Fünf SaaS-Modelle im Überblick

ERP-Lösungen aus der Cloud

23.08.2012 von Frank Naujoks
ERP aus der Cloud gewinnt an Akzeptanz. Wie sich der Markt präsentiert und was SAP, Microsoft & Co. zu bieten haben, lesen Sie hier.
Foto: Jakub Jirsak, Fotolia.de

IT wie Strom aus der Steckdose beziehen ist eine Vision, die seit Jahren gepredigt wird, doch nur langsam folgen die ersten Anbieter den wenigen Pionieren und ergänzen das eigene Angebot. Noch vorsichtiger reagieren die Kunden, die nur sehr zögerlich auf Lösungen für Enterprise Resource Planning (ERP) aus der Cloud zurückgreifen.

Seit dem vergangenen Jahr gewinnt das Thema ERP und Software as a Service (SaaS) aber immer mehr Gewicht in der Diskussion um den Betrieb von Geschäftsanwendungen im Unternehmen. SAP ging mit Business ByDesign Anfang 2011 auch in Österreich und der Schweiz auf den Markt und baut die globale Präsenz schrittweise aus. Der amerikanische Anbieter PlexOnline forciert seit 2011 seine Aktivitäten in Europa mit der nur als SaaS-Modell verfügbaren Lösung für Fertigungsbetriebe. Auf die Bereiche Buchhaltung, Projekt-Management und CRM/Vertrieb hat sich der Bonner Anbieter Scopevisio fokussiert und adressiert neben Freiberuflern und Dienstleistern insbesondere Steuerberater.

Microsoft liefert aktuell nur über Partner vergleichbare Angebote für Dynamics NAV. Ende des Jahres will der Konzern mit dem neuen NAV-Release nachziehen und dieses als On-Premise- und Anfang 2013 wohl auch als On-Demand-Version anbieten. Diesen so genannten hybriden Weg gehen auch Anbieter wie Sage oder eNVenta, die ihre vorhandenen Lösungen für das Cloud Computing aufbereitet haben und Anwendern die Möglichkeit einräumen, zwischen den Betriebsmodellen zu wechseln oder sie zu mischen.

Rahmenbedingungen von SaaS-fähigen ERP-Angeboten
SaaS-fähige ERP-Angebote
Aus Sicht der Anwender stellen sich die Rahmenbedingungen von SaaS-fähigen ERP-Angeboten folgendermaßen dar:
Zugriffsmöglichkeiten
Das System wird ohne Aufbau von Infrastruktur - quasi aus der Steckdose - bezogen: Notwendig sind ein Rechner mit einem Internet-Browser sowie eine entsprechende Verbindung, eine Installation ist nicht notwendig. Für den Einsatz in einer Büroumgebung ist das eine funktionierende Konstellation. Zu klären sind Offline-Arbeitsmöglichkeiten, beispielsweise die Zugriffsmöglichkeiten mobiler Mitarbeiter.
Datenschutz und Datensicherheit
Die Applikation bietet hohe Standards mit entsprechender Zertifizierung in Bezug auf Datensicherheit, Performance und Verfügbarkeit: Entsprechende Service-Level-Agreements und Zertifizierungen erreichen in der Regel eine sehr gute Verfügbarkeit und meistens auch einen besseren Schutzlevel als Server, die in kleinen und mittelständischen Unternehmen installiert sind. Zusätzlich garantiert der Anbieter auch Backup- und Recovery-Szenarien. Anwender müssen klären, welche gesetzlichen Grundlagen gegebenenfalls die Verwendung ihrer ERP- oder Kundendaten einschränken und welcher Gesetzgebung der Anbieter unterliegt. In diesem Bereich sollten Unternehmen nicht leichtfertig agieren, sondern sich mit dem Thema Datenschutz und Datensicherheit eingehend beschäftigen.
Pay-per-Use
Die Bezahlung erfolgt periodisch nach diversen "Pay-per-Use"-Modellen: In der Regel bestimmen die Komponenten Laufzeit, Anzahl der Nutzer und Funktionsumfang den Preis. Eine echte verbrauchsabhängige Abrechnung ist das zwar noch nicht, doch diese Modelle sind kalkulierbar und schützen vor bösen Überraschungen. Es sind keine Anfangsinvestitionen für Software und gegebenenfalls Hardware nötig. Entsprechend wird die Liquidität geschont.
Einfach konfigurierbar
Das System kann sehr einfach, in der Regel ohne IT-Fachwissen oder Beratungs-Know-how, konfiguriert werden: Dies hat allerdings den Nachteil, dass Anwender sich im Rahmen der Herstellervorgaben bewegen müssen und so manche geliebte Eigenart ihrer Abläufe aufgeben müssen.
Usability
Die Systemoberfläche ist sehr einfach und intuitiv und kann (weitgehend) ohne Schulung erlernt und bedient werden
Erweiterbarkeit
Die Systemfunktionalität kann durch eine weitgehend nicht reglementierte und unabhängig agierende Entwickler-Community erweitert werden: Erweiterungen werden in der Regel über entsprechende Systemmarktplätze bereitgestellt. SAP bietet mit Entwicklungswerkzeugen Partnern die Möglichkeit, kleine Ergänzungen, aber auch Branchen-Templates nach einem Zertifizierungsprozess zur Verfügung zu stellen.

SaaS-fähige Ansätze im ERP-Markt

Aus Sicht der Anwender stellen sich die Rahmenbedingungen von SaaS-fähigen ERP-Angeboten folgendermaßen dar:

Vor- und Nachteile von ERP aus der Cloud

Den Vorteilen von SaaS-ERP wie kalkulierbare Kosten, Standardisierung, Security und Backup-Szenarien stehen auf Anwenderseite auch abzuwägende Nachteile gegenüber: zum Beispiel die eingeschränkte Anpassbarkeit der Anwendung, der Zwang zur permanenten Online-Verfügbarkeit, kaum vorhandene Branchen-Templates sowie unter Umständen Fragen des Datenschutzes.

Wo ERP on-Demand gefragt ist

Zwei Anwendertypen zeichnen sich ab, die sich für SaaS-ERP-Applikationen entscheiden: zum einen schnell wachsende Mittelständler, bevorzugt aus dem Dienstleistungsbereich, die über eine heterogene IT-Landschaft verfügen und Finanzbuchhaltung, Customer-Relationship-Management (CRM), Projekt-Management-Software etc. harmonisieren wollen. Zum anderen Unternehmen, die für Tochter- oder Landesgesellschaften eine schnell einzuführende Lösung suchen, die mit ihrem existierenden System in der Zentrale verbunden werden soll.

Nachfolgend werden fünf ERP-Lösungen aus der Cloud näher beleuchtet:

SAP Business ByDesign & PlexOnline

SAP Business ByDesign

Bereits im Herbst 2007 hat SAP mit der neu entwickelten Lösung SAP Business ByDesign den Vorstoß in die SaaS-Welt für ERP-Produkte im Mittelstand gewagt. Aktuell nutzen über 1000 Kunden, davon knapp die Hälfte im deutschsprachigen Raum, die Software. Um sich intern von der ebenfalls seit Frühjahr 2012 als SaaS-Lösung über Partner angebotenen Version SAP BusinessOne abzugrenzen, steigt ab Sommer die Mindestabnahme von SAP ByDesign auf 25 Anwender.

Mit dem Angebot erreicht SAP ByDesign bewusst nicht die Komplexität und Funktionalität der für Großkunden entwickelten SAP Business Suite, deren Ursprünge als SAP R/3 bekannt sind. Mit SAP Business ByDesign wurde stattdessen eine integrierte und umfassende Geschäftslösung von Grund auf neu konzipiert, die sich ausnahmslos an den Anforderungen mittelständischer Unternehmen orientiert und einen durchgängigen Blick auf das Unternehmen ermöglicht.

Neben den ERP-Kernbereichen um Buchhaltung und Produktion sind Personalverwaltungs-, Supply-Chain-Management- (SCM), CRM- und Einkaufsfunktionen integriert, die im Zusammenspiel die gängigen Prozesse der Unternehmen abbilden und transparent machen. Ergänzt werden die Bereiche durch umfangreiche Projekt-Management-, Compliance-Management- und Reporting-Features, die mehr als 500 vordefinierte Reports auf Basis der integrierten Analytics-Komponente beinhalten. Die Analysefunktionen von SAP Business ByDesign basieren auf der In-Memory-Technik HANA von SAP.

PlexOnline

Die Wurzeln von Plex, gegründet 1995, liegen in der Automobilindustrie, entsprechend ausgeprägt ist der Fertigungsfokus mit den Branchen Automotive, Lebensmittelproduktion und medizinische Geräte. Dabei geht die Firma, deren On-Demand-Lösung PlexOnline im Jahr 2001 auf den Markt kam, durchaus ungewöhnliche Wege. So gibt es beispielsweise keine festen Release-Zyklen, sondern Updates, Bugfixes etc. werden eingespielt, sobald sie verfügbar sind.

Der Kunde entscheidet dann selbst durch Anklicken, ob er die Entwicklung mitgeht oder nicht. Eine weitere Besonderheit ist das Fehlen einer festen Preisliste nach Usern. Der Preis richtet sich nach dem Umsatz des Unternehmens und jeder Mitarbeiter kann lizenzrechtlich auf das System zugreifen. Zielgruppe der Software sind Unternehmen mit einem Umsatz zwischen zehn Millionen und rund zwei Milliarden Dollar. In Europa sind rund 20 Kunden mit Plex unterwegs, darunter BMW mit dem Bereich Qualitäts-Management, Nissan mit einem Supplier Portal, Feintool und Magna.

Das ERP-Komplettsystem enthält ein nach deutschem GAAP-Standard zertifiziertes Rechnungswesen von Fides und umfasst Module für CRM, Qualitäts-Management und SCM ebenso wie die Fertigungssteuerung mit einem integrierten Manufacturing Execution System (MES), das mit Maschinen- und Betriebsdaten (MDE/BDE) aus der Produktion in Echtzeit aktualisiert wird.

eNVenta ERP, Scopevisio & Sage Office Line 365

eNVenta ERP

Die Unternehmenssoftware eNVenta ERP wurde komplett auf Basis der .NET-Architektur von Microsoft entwickelt. Deshalb lag es nahe, das Angebot eNVenta Cloud zu schaffen, welches auf der Windows-Azure-Plattform von Microsoft läuft und von Anwenderfirmen via Internet genutzt werden kann. Der Funktionsumfang reicht von ERP-Kernfunktionen wie Produktionsplanung, Lagerverwaltung und Einkauf über CRM und E-Commerce bis hin zu Projekt-Management, Finanzbuchhaltung und Controlling.

Die Zielgruppe des Angebots sind Unternehmen mit fünf bis 30 Anwendern. Die Preise beginnen bei 69 Euro pro Anwender und Monat. Dazu kommen die Kosten für die Nutzung der Windows-Azure-Infrastruktur, da die Lösung im Microsoft-Rechenzentrum in Dublin betrieben wird. Mit eNVenta Cloud Stahl steht zudem eine Branchenlösung für den Stahlhandel in der Cloud zur Verfügung. Sie bietet den vollen Funktionsumfang der beiden eNVenta-Module Stahl und Biegerei.

Mit eNVenta Cloud Plus bietet Nissen & Velten Unternehmen zusätzlich die Option, individualisierte, maßgeschneiderte Unternehmenslösungen auf der Basis von eNVenta ERP entwickeln zu lassen und aus der Cloud zu beziehen. Zielgruppe sind hier Firmen mit 15 bis 30 Anwendern. Dies wäre dann aber eine gehostete Lösung, deren Konditionen sich aus einem Mietanteil für die Standardsoftware und den Entwicklungskosten für Sonderwünsche zusammensetzen.

Scopevisio

Rein auf das Online-Angebot seiner Software hat sich der Bonner Anbieter Scopevisio fokussiert. Die Lösung besticht durch eine verständliche Benutzerführung und eine ansprechende Benutzeroberfläche. Insbesondere die Funktionen im Bereich Rechnungswesen und Anlagenbuchhaltung sind gut durchdacht und weisen einen hohen Reifegrad auf. Dies entspricht auch den Bedürfnissen der momentan verstärkt adressierten Zielgruppe der Steuerberater und Buchhalter, die Scopevisio als Mehrmandantenlösung einsetzen.

Aktuell beschränkt sich das Angebot auf Rechnungswesen, Anlagenbuchhaltung, Kontaktverwaltung und Projekt-Management. Dank der engen Verzahnung mit der Finanzbuchhaltung und dem Rechnungsprogramm/Faktura ist ein lückenloser Informationsfluss über den gesamten Projektverlauf vom Projektstart bis hin zur Projektabrechnung gewährleistet.

Besonders auffällig ist die sehr gute OCR-Lösung zur Rechnungserfassung, die eine schnelle Weiterverarbeitung ermöglicht. Ebenfalls sehr durchdacht ist die Möglichkeit, zur weiteren Qualifizierung der Kontakte aus der Anwendung heraus Firmen- und Personeninformationen über beispielsweise Bundesanzeiger oder Xing abzurufen und einzubinden. Geplant sind weitere Funktionen, so zum Beispiel eine Lohnbuchhaltung sowie zusätzliche CRM-Merkmale.

Sage Office Line 365

Das SaaS-Angebot von Sage für kleine und mittelständische Unternehmen wird unter dem Namen Office Line 365 vermarktet und bietet wie die fest installierte Office Line Evolution alle gängigen ERP-Funktionen: Von der Warenwirtschaft zur Steuerung des Einkaufs, Lagers und Vertriebs über das Rechnungswesen zur effizienten Abwicklung der Buchhaltung, Bilanzierung und Kostenrechnung bis hin zur Planung sowie Steuerung der Produktion können mit der Cloud-Version der ERP-Lösung alle gängigen Unternehmensabläufe umgesetzt werden. Dabei werden die Daten in hoch gesicherten, deutschen Rechenzentren vorgehalten.

So erlaubt die Office Line mit dem Aufgaben-Center eine Gestaltung individueller Prozessabläufe auf Arbeitsplatzebene. Dadurch werden die täglichen Abläufe erheblich vereinfacht. Anwender können ihr System so anpassen, dass jeder Arbeitsplatz auf relevante Funktionen und Daten zurückgreifen kann: Aufgabenlisten, Bildschirmauskünfte, Erfassungsmasken oder Diagramme stehen ohne Programmieraufwand per drag & drop zur Verfügung.

Office Line 365 von Sage ist seit Frühjahr 2012 erhältlich und richtet sich an kleine und mittelständische Unternehmen, die ein neues ERP-System kurzfristig und flexibel einsetzen wollen. Die Grundmodule Warenwirtschaft und Rechnungswesen sind ab 89 Euro monatlich pro Anwender erhältlich. (pg)