware installieren und administrieren. Da das System geringe Hardwareanforderungen stellt, wird es in verschiedenen Marken-Servern gleich auch als Firmware mitgeliefert - ähnlich wie der Konkurrente XenServer. ESXi bietet sich aufgrund seines Appliance-Charakters besonders für einen raschen Aufbau von Disaster Recovery Sites an.

Bei ESXi besteht der Hauptunterschied gegenüber ESX im fehlenden Betriebssystem (Red Hat) für den Betrieb der Service-Konsole - einerseits wird es dadurch sehr schlank, andererseits fehlen daher aber auch lokale Managementfunktionen.

VMware ESXi ist das schlankste der drei kostenlosen Systeme, was sich aber auch bei den Verwaltungswerkzeugen bemerkbar macht.

Das System läßt sich sinnvoll nur remote verwalten, da lokal nur ein rudimentäres Menüsystem existiert und noch nicht einmal ein Zugang per SSH verfügbar ist (außer über eine Behelfslösung mit Busybox). Die entfernte Kommandozeile hat nur lesenden Zugriff. Auch der Zugriff über den Browser ist dem Administrator verwehrt, so dass die Verwaltung inklusive der Backups dem Virtual-Infrastructure-Client vorbehalten bleibt. Sämtliche Management-APIs sind dabei aber verfügbar.

Das Lizenzierungsmodell ermöglicht das nahtlose Upgrade auf die kostenpflichtigen Versionen. Allerdings treiben praktisch alle aufbauenden Funktionen wie Consolidated Backup oder HA mit teuren Lizenzen die Kosten schneller in die Höhe als bei den Konkurrenten.

Stärken und Schwächen

Plus

  • umfangreiche Unterstützung für viele verschiedene Gastsysteme

  • einfache und schnelle Installation

  • nahtlose Upgrades auf höhere Versionen

Minus

  • nur auf zertifizierter Hardware, dadurch weniger Auswahlmöglichkeiten bei Servern

  • Ausbau für Enterprise-Einsatz teuer

XenServer Express Edition

Den Kern der "Express Edition" bildet die Open-Source-Software Xen, die von Citrix um Management-Tools und andere Komponenten erweitert wird. Der Kostenlosvariante fehlen vor allem Enterprise-Features wie XenMotion, Unterstützung für Shared Storage (SAN) sowie High Availability.

Das Citrix-System präsentiert sich als rundes, aber nicht unbedingt schlankes Produkt: 16 GB werden mindestens an Plattenplatz vorausgesetzt, wobei die Hälfte für Backups im Fall von Updates reserviert ist. Die grafische Windows-Administrationsoberfläche XenCenter, eine ausgefeilte Kommandozeile, die auch remote eingesetzt werden kann, sowie vorgefertigte Templates für die schnelle Installation von Gastsystemen (Windows, XenApp, Linux) sind an Bord.

Mit XenCenter verfügt XenServer Express Edition über ein ausgefeiltes grafisches Administrations-Tool.

Die Installation fällt einfach und ist auch für Linux-Ungeübte zu bewältigen, nachdem das System seine Linux-Herkunft in weiten Teilen gut zu kaschieren weiß. Für diejenigen, die das Open-Source-System nutzen und zu schätzen wissen, eröffnet sich damit die gesamte Welt des freien Unix-Klones. Daher lassen sich auch eigene Lösungen für HA, Clustering oder Backup schaffen, ohne auf die kostenpflichtigen Addons des Herstellers angewiesen zu sein.

In der inzwischen vielgestaltigen Xen-Produktwelt ist Citrix XenServer bislang das einzige Produkt, das effiziente paravirtualisierte Treiber für den beschleunigten Betrieb von Windows bei den Netzwerk- und Festplattenzugriffen mitbringt. Sowohl für Linux- als auch Windows-Server werden passende P2V-Tools gleich mitgeliefert.

Stärken und Schwächen

Plus

  • Unterstützung für viele Gastbetriebssysteme

  • umfassende Managementoptionen

  • Kann mit Linux-Kenntnissen selbständig stark ausgebaut werden

  • nahtlose Upgrades auf höhere Versionen

  • sehr breite Hardware-Unterstützung

Minus

  • kein Support für die Express Edition

Fazit

Die Einstiegsdrogen in die Welt der Servervirtualisierung sind ausgereifte Systeme, die einen effizienten und zuverlässigen Betrieb von Gastsystemen ermöglichen. Hyper-V und XenServer haben gegenüber ESX(i) mehrere entscheidende Vorteile: sie unterstützen deutlich mehr Hardware, da sie Treiber aus der privilegierten Partition (parent Partition oder domain 0) mitnutzen. Zudem lässt sich jedes Storage-System, das die dort installierten Betriebssysteme (Windows 2008 beziehungsweise Linux) ansprechen können, auch für die Speicherung der VMs verwenden. VMware ist mit seinem proprietären VMFS an dieser Stelle deutlich restriktiver und bietet weniger Auswahl.

Insgesamt eignen sich die vorgestellten Lösungen für kleine und mittlere Unternehmen, die mit Standalone-Servern auskommen und nicht unbedingt automatisierte HA- und Loadbalancing-Features sowie ausgefeiltes Management benötigen. Hyper-V hingegen empfiehlt sich, wenn in Microsoft-lastigen Unternehmen Systeme unter Windows 2000 und 2003 virtualisiert werden sollen.

Ein detaillierter Funktionsvergleich findet sich im Wiki der Computerwoche. (ws)