Auch der Mittelstand geht neue Wege

Erste Schritte mit Web-Services

31.01.2003 von von Patrick
Zwar sind Web-Services in aller Munde, doch in der Praxis herrscht noch vornehme Zurückhaltung. Aber es gibt Ausnahmen. Dabei liegt der Fokus generell auf innerbetrieblichen Anwendungen. Drei Fallbeispiele.

FÜR DIE Isaria Corporate Design AG in Oberpframmern dient der Standard als Richtschnur. Isaria übernimmt für seine Kunden, darunter Banken und Versicherungen, den Entwurf und die Ausstattung der Filialen nach dem jeweiligen Corporate Design. „Vor zwei Jahren haben wir mit der Entwicklung eines Prozess-Management-Systems begonnen“, erzählt Peter Küssner, Prokurist bei Isaria und Leiter des Produktmanagements. Ziel war es, die Qualität der einzelnen Prozesse im Produktionsverlauf zu steigern und die verschiedenen Schritte für die Kunden transparent zu gestalten. Implementiert wurde das System von der AP Automation + Productivity AG in Karlsruhe, auf der Basis ihrer ERP-Software „P2plus“. Die komplexen Kundenbeziehungen wurden in einem Extranet abgebildet. P2plus wurde auf der Microsoft-.Net-Plattfom realisiert und beinhaltet daher bereits eine Browser-basierende Oberfläche, Portalfunktionen und Web-Services. Seit März 2002 ist das System im

Einsatz, und die Kunden können sich zeitnah über alle Arbeitsschritte - vom Design über die Produktion bis zur Montage informieren.

Als Interface auf Kundenseite dient dabei der Browser. Der Zugang wird für die verschiedenen Benutzer durch Kennung und Passwort geschützt. Die Browser- Anfrage beantwortet bei Isaria ein Application-Server, der die Daten zum Zeitpunkt der Abfrage zusammenstellt und sie anschließend per XML übermittelt. Um aktuelle Daten über die XMLSchnittstelle präsentieren zu können, greift der Server mittels Web-Services auf die Daten der einzelnen Prozesse zurück.

„Auf Basis dieser Technologien war es recht einfach, sowohl die kundenspezifische Information aus den betriebswirtschaftlichen Anwendungen als auch die dem Corporate Design des Kunden gerechte Darstellung der benötigten Informationen in das Extranet zu stellen. Auch die Integration der komplexen Vorgänge zwischen Extranet und interner Abwicklung im ERP-System konnte so in allen Teilschritten realisiert werden”, sagt Christian Hambsch, Projektleiter der AP AG für das Prozess-Management- System bei Isaria. „Bislang tragen die Zugriffsmethoden zwar nur den Namen. Den Normen entsprechen sie noch nicht vollständig“, so Christian Hambsch, „denn zum Zeitpunkt der Entwicklung war der Standard noch nicht ausformuliert.“

Anlaufprobleme gemeistert

„Zu 70 Prozent können wir auf Windows- Standardsoftware zurückgreifen”, betont Peter Küssner. Deren bekannte Features, etwa die Online-/Offline-Funktionen von Outlook-E-Mails, ließen sich nahtlos integrieren. Auch die Kunden sind angetan: „Wenn wir über die Möglichkeiten informieren, wecken wir regelmäßig Interesse“, so Peter Küssner.

Nach anfänglichen Startproblemen - so war beispielsweise die aktuellste Version des Internet Explorers notwendig für den Einsatz des Systems - überzeugen heute jedoch die Vorteile der neuen XML-Technologie in P2plus. Peter Küssner: „Viele positive Faktoren wie die höhere Transparenz, die Beschleunigung der Geschäftsprozesse und die Realisierung einer papierlosen Kommunikation mit definierten Kommunikationsbeziehungen werden heute von unseren Kunden geschätzt.“

Gute Erfahrungen machte auch die Irßlinger GmbH in Meßkirch, ein Großhändler für Pflanzen. Der Betrieb mit seinen 100 Mitarbeitern beliefert von Blumenboutiquen bis zu Gartencentern vornehmlich Kunden im süddeutschen Raum, in der Schweiz und in Österreich. Irßlinger wollte eine nahtlose Verknüpfung des auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnittenen Warenwirtschaftssystems mit dem Online-Shop erreichen. Dabei waren zwei Welten zu verbinden: Das interne System basiert auf „Dataflex“, einem Datenbank- Framework des amerikanischen Anbieters Data Access. Es sollte ohne Änderungen mit dem externen System, E-Commerce-Framework „Xcommerce“ der Software AG zusammenspielen.

Um das Ziel zu erreichen, wurde die Dataflex-Umgebung um den Application-Server „Webapp“ von Data Access erweitert. Damit können die Informationen aus der Datenbank im XML-Format über Microsofts „Internet Information Server“ (IIS) ausgeliefert werden.

Systeme wachsen zusammen

"Die Umsetzung ist Sache von Spezialisten."

Wolfgang Klein, Start Amadeus

Die Kunden greifen über das Web auf den von der Software AG entwickelten Online-Shop zu. Der Shop benutzt die aus dem Apache-Umfeld stammende freie Software „Tomcat“ als Application Server. Die Kommunikation zwischen Tomcat einerseits und Webapp andererseits verwendet den Web- Services-Standard Soap (Simple Object Access Protocol). Derzeit läuft die komplette Installation auf einem Windows-2000-Server im Unternehmen selbst.

Die Entwicklung setzte Irßlinger im Oktober 2001 in Gang. Zum Saison-Beginn im März konnte der Online-Shop eröffnet werden. Wichtig sei gewesen, die Fachleute von Data Access und Software AG gemeinsam zu einem Termin vor Ort zu bitten, sagt Anton Frank, Bereichsleiter Logistik bei Irßlinger. Dabei seien die notwendigen Absprachen getroffen worden. Ansonsten lief die Projektkoordination weitgehend über E-Mail.

 Den Kunden können jetzt die bislang in der hauseigenen Anwendung versteckten Funktionen zugänglich gemacht werden: Preissystem, Preisfindung, Frachtberechnung stehen ihnen nach dem Login zur Verfügung. Die Login-Daten reicht der Shop an das interne System weiter, wo sie geprüft werden. Damit ist dann beispielsweise auch bekannt, welche Produktgruppen der Kunde führt, und es können die entsprechenden Informationen bereitgestellt werden.

Nach Möglichkeit soll sich die Lösung selbst überwachen. Bleibt die Kommunikation zwischen den Anwendungen stecken, erhält Frank automatisch eine E-Mail. Bewährt hat sich der Mechanismus in der Startphase, als Microsofts Internet Information Server (IIS) Probleme bereitete. Nach vier Wochen Fehlersuche konnte als Ursache schließlich ein Speicherleck im IIS ausgemacht werden. Nachdem der Fehler mit einem Servicepack behoben wurde, läuft die Anwendung jetzt zuverlässig, sagt Frank.

Die Start Amadeus GmbH ist mit ihrem Reisevertriebssystem Marktführer in deutschen Reisebüros. In den vergangenen Jahren ist der Tourismus-Markt stark in Bewegung geraten und steht unter hohem Druck: Die Kosten müssen gesenkt und das Beratungsgeschäft vor Ort muss vereinfacht werden. Start Amadeus will den Anforderungen durch das Portal „Portevo“ gerecht werden, das die von den Reisebüros benötigten Funktionen bündelt.

Sukzessive soll das derzeitige Buchungssystem in Portevo dieses Jahr um zusätzliche Leistungen erweitert werden. Zur Internationalen Tourismus-Börse im März in Berlin strebt Start Amadeus die erste Präsentation von „Leisure Travel Solution“ (LTS) an. Integriert in Portevo soll es den Reisebüros unter anderem ein Veranstalter- übergreifendes Angebotssuchsystem bieten. Damit sollen Reiselustige, die ein Appartement an der Costa del Sol mit Meerblick wünschen, zügig bedient werden können. Die sequentielle Suche nach einem entsprechenden Angebot bei verschiedenen Reiseveranstaltern entfällt zugunsten einer einzigen Suchanfrage.

Kommunikation mit Soap

Zentrales Arbeitsinstrument in den Reisebüros wird durch das Internet-basierte Portal der Browser. Zur Nutzung des speziellen Angebots von LTS wird zusätzlich ein Java-Applet benötigt. Das Applet stellt einen Client mit eigener Datenbank dar, in der aus Geschwindigkeitsgründen bereits einige Informationen vorgehalten werden.

Bei der Kommunikation zwischen Client und dem auf Sun Solaris laufenden Application-Server Bea Weblogic wird der Web-Services-Standard Soap verwendet. „Der Standard soll sicherstellen, dass es bei einer losen Koppelung von Client und Server bleibt“, sagt Wolfgang Klein, Leiter des Geschäftsbereichs Development.

Expertenwissen erforderlich

Mit der Konzeption von LTS begann Start Amadeus bereits 2001. Die Implementation übernimmt die Firma selbst. Aus seiner Erfahrung heraus empfiehlt Klein, einen Application-Server einzukaufen und dann Spezialisten mit der Umsetzung von Web-Services zu betrauen. „Wir nutzen das Expertenwissen, um Spitzenbelastungen in Entwicklungsprojekten abzudecken“, so der Start-Manager.

Start Amadeus verfolgt mit LTS ehrgeizige Ziele. Das Angebot soll zu einem vollständigen Web-Service inklusive einer Beschreibung in der Web Service Definition Language (WSDL) und dem Eintrag im UDDI-Verzeichnis (Universal Description, Discovery and Integration) werden. Jeder potenzielle Kunde, der nur autorisiert sein muss, könnte dann auf das Angebot zugreifen. (uk)

* Patrick Golztsch ist freier Journalist in Hamburg.