Chefsache Digitalisierung

Einfach, schnell, flexibel - Was Fabrik-IT im IoT-Zeitalter leisten muss

27.05.2019 von Franz Gruber
Um zukunftsfähig zu bleiben, benötigen Fertigungsunternehmen gute Rezepte für Ressourceneffizienz und Qualitätssicherung. Eine wesentliche Zutat dafür ist im Zeitalter von Internet of Things (IoT) und Industrie 4.0 datengestützte Fertigung - Smart Manufacturing. Eine moderne Fabrik-IT muss drei Kriterien erfüllen.
Die Frage ist heute nicht mehr ob, sondern wie schnell ein datengestütztes Shop Floor Management umgesetzt werden kann.
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Der Kaufmann weiß: Die Marge liegt im Einkauf. Übersetzt für die moderne Produktion gilt: Die Marge liegt in intelligenter Fertigung - Smart Manufacturing. Die große Mehrheit der fertigenden Unternehmen weiß: Die Herausforderungen im Zeitalter des Internets der Dinge (IoT) sind nur mit datengestützter Produktion zu bewältigen. Nutzen und Vorteile digitaler Fertigungsüberwachung sind überwältigend, ob ausgedrückt in Kennzahlen wie der Gesamtanlageneffektivität (OEE - Overall Equipment Effectiveness) oder in Kenngrößen wie die Liefertreue.

Weil immer mehr Fertigungsunternehmen von solchen konkreten Vorteilen profitieren wollen, suchen Maschinenbauer rund um den Globus händeringend nach Antworten, ihre Fertigungs-Maschinen so auszustatten, dass sie für ihre Kunden in Maschinen-, Geräte- und Anlagenbau voll Industrie-4.0- beziehungsweise IoT-fähig sind.

Es geht um die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen

Deshalb ist Digitalisierung Chefsache und kein IT-Projekt unter vielen. Wer es anders sieht, verkennt die Wucht des digitalen Urknalls, welche sich seit der Jahrtausendwende immer schneller ausbreitet. Für Industrie 4.0 und IoT gilt: Wer an alten Modellen und Technologien festhält, den wird es bald vom Markt fegen.

Digitalisierung ist nämlich kein Selbstzweck. Es geht um die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Volkswirtschaften. So erhöht digitales Fabrik-Monitoring erstens die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und damit das strategische Ziel von Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite, eine größtmögliche Standort- und Arbeitsplatzsicherheit zu erhalten.

Daher gehört auf die Agenda von Unternehmenslenkern heute zwingend die Entscheidung, welche organisatorischen und technologischen Maßnahmen getroffen werden müssen, um schon heute zu profitieren und in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Anders formuliert: Die Frage ist heute nicht mehr ob, sondern wie schnell ein datengestütztes Shop Floor Management umgesetzt werden kann. Dazu zählt auch, die Planungsebene, den Top Floor (ERP/SAP), möglichst nahtlos zu integrieren.

Welche Technologie ist für das industrielle IoT die richtige?

Passend ist eine Technologie für das industrielle IoT, wenn sie Unternehmen fit für das dritte Jahrzehnt dieses Jahrhunderts macht. Konkret: Die Lösung muss anwenderfreundlich sein, möglichst schnellen Nutzen bringen und Unternehmen zukunftsfähig machen.

Die "heilige" Dreifaltigkeit digitaler Fabrik-IT lautet daher:

Diese drei Vorteile bieten Edge- und Cloud-fähige IT-Plattform-Lösungen. So heißt einer der Megatrends der Digitalisierung "Plattformisierung in der Cloud". Wir alle kennen diese Entwicklung aus dem privaten B2C-Bereich: Chatten, Einkaufen, Musik hören und vieles mehr bietet uns heute unser aller Smartphone und schenkt uns Freiheit und Flexibilität. Wir können alle gewünschten Apps herunterladen, ob von Facebook, Amazon, Ebay, Google, WhatsApp, SnapChat, Instagram, Flickr, Netflix, Spotify, Twitter, LinkedIn, Xing und und und.

Diese "Plattformisierung" in der Cloud im IoT hat auch die Industrie ergriffen. Wir sprechen vom industriellen Internet der Dinge - dem IIoT. Auf internationalem Level sind mehr als ein Dutzend Anbieter von IIoT-Plattformen am Start. Das Beratungshaus ISG hat die wichtigsten Anbieter analysiert.

Die Einführung einer IIoT-Plattform muss dabei weder kompliziert noch teuer sein. Es gilt sogar: Je einfacher und flexibler die Lösung, desto größer die Akzeptanz innerhalb des Unternehmens. Das bedeutet gleichzeitig: Die Zeit geschlossener IT-Systeme a la traditioneller MES (Manufacturing Execution System) ist endgültig vorbei, will ein fertigendes Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben.

1. Konnektivität: Maschinen sowie ERP-Ebene lassen sich einfach vernetzen

Für Fertigungsleiter am wichtigsten: Wie binde ich meinen Park aus unterschiedlichsten Maschinen digital an? In den meisten Fabriken sind Anlagen aus unterschiedlichen Jahrgängen und von unterschiedlichen Herstellern die Regel. Dafür müssen IIoT-Plattform-Lieferanten einfache Lösungen bieten können. So darf der Anschluss von zum Beispiel drei Pilot-Maschinen durch Plug-ins nicht viel länger als drei Tage dauern - inklusive Vernetzung mit der Planungsebene (ERP) via Adapter.

Im nächsten Schritt geht es darum, Big Data aus den Maschinen in Echtzeit in nutzbare Informationen (Smart Data) zu verwandeln. Dazu sind hochleistungsfähige, Cloud-basierte Rechnerlösungen zur Datenmodellierung und Validierung notwendig (Semantic layer): Sie müssen digitale Zwillinge am Computer erzeugen, damit Betriebszustände virtuell analysiert und real optimiert werden können. Diese Vernetzungs- und Validierungskompetenz ist sowohl horizontal für den Shop Floor notwendig, aber auch vertikal hin auf die Planungsebene - dem Top Floor (ERP - Enterprise Ressource Planning).

Für IT-Leiter wichtig ist die Antwort auf die Frage der Vernetzung aller Anlagen: Welcher Standard ist der beste, damit die Maschinen untereinander sowie mit anderen Systemen oder Computern einfach kommunizieren können? Die Experten sprechen von semantischer Interoperabilität.

Antwort: Die Schaltzentrale für die Maschinenkommunikation (IoT Hub) sollte möglichst viele offene Kommunikationsstandards bieten können. Konkret: Sowohl der in Deutschland promovierte Standard OPC UA (für Open Platform Communications United Architecture) als auch der internationale De-facto-Standard MQTT (für Message Queue Telemetry Transport) sollte im IoT-Hub vorhanden sein.

2. Produktivität: Vorinstallierte Anwendungen ermöglichen schnelles Profitieren

Es gibt eine Handvoll Anwendungen, die für Fertigungsleiter wesentlich sind. Ein Muss in allen Branchen ist heute die lückenlose Rückverfolgung (Track&Trace) aller Prozesse. Daneben sind wichtige MES-Anwendungen auf einer IIoT-Plattform: Leistungsanalysen zur Gesamtanlageneffektivität OEE, Visualisierungen und Alarmierungen, Feinplanung und Steuerung von Aufträgen und Personalkapazitäten, Energiedaten-Management, Produktionsdaten-Management (Dokumente), Werkzeugdaten-Management (TDM - Tool Data Management), Qualitätssicherung (CAQ - Computer-Aided Quality-assurance).

Im besten Falle sind diese wichtigen Apps auf der IIoT-Plattform vorinstalliert. Dann ist die Lösung vergleichbar mit einem Fertighaus: Unternehmen können mit nutzerfreundlichen Charts und Grafiken schlüsselfertig starten, ihre Produktivität zu steigern. Mindestens zehn Prozent höhere Produktivität sollten in den ersten drei Pilot-Monaten drin sein - gemessen an der Gesamtanlageneffektivität OEE (Overall Equipment Effectiveness).

3. Flexibilität: Smart sein heißt offen sein für Drittlösungen

Die Kunden wollen mehr Service, Wettbewerber bringen neue Produkte heraus, Produktzyklen verkürzen sich, neue Anwendungen kommen auf den Markt - die Digitalisierung im IIoT erfordert ein Höchstmaß an Schnelligkeit und Flexibilität. Nur wer flexibel bleibt, gewinnt größte Planungssicherheit.

Für die Produktionslandschaft und ihre IT-Architektur bedeutet das konkret: Eine IT-Plattform muss heute cloudfähig sein und offene Schnittstellen bieten (OPEN API - offene Anwendungs-Programmier-Schnittstelle). Die Cloudfähigkeit ermöglicht Echtzeit-Monitoring größter Datenmengen, auch über Ländergrenzen und Zeitzonen hinweg.

Offene Schnittstellen bringen Unternehmen zudem die große Freiheit: Programmierer können mit ihnen auf Wunsch sowohl bestehende IT-Systeme als auch Drittsysteme wie Anwendungen für Werkzeugdatenmanagement, Qualitätssicherung oder Vorhersagende Wartung (Predictive Maintenance) nahtlos integrieren. Unternehmen werden mit integrierten offenen Schnittstellen wieder zu unabhängigen Bauherren ihrer ganz individuellen IT-Architektur.

Digitale Transformation "fliegt" mit zwei Flügeln

Eine digitale Transformation "fliegt" nur mit zwei Flügeln: Sie hängt sowohl ab von einer technologischen Echtzeit-Lösung als auch von einem modernen Change-Prozess für die Belegschaft. Oberste Management-Aufgabe in der digitalen Transformation ist es daher, technologischen und kulturellen Wandel zu synchronisieren.

Digitale Transformation besteht aus einem technischen und einem kulturellen Teil.
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Für den technologischen Teil der Transformation gilt: Fertigungs- und IT-Leiter sollten sich für eine anwenderfreundliche, performante und flexible IT-Plattform entscheiden - die Dreifaltigkeit eines datengestützten Shop Floor Managements.

Für den kulturellen Teil gilt: Das gesamte Unternehmen profitiert, wenn jeder einzelne seine Aufgaben bestmöglich erfüllen kann. Es gilt, allen klarzumachen, dass es beim Arbeiten mit digital erfassten Kennzahlen nicht um eine bessere Kontrolle von Menschen, sondern um eine bessere Überwachung von Maschinen und damit um Effizienzsteigerungen insgesamt geht. Dafür bietet die digital gesteuerte Smart Factory jedem die Möglichkeit, deutlich bequemer und eigenverantwortlicher zu arbeiten.

Für Unternehmenslenker und Arbeitnehmer-Vertreter gilt: Wer die Zukunft des Unternehmens sichern will, kann sich einer Digitalisierung auch im Shop Floor nicht mehr entziehen. (mb)