"Es werden etliche verhungeren":

06.07.1979

Mit Fritz Rühl, Marketing-Direktor Bereich Basis-Datenverarbeitung Sperry Univac, sprach Dieter Eckbauer

- Herr Rühl, Sperry Univac ist vor etwa einem Jahr mit niedrigen Vorwetten als krasser Außenseiter ins MDT-Rennen

gegangen. Tun Sie sich schwer in diesem Geschäft?

Ich habe eine sehr gute Karikatur aus der COMPUTERWOCHE in Erinnerung. Da saßen alle Mitbewerber in einer Arena, Sperry Univac zog ein und wurde mit dem Ruf empfangen: Na und! Das war eine Herausforderung, weil der Markt Univac mit Sicherheit so gesehen hat. Wir haben aber, meiner Meinung nach, lange genug gewartet und genau den richtigen Zeitpunkt für den Eintritt in den Bürocomputer-Markt gewählt. Lange genug deshalb, weil es unser Konzept ist, gegen IBM anzutreten, IBM-Systeme abzulösen und uns an IBM zu messen.

- Nun ist IBM nicht der MDT-Markt. Warum orientieren Sie sich mit dem Bürocomputer BC/7 an IBM?

IBM und Computerunternehmen in der Größe von Sperry Univac, Burroughs, auch Honeywell, sind etablierte Unternehmen, die dem Markt eine komplette Produktpalette anbieten. Der MDT-Markt ist dagegen eigentlich ein Markt, der noch nicht in die EDV-Landschaft reingewachsen ist. Deshalb entwickeln wir unsere Produkte von oben nach unten, so wie es unser Wettbewerb auch tut.

- Herr Rühl, Sie sagten, Univac orientieren sich an IBM. Nun ist IBM mit dem System/32 anfangs auf Schwierigkeiten gestoßen , weil nämlich keinerlei Erfahrungen vorlagen, wie in diesem Marktsegment vorzugehen ist. Laufen Sie nicht Gefahr, ebenfalls Lehrgeld zahlen zu müssen?

Wir orientieren uns nicht an IBM, wir agieren. Vielleicht muß man gewisse Zeitpunkte abwarten, um agieren zu können. Das ist eigentlich auch der Grund, warum wir so spät kamen. Man muß abwarten, welche Fehler der Mitbewerber macht und diese Fehler in Vorteile bei den eigenen Produkten umsetzen.

-Demnach betrachten Sie den IBM-System-/32-Markt als Ablösepotential?

Auf jeden Fall, denn ein 32er-Anwender ist meiner Meinung nach mehr mit einem Locher verheiratet als mit einer Datenverarbeitungsanlage. Und wenn er heute mit der BC/7 ein voll kompatibles System mit dreifacher Leistung zum selben Preis angeboten bekommt, dann überlegt er nicht sehr lange und wird den Sprung schon machen.

- Nun argumentiert der MDT-Wettbewerb - nicht IBM, wohlgemerkt -, er kenne die Probleme der kleinen und mittleren Unternehmen genau, während diese Materie den großen Mainframern fremd sei.

Dieses Argument wurde ich mit Sicherheit auch verwenden, wenn ich beim Wettbewerb wäre, das ist das gute Recht der MDT-Anbieter. Aber die Probleme der Klein- und Mittelbetriebe ebenso groß wie die der Großunternehmen. Es gibt nur einen Unterschied, und der liegt in der Quantität, nicht in de Qualität. Ich glaube, jeder Mainframer kann für sich in Anspruch nehmen, daß er in den Innovationen, in der Problemlösung der MDT überlegen ist, weil er seit Jahrzehnten große Problemlösungen- nehmen Sie den Dialog, nehmen Sie Datenverbundsysteme - in Konzerne gelöst hat, die mit Sicherheit die gleichen Probleme wie kleine Betrieb haben.

- Es wird gesagt, die Mainframer sprechen nicht die Sprache des kleinen Anwenders.

Wir unterhalten uns auch in Mundart. Ich unterhalte mich sehr gerne in Bayerisch, mir fällt es schwer, zu berlinern.

- Sie wissen, wie die Frage gemein war ...

Ja. Nur glaube ich, daß der Große den Kleinen richtig beraten kann, denn es is völlig sekundär, ob ich ein Fertigungsunternehmen wie Daimler-Benz oder Krauss-Maffei berate und Problemlösungen in der Fertigung, in der Zeitwirtschaft, in der Materialwirtschaft biete denn mit genau diesen Problemen kämpft der Kleine unten auch. Und wenn mir jetzt ein MDT-Kollege sagt, du verstehst nichts von der Zeitwirtschaft oder der Materialwirtschaft, dann gebe ich ihm sofort zur Antwort: Dann versuch du mal, Konzernprobleme zu lösen.

- Stichwort "Problemlösungen": Was die Bürocomputer-Hersteller an Standardprogrammen anbieten, deckt bestenfalls die klassischen Abrechnungsgebiete ab - also Buchhaltung, Fakturierung, Lohn und Gehalt und so weiter - und diese Pakete sind noch dazu von vorgestern.

Ich weiß nicht, warum man eine Buchhaltung oder eine Auftragsbearbeitung immer neu löse sollte. Es müssen die Dialogmöglichkeiten, die relativ neu sind, berücksichtigt werden. Aber auch die kommen von den Universalrechner-Herstellern. Und diese haben auch die Betriebsysteme dazu entwickelt. Denn man kann nicht einfach ein Stapelverarbeitungsprogramm zum Dialogprogramm machen - die Dateien müssen umgestellt werden, es müssen indexierte Dateien vorhanden sein, während die sequentiellen Dateien zum Teil vergessen werden können.

- Sie haben indirekt bestätigt, daß Buchhaltung und Auftragsbearbeitung von der Mittleren Datentechnik immer schon gelöst worden sind. Heißt das, die einzige Neuerung bei der sogenannten Dialogverarbeitung besteht darin, daß der Anwender eine 80stellige Erfassung am Bildschirm macht?

Nein, bestimmt nicht. 80 Stellen gehören der Vergangenheit an. Sie waren ein historischer Kompromiß zwischen der Erfassung- und Belegseite und dem Rechner. Dann gab es die variablen Dinge mal über Lochstreifen und dann via Bildschirm - kam übrigens wieder von den Mainframern, nicht von den MDT-Herstellern. Das ist es, was die Flexibilität ausmacht, daß man nämlich heute immer mehr in die Richtung der Sofort-Information und Sofort-Erfassung geht.

- Ist nicht der Erstanwender mit Dialogverarbeitung schlichtweg überfordert?

Das Problem ist, daß der kleine Anwender sich einen Systemmann und einen Operator nicht leisten kann, aber die

gleiche Qualität in der Information braucht, die sein größerer Mitbewerber, der sich einen Systemmann, einen Programmierer und einen Operator leisten kann, schon besitzt.

- Nun erleben wir gerade einen dramatischen Verfall der Hardwarepreise. Sind denn Systeme dieser Größenordnung für den Anbieter noch lukrativ?

Ich glaube, daß es in der kleinen Klasse immer schwerer wird und die Gewinne sehr gering sind. Hier bringt es nicht das einzelne System, sondern hier muß man einfach Tausende von Stückzahlen absetzen, um auf einen profitablen Weg zu kommen. Die Gewinnung eines Neukunden für Sperry Univac kann allerdings mit Sicherheit anders bewertet werden als die Gewinnung eines Neukunden bei einer Firma XY, die keine zukunftsorientierte Produktlinie hat. Wenn ein Kunde mit Ihnen zufrieden ist, wird er sich mit Ihren Produkten weiter nach oben entwickeln.

- Halten Sie es für einen wichtigen Punkt, daß dem kleinen Anwender das Handling mit der Maschine erleichtert wird, daß man wegkommt von diesen englischen Manualen und von dieser Fachsprache?

Das ist korrekt. Der kleine Anwender will nicht open, go, close - oder was auch immer lernen - das interessiert ihn überhaupt nicht. Was die Maschine damit macht, ist ihm völlig egal. Er will an sein System gehen und will dem System in seiner Sprache Anweisungen geben. Er will sagen: Wähle, finde, liste, vergleiche.

- Herr Rühl, Sie sagten, den Anwender interessiert letztlich nur die Problemlösung und nicht, wie der jeweilige Hersteller das intern gelöst hat. Wie kann Ihnen dann das Argument: "Wir sind groß und wir sind innovativ im Erstanwendermarkt helfen?

Zurückgefragt: Wie wirkt sich denn Innovation in diesem Produktbereich aus? Wenn der Anwender die Maschine einschaltet und sofort das erste Bild sieht und dann läuft die Maschine den ganzen Tag durch, ohne daß er wirklich etwas falsch machen kann, und sie bietet ihm zusätzlich noch Abfragemöglichkeiten, die er schnell lernen kann, dann hat er ein Produkt, das in der Bedienung an Einfachheit mit einer Magnetkontenanlage gleichzusetzen ist.

- Es gibt eine Vielzahl von Anbietern, die sich auf dem Bürocomputer-Sektor tummeln. Glauben Sie, daß es langfristig zu einer Marktbereinigung kommen wird.

Sicher. Es werden etliche verhungern. Ich wundere mich daß so viele da sind.

- Sperry Univac gehört selbstverständlich nicht dazu?

Lesen Sie unseren letzten Geschäftsbericht. Univac gehört nicht dazu.