Green IT in der Praxis

Energiekosten gesenkt, Umwelt geschont

25.11.2009 von Oliver Häussler
In zahlreichen Projekten zeigen große und mittelständische Unternehmen, dass Green IT nicht nur ein IT-politisches Schlagwort ist. Mit individuellen Lösungen bis hin zu ganzheitlichen Energieeffizienz-Konzepten verringern sie nicht nur den CO2-Ausstoß, sie arbeiten damit auch weit wirtschaftlicher als zuvor. Erfahrungsberichte zum Nachmachen.

IT-Verantwortliche haben Green IT entdeckt. "Rund 40 Prozent der Technologie-Chefs springen auf den Green-IT-Zug auf", analysiert die Beratergesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Die Vorteile sind vielseitig: Wirtschaftlich betrachtet sind es weitaus geringere Kosten für den Energieaufwand von Rechenzentren und IT-Landschaften. Ökologisch gesehen steht der drastisch reduzierte CO2-Ausstoß im Vordergrund, verbunden mit einem "gehörigen Imageschub durch die Nutzung nachhaltiger IT-Produkte", wissen die PwC-Berater.

Peter Graf, Geschäftsführer von AMPEG: "Es gehört eine gute Portion Idealismus dazu, wenn so ein Projekt unter Klimaschutzaspekten betrachtet wird".

Die größten "Stromfresser" der IT sind schlecht ausgelastete Server- und Systemlandschaften, ineffiziente Kühlsysteme und eine veraltete Netzinfrastruktur samt USV-Systemen. Wie man diese systematisch aufspürt und optimiert, beschreibt der Beitrag "Den Stromfressern auf der Spur". Ergänzend zu dieser theoretischen Betrachtung stellten IT-Verantwortliche ihre realisierten und in der Praxis bewährten Projekte im Rahmen des von Intel, der Computerwoche und CIO initiierten Projekts "Best of IT-Awards" vor. Eine kleine Auswahl daraus soll zur Nachahmung anregen.

"Energieeffizienz ist kein Hexenwerk"

Die Art und Weise, wie Unternehmen Green IT umsetzen, ist sehr unterschiedlich. Während große Konzerne wie Daimler, Deutsche Telekom und Intel eine globale Umweltpolitik mit Strategie zur drastischen Reduktion von CO2 entwickelten, erzielt bei kleineren und mittelständischen Unternehmen der "Dreh an der richtigen Stellschraube" oft schon große Erfolge bei der Energieeinsparung.

Zunächst griffen bei Ampeg Sofortmaßnahmen. Nach Projektstart sind die Stromeinsparungen deutlich gesunken. Das größte Potenzial lag in der Virtualisierung der Server.
Foto: Ampeg

"Ein Unternehmen auf Energieeffizienz zu trimmen, ist kein Hexenwerk", sagt Peter Graf, Geschäftsführer von AMPEG, Software-Hersteller, Systemintegrator und Spezialist für IT-Sicherheit aus Bremen. Seiner Ansicht nach gehört allerdings eine "gute Portion Idealismus dazu, wenn so ein Projekt unter Klimaschutzaspekten betrachtet wird". Ampeg selbst hat gute Erfahrungen gemacht und konnte den jährlichen Stromverbrauch um über 30 Prozent senken - vorwiegend durch Virtualisierung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Geschäftsführer Graf den Klimaschutzgedanken fest in die Firmenpolitik verankerte und schon vor sechs Jahren zunächst mit einigen Sofortmaßnahmen wie der Anschaffung von Green-IT-PCs begann, die Vorgehensweise danach aber zunehmend systematisiert. "Wir haben das Thema Stromeinsparung anfangs immer punktuell betrachtet und nicht in Frage gestellt, inwiefern wir die eingesetzten Geräte tatsächlich benötigen", so Graf. Erst als die großen Stromfresser mit einem Messgerät identifiziert wurden, war klar, an welchen Stellschrauben zu drehen ist und "wir beschlossen, so viel Hardware wie möglich zu virtualisieren". Davon waren in erster Linie die 34 Server betroffen, deren Auslastung bei nur wenigen Prozenten lag. "Pro Server, den wir abschalten konnten, ergab sich ein Stromsparpotenzial von 1560 kWh pro Jahr - so viel wie ein Einpersonenhaushalt im Jahr Strom verbraucht", rechnet Graf. Heute sind noch 16 Server im Einsatz. Beim Einkauf neuer Hardware werden Leistung und Stromverbrauch gleichermaßen berücksichtigt, selbst wenn die Anschaffung damit teurer wird.

Wichtig ist für Graf der Aspekt, dass Stromsparen keine reine IT-Angelegenheit ist. Sie funktioniere am besten, wenn der Gedanke in den Köpfen aller Beteiligten verankert sei. Um das Bewusstsein für das Thema zu schärfen, empfiehlt der AMPEG-Chef jedem Betroffenen den Selbstversuch: "Man rufe nur mal den Task-Manager seines PCs auf und sehe sich die CPU-Auslastung an - das sind meist nur zwei bis fünf Prozent". Ähnlich stelle sich die Situation bei den meisten Servern in Rechenzentren dar, die durch Virtualisierung effizienter zu betreiben seien.

Datenbank zur Energieeinsparung

Der Gedanke, dass sich Mitarbeiter mit dem Thema auseinandersetzen liegt auch einem Projekt zugrunde, das die Berater der Efexcon AG realisierten. Sie entwickelten eine Datenbank zur Einführung eines durchgängigen Prozesses zur Identifikation von Energie-Einsparpotenzialen und erstellten eine Web-basierte Softwarelösung zur Dokumentation von Energie-Einsparpotenzialen über alle Konzernstandorte und Sparten hinweg. Die Software unterstützt unterschiedliche Umrechnungs-Algorithmen, um verschiedene Energiearten wie Gas, Strom und Druck in einheitliche Leistungseinheiten und Währungsarten zu überführen. Darüber hinaus unterstützt die Software die Überführung von Vorschlägen über verschiedene Reifestufen bis hin zu umgesetzten Potenzialen durch flexible Definition von Workflows. Zielsetzung des Projekts ist der Aufbau einer Ideen- und Maßnahmen-Datenbank, die eine transparente Planung und das Tracking von Einsparpotenzialen und deren Umsetzung ermöglicht.

Mehr Energieeffizienz im Rechenzentrum

itecPlus wurde mit dem dritten Platz beim Best-of-IT-Award ausgezeichnet. RZ-Leiter Bley (2.v.r. neben Intel-Chef Hannes Schwaderer) bewirkte eine jährliche Einsparung von rund 2,5 Millionen KWh oder 2000 Tonnen CO2 beim Strommix der itecPlus.

Server, Kühlung und die USV zählen laut Bitkom-Leitfaden rund um Energieeffizienz zu den großen "Stromfressern" im Rechenzentrum, die sich optimieren lassen. Der rapide steigende Stromverbrauch brachte beispielsweise die USV-Anlage im Rechenzentrum der itecPlus GmbH, einem Tochterunternehmen des regionalen Energieversorgers N-ERGIE AG, an ihre Grenzen. Auch die Klimaleistung reichte nicht mehr aus. Darüber hinaus wurde den Verantwortlichen in diesem Zusammenhang bewusst, dass Rechenzentren relativ stark zur Umweltverschmutzung beitragen. Daher setzte itecPlus 2006 ein Projekt auf mit dem Ziel, diese technischen Probleme zu lösen und massive Energieeinsparungen zu erzielen. Das Vorhaben umfasst vier Teilprojekte: Standardisierung und Konsolidierung der Hard- und Software, Virtualisierung der Server, Client-Virtualisierung und Einsatz energieeffizienter Infrastruktur-Techniken. "Durch die 90-prozentige Virtualisierung erreichten wir eine Verbesserung der Prozessorauslastung von fünf bis zehn Prozent auf mehr als 75 Prozent", sagt der verantwortliche Rechenzentrums-Leiter Gerhard Bley. Mitte 2008 startete das dritte Teilprojekt "Client-Virtualisierung". "Zum heutigen Zeitpunkt haben wir bei ItecPlus unsere stündliche Stromabnahme im Rechenzentrum von 110 KWh auf 65 KWh reduziert", so Bley. Das entspricht einer jährlichen Einsparung von etwa 2,5 Millionen KWh oder 2000 Tonnen CO2 beim Strom-Mix der N-ERGIE-Tochter. Als letztes Teilprojekt im Rahmen der Energieeffizienz wird die Infrastruktur des Rechenzentrums modernisiert. Dabei sollen neue Klimatechnologien und eine USV-Anlage mit verbessertem Wirkungsgrad zum Einsatz kommen. In diesem Zusammenhang soll der Energieverbrauch nochmals um 15 bis 20 Prozent reduziert werden.

In vier Schritten zu höherer Energieeffizienz

Mit äußerster Konsequenz verfolgte das IT-Dienstleistungszentrum (ITDZ) Berlin den Klimaschutzgedanken bei seinem Projekt, das in vier Schritten umgesetzt wurde. Den Verantwortlichen war von Anfang an klar: Das größte Energiesparpotenzial bei der IT-Infrastruktur bieten Server-Räume und Rechenzentren, die einen Großteil des CO2-Verbrauchs von Büro- und Verwaltungsgebäuden verursachen.

Im ersten Schritt wurde das Kühlsystem im Data-Center des ITDZ Berlin modernisiert: Das neue Kühlsystem arbeitet soweit möglich mit freier Kühlung. Dabei kommt die Kühlanlage erst dann zum Einsatz, wenn die Außentemperatur zwölf Grad Celsius überschreitet. Unterhalb dieses Wertes erfolgt die Kühlung größtenteils durch den Austausch mit der Außenluft. Der Stromverbrauch des Kühlsystems wurde damit gegenüber der bisher verwendeten konventionellen Klimaanlage um rund 35 Prozent gesenkt.

Im zweiten Schritt wurden Server durch Virtualisierung konsolidiert: Das ITDZ Berlin hatte bereits 2006 damit begonnen, Systeme, bei denen absehbar war, dass sie den Standard-Server nicht ausnutzen würden, virtuell anzulegen. Heute laufen 114 virtuelle Maschinen auf fünf Host-Servern. Damit werden stündlich rund mehr als 15 Kilowattstunden eingespart. Da weniger Energie für die Server benötigt wird, reduzieren sich auch Abwärme und Aufwand für die Klimatechnik.

Im dritten Schritt wurden Blade-Server eingesetzt: Alle Server werden über die Belüftung an der Rückseite des Gehäuses, also nicht einzeln über einen gesonderten Lüfter, gekühlt. Der Austausch konventioneller Server durch Blades senkt den Energieverbrauch um bis zu 50 Prozent und spart zudem erheblich Platz.

Im vierten Schritt wurde eine Server-Lösung mit integrierter Kühlung realisiert: Das ITDZ Berlin setzte beim Ausbau des Rechenzentrums auf "eingehauste Warmgänge". Denn viel Kühlungsaufwand entsteht durch eine ungünstige Aufstellung der Server-Racks und die daraus resultierende Durchmischung von Warm- und Kaltluft. In den Server-Räumen neueren Datums wird die warme Abluft in einen geschlossenen Kubus geleitet und dort zentral gekühlt. Das bedeutet eine minimale Wärmeabgabe an den Aufstellungsraum und somit eine deutliche Entlastung der Klimatisierungsinfrastruktur im Rechenzentrum.

Das Fazit der Verantwortlichen: Investitionen in umweltfreundliche und energieeffiziente IT rechnen sich häufig erst mittel- oder längerfristig. Der Kostenersparnis stehen schließlich auch Anschaffungskosten gegenüber. Wenn jedoch die Energiekosten weiterhin steigen, ist eine Ausrichtung der IT-Infrastruktur auf energieeffiziente Geräte unausweichlich.

Umweltschutz als Firmenpolitik

Wer den Umweltschutz zur Firmenpolitik erklärt, kann großes erreichen. Bei der Knorr-Bremse AG in München ist dies seit Jahren der Fall. Green IT ist ein Teilbereich des gesamten Umweltbestrebens. Seit mehreren Jahren verfolgt der Bremsenhersteller eine IT-Strategie, die auf die Konsolidierung der IT-Infrastruktur in ein zentrales Backbone und die dezentrale Bereitstellung von Prozessen und Support gerichtet ist. Die konsequente Umsetzung dieser Strategie beinhaltet auch die Anwendung des "Fast-follower"-Prinzips, wonach technisch hochmoderne Infrastrukturen zum Einsatz kommen und eine Zentralisierung von über 90 Prozent der Server-Kapazitäten im Corporate Data Center (CDC) in München möglich wurde. Der RZ-Energieeffizienzfaktor (Gesamtstromverbrauch des Rechenzentrums zum Gesamtstromverbrauch IT-Infrastruktur) konnte von ehemals 3,0 auf heute 1,88 reduziert werden. Die Maßnahmen umfassten die Zentralisierung der Rechenzentren, die Konsolidierung von Servern, Storage und Netz, den Einsatz von Blade-Server-Techniken, Virtualisierung, moderne Infrastruktur (Strom, Klima) im CDC und effiziente Kühlung über eigenes Brunnenwasser mit zwölf Grad C sowie modulare hocheffiziente USV und den Einsatz stromsparender CPUs und Netzteile.

Doch auch bei Clients und Peripheriegeräten gab es zahlreiche Optimierungsmöglichkeiten. So wurden durch den zyklischen Client-Hardwareaustausch CRT- durch TFT-Monitore ersetzt, die Druckernutzung optimiert und durch den beleglosen Datenaustausch wesentliche Einsparungen erzielt.

Kleine Schritte, große Wirkung

Jeder Schritt zur Energiereduzierung trägt zu einer besseren Umweltbilanz der IT bei und zahlt sich früher oder später auch wirtschaftlich aus. Konzerne wie Daimler sparen dank ihrer Green-IT-Strategie bis zu 25.000 Tonnen CO2 pro Jahr ein. Oft sind es kleine Schritte, die eine große Wirkung erzielen. Das betrifft nicht nur die "IT-typischen" Maßnahmen wie Virtualisierung, Optimierung der Klimatechnik oder Konsolidierung. Es werden auch IT-Anwendungen wie zum Beispiel Crash-Test-Simulationen eingesetzt, um Energie und Ressourcen zu sparen, oder verstärkt Video- und Telefonkonferenzen eingesetzt, um die Anzahl der Mitarbeiterreisen zu reduzieren.

Viele dieser Ideen und Konzepte sind auf andere Organisationen übertragbar. Eine Systematik zu entwickeln, ist der effektivste Weg. Doch jeder noch so kleine Schritt trägt zur CO2-Reduzierung bei. Die höchste Effizienz erzielen Unternehmen, die Umweltpolitik zur Firmenstrategie machen und ihre Mitarbeiter systematisch einbeziehen. Hier erfahren Sie mehr über die Preisträger des Best-of-IT-Awards.