CEOs über IoT-Plattform Adamos

"Eine Initiative vom Maschinenbau für den Maschinenbau"

25.10.2017 von Jürgen  Hill und Heinrich Vaske
Führende Maschinenbauer in Deutschland bauen ihre eigene IoT-Plattform für ihre Branche. Die Geschäftsführer erläutern im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE ihre Motive und Wünsche.
  • Dürr, DMG MORI, Car Zeiss Industrielle Messtechnik, ASM Assembly Systems und Software AG bauen IoT-Plattform Adamos
  • Entwickler werden in der App Factory Alliance zusammengezogen
  • Ziel ist es, Maschinenbauer aus aller Welt auf die Plattform zu bringen und zusammenzuarbeiten, wann immer es Sinn gibt
Haben gemeinsam eine digitale Plattform für den Maschinenbau aus der Taufe gehoben (v.l.n.r.): Christian Thönes, CEO von der DMG MORI AG; Guenter Lauber, CEO von ASM Assembly Systems; Ralf W. Dieter, CEO der Dürr AG; Jochen Peter, Geschäftsführer Carl Zeiss Industrielle Messtechnik und Karl-Heinz Streibich, CEO der Software AG.
Foto: Adamos

Es gibt im Markt bereits etliche IoT-Plattformen. Warum brauchen wir noch eine?

Karl-Heinz Streibich: Adamos ist nicht einfach nur eine weitere Technologieplattform für IoT. Es ist eine Initiative vom Maschinenbau für den Maschinenbau. Es geht darum, das Thema Digitalisierung gemeinsam zu treiben. Man hat sich unter den führenden Maschinenbauern dazu entschieden, dafür einen IT-Partner auf Augenhöhe zu wählen. Da ist die Wahl auf die Software AG gefallen. Ein Grund dafür ist sicher auch, dass die Software AG nie ein Wettbewerber für den Maschinenbau sein wird.

Die Software AG fungiert als Technologielieferant für verschiedene IoT-Plattformen. Haben Sie mit Adamos die Seiten gewechselt und sind jetzt selbst ein Plattformbetreiber?

Streibich: Nein, wir sind im Kern ein Softwaretechnologie-Unternehmen und damit ein Zulieferer. Wir liefern die Technologie und ergänzen sie durch Produkte anderer Lieferanten. Auf der Infrastrukturseite sind wir offen, wir arbeiten mit beliebigen Cloud-Anbietern zusammen. Die Software AG positioniert sich als Partner der Adamos GmbH und unterstützt somit das Netzwerk aus dem Maschinenbau, damit diese Branche das Thema IoT vorantreiben kann.

Eine Frage an die Adamos-Gesellschafter aus dem Maschinenbau: Was hat Sie dazu bewogen, gemeinsam eine IoT-Plattform zu schaffen? Warum docken Sie nicht einfach an die vielfältig verfügbaren Plattformen an?

Ralf Dieter: Wir bei der Dürr AG haben uns im Vorfeld der Gründung lange und intensiv mit dem Thema Plattformen beschäftigt. Dabei sind wir immer wieder an den Punkt gekommen zu fragen, welche Folgen ein Bekenntnis zu einer Plattform wettbewerbstechnisch für uns haben würde. Bei den existierenden Plattformen sind wir trotz vier Milliarden Euro Jahresumsatz zu klein, um auf Augenhöhe agieren zu können. Wir haben dann unter anderem in Gesprächen mit der DMG MORI AG überlegt, diesen Schritt selbst zu gehen. Mit der Software AG haben wir einen Partner gefunden, der die nötigen technischen Fähigkeiten hat. Das war in unserer Industrie so nicht bekannt und ist erst im Zuge der Adamos-Gespräche richtig klargeworden.

Adamos ist der PaaS-Layer

Werden die Adamos-Gesellschafter jetzt auf Basis der technischen Plattform ihre eigenen Marktplätze aufbauen?

Dieter: Adamos ist sozusagen der PaaS-Layer, auf dem wir aufsetzen. Wir alle haben oder planen unsere eigenen Marktplätze oder Kunden-Frontends. In unserem Konzern sind Tapio für HOMAG-Kunden und Loxeo für Kunden von Dürr und Schenck die entsprechenden Brands. DMG MORI hat mit Celos einen digitalen Marktplatz.

Christian Thönes: Zurzeit verändert sich die industrielle Welt komplett, das Verhältnis zum Kunden steht nach wie vor im Vordergrund. Wir wussten, wir können das Thema nicht alleine entwickeln. Wir können nicht ein paar Hundert Softwareentwickler einstellen und glauben, als Maschinenbauer so arbeiten zu können, wie ein Softwareunternehmen. Deswegen ist die Arbeitsteilung so hilfreich. Wir haben auf der einen Seite die Software AG als Leading Edge im Bereich Software und Plattform, sind aber selbst diejenigen, die Inhalte anbieten. Wir können die richtigen Apps und Contents entwickeln, denn wir kennen die Bedürfnisse unserer Kunden am besten.

Die Idee hinter Adamos: Auf einer von der Software AG bereitgestellten PaaS-Plattform, die auf beliebigen IaaS-Ressourcen aufsetzen kann, wollen die Maschinenbauer Apps und Marktplätze entwickeln und sich nach Bedarf untereinander vernetzen.
Foto: Adamos

Als wir alle uns als Partner gefunden haben, stellten wir fest: Wir alle haben das gleiche Problem. Ähnlich wie früher eine Lufthansa Landerechte und globale Reichweiten realisieren musste, haben wir heute im Maschinenbau die Herausforderung der digitalen Vernetzung zu bewältigen. Das wird für uns entscheidend. Wenn wir 2025, vielleicht auch früher, schauen, was die wettbewerbsdifferenzierenden Faktoren sind, dann wird die Digitalisierung ganz oben auf der Liste stehen. Folglich ist eine Ende-zu-Ende-Strategie oben unsere Inhalte, unten die technische Durchgängigkeit - ein USP der Adamos-Allianz, ganz egal ob "on Premise" oder in der Cloud. Weil wir nicht alleine loslaufen, sondern in globalen Partnerschaften agieren, wird uns das unglaublich schnell machen.

Jochen Peter: Ich möchte ergänzen, was die Carl Zeiss Industrielle Messtechnik bewogen hat, hier einzusteigen. Es steht schon im Namen Adamos drin: Open Solution, die Offenheit also. Wir sitzen hier mit fünf Gründungsgesellschaftern und haben klar artikuliert, wir werden weitere Gesellschafter reinnehmen und am Ende sogar sehr offen sein für fast alle Konstellationen von Partnern, die sich uns anschließen wollen. Das ist kein geschlossenes System, wir sind vom Start weg ganz offen.

Das Konstrukt ist sogar so offen, dass bestimmte Apps von Zeiss oder Dürr oder anderen Partnern auch auf anderen Plattformen werden laufen können. Am Ende geht es uns darum, die Bedürfnisse unserer Kunden zu erfüllen.

Wie ist Adamos finanziert und wie viele Entwickler gehen rein?

Streibich: Die Startinvestitionen werden sich auf ungefähr 60 bis 70 Millionen Euro belaufen. Die Softwareplattform wird ungefähr 35 Millionen kosten, jeder Partner ist mit zirka drei Millionen dabei, das macht bei zehn Gesellschaftern 65 Millionen. Im gesamten Adamos-Verbund, das sind ja die Marktplätze, die App Factory Alliance und die Adamos GmbH, sind etwa 200 bis 300 Mitarbeiter beschäftigt, wobei wir 20 in der GmbH haben und dann nochmal Leute in den einzelnen Marktplätzen.

Partner bringen ihre IT-Spezialisten ein

Sind diese Mitarbeiter neu eingestellt worden oder haben Software AG und Partner sie abgestellt?

Streibich: Die Mitarbeiter in der Adamos GmbH kommen im Wesentlichen von der Software AG, aber auch von anderen Partnern. Es ging uns darum, schnell starten zu können und möglichst keine Lernkurve durchlaufen zu müssen.

Dieter: Die App Factory Alliance rekrutiert sich im Wesentlichen aus Mitarbeitern der bestehenden Softwareunternehmen, die wir als Maschinenbauer ja schon haben. Hinzu kommen weitere interne Ressourcen, da wir uns ja nicht erst seit gestern mit Digitalisierungsthemen beschäftigen. Hier geht es auch darum, dass sich der Maschinenbau gegenseitig befruchtet und voneinander lernt.

Wem gehören die Produkte und Lösungen, die in der Adamos GmbH und der App Factory entwickelt werden? Allen gleichberechtigt?

Dieter: Die Applikationen der App Factory sind domainspezifisch, gehören also den einzelnen Maschinenbauern. Es ist also geklärt, wer die Rechte daran hat. Aber wir haben auch eine gemeinsame Plattform für den Austausch von Technologien und Apps, sodass nicht jeder das Rad immer wieder neu erfinden muss. Die IP-Rechte sind eindeutig geregelt, das gilt für die Adamos GmbH genauso.

Derzeit mangelt es durchaus nicht an PaaS-Umgebungen, die man nutzen kann, um seine eigenen Marktplätze zu bauen. Warum also so viel Geld und Engagement für eine reine Maschinenbau-Plattform?

Günter Lauber: ASM Assembly Systems ist einer der wichtigsten Lieferanten für die Elektronikindustrie. Unsere Kunden verlangen immer mehr Industrie-4.0- oder integrierte Lösungen. Das schaffen wir eigentlich nur, wenn wir diese auf einer eigenen Plattform aufsetzen können, die wirklich auf den Maschinenbau zugeschnitten ist. Diesen Zuschnitt finden Sie bei anderen Plattformen nicht. Es macht absolut Sinn, dass wir eine Plattform haben, die ständig angepasst wird, damit wir unseren Kunden Lösungen entsprechend ihrer Bedürfnisse anbieten können.

Peter: Die Adamos GmbH unterscheidet sich von den anderen Plattformen darin, dass wir selbst sie aktiv weiterentwickeln können. Wir sind die Gründungsmitglieder und wir werden die Zulieferer von Technologie, auch die Software AG, vor uns hertreiben, damit die Plattform State of the Art ist und dabei auf Standards setzt. Da können wir als Zeiss eine ganz andere Rolle einnehmen, als wenn wir nur Konsument eines Angebots wären.

Der PaaS-Layer enthält neben der zugrundeliegenden IoT-Plattform weiter Funktionen wie Realtime-Analytics, API-Management oder Identity and Access Management. Dabei soll er aber immer offen für Drittlösungen bleiben.
Foto: Software AG/Adamos

Thönes: Die Kommunikation mit dem Kunden obliegt ja vollständig dem Maschinenbauer und damit auch seinen Partnern, während die Software AG für das Technologie-Enablement sorgt. Es gibt hier eine saubere Arbeitsteilung: Die Software AG kümmert sich um das Plattformmanagement, Paas und IaaS, während die Maschinenbauer, die ihre Kunden kennen, Produkte und Anwendungen herstellen. Uns geht es um den Kundennutzen, nicht um PaaS und IaaS. Jemand aus unserem Kreis sprach einmal von einer demokratischen Plattform, und das ist sie auch wirklich.

"Wir wollen Hunderte von Maschinenbauer gewinnen"

Die bislang beteiligten Maschinenbauer haben in ihrer jeweiligen geschäftlichen Ausrichtung kaum Überschneidungen, sie sind keine Wettbewerber. Ist das eine Bedingung, um Adamos-Gesellschafter zu sein?

Thönes: Wir werden sicher auch Wettbewerber auf der Plattform finden, in Deutschland und auch international. Das ist ja so gewollt. Wir waren gerade auf der Fachmesse EMO in Hannover, da waren viele meiner Wettbewerber auf dem Stand und fragten, ob sie mitmachen dürften. Die Antwort ist ganz klar ja.

Dieter: Tatsache ist, dass es nicht mehr als zehn Gesellschafter von Adamos geben wird. Darunter werden sicher nicht unsere schärfsten Wettbewerber sein, wir wollen ja in unseren Entscheidungen auch vorankommen. Aber für das nachgelagerte Partnernetzwerk gilt: Wir wollen Hunderte von Maschinenbauer gewinnen. Our competitors are welcome!

Sprechen wir über die Anwendungen, die auf der Plattform und den Marktplätzen der Teilnehmer entstehen sollen. Worauf liegt der Schwerpunkt?

Dieter: Wir haben bereits Predictive-Maintenance-Anwendungen gebaut, die wir jetzt gerade auf diese Plattform bringen. Smart-Products-Anwendungen haben wir seit anderthalb Jahren, die kommen ebenfalls drauf. Wir werden in den nächsten Monaten Wartungsassistenten umsetzen und haben auch schon die ersten Batch-Analytics-Anwendungen, mit denen wir die Anlagen-Performance erhöhen. Jeder von uns hat seinen Fahrplan und es werden schon in den nächsten Wochen und Monaten mindestens 20 verschiedene Applikationen umgesetzt.

Peter: Natürlich werden Apps, die sich stark auf die eigenen Maschinen konzentrieren, zuerst da sein. Aber jeder, der eine DMG-Maschine kauft und Teile darauf fräst, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann auch eine Maschine von uns (Zeiss) einsetzen, um die Qualität abzuprüfen. Jetzt stellen Sie sich mal vor, welche Möglichkeiten entstehen, wenn wir diese beiden Welten zusammenbringen können. Das ist der Anspruch, den wir perspektivisch mit Adamos haben: zusammen Mehrwerte für unsere Kunden zu schaffen.

Interoperabilität ist es, was Industrie 4.0 ausmacht

Wie sieht es mit der Interoperabilität mit anderen IoT-Plattformen aus, etwa von Siemens oder Bosch?

Streibich: Interoperabilität ist ja eigentlich das, was Industrie 4.0 ausmacht: Die Digitalisierung in der Fabrik. Connectivity ist hier ein ganz wichtiger Punkt, insbesondere zwischen den Maschinen unterschiedlicher Hersteller. Wie gelingt es, einen durchgängigen digitalen Produktionsprozess zu realisieren? Dafür haben wir die IoT-Plattform, die sich auf Connectivity zu den Smart Machines konzentriert, um Daten etwa für Predictive Maintenance oder andere Use-Cases zu bekommen.

Im zweiten Schritt geht es dann darum, eine einfach nutzbare, auf offenen Standards basierende Verbindung und Interoperabilität der verschiedenen Lösungen zu bekommen. Dann können die Kunden entscheiden, was für sie der einfachste, beste, offenste Weg ist. Sie wollen nicht mehr in die proprietäre Welt eines Lieferanten eingezwängt sein. Sie wollen auch nicht mehr Eigenentwicklungen betreiben müssen, dafür sind die Innovationsgeschwindigkeiten heute viel zu hoch.

Daten sind bekanntlich das neue Öl: Wollen die Adamos-Gesellschafter gemeinsam mit ausgewählten Partnern auch datenbezogene Geschäfte umsetzen?

Dieter: Eine Wettbewerbskooperation steht natürlich nicht im Fokus. Da gibt es ja auch kartellrechtliche Grenzen, man kann nicht beliebig kooperieren. Tatsächlich verbinden sich unsere Fachleute aber so eng miteinander, dass sie zwangsläufig auch über maschinenbauspezifische Geschäftsideen reden werden, nicht nur über Plattformen und Applikationen. Hier wird sicher eine neue Qualität des Austauschs entstehen, was in den heutigen komplexen Zeiten auch notwendig ist. Je mehr dabei mitmachen, desto besser.

Wie ist die Geschäftsführungs- und Beiratsstruktur in der Adamos?

Streibich: In der Adamos GmbH sind die zehn Gründungsmitglieder, die schon bald vollzählig sein werden. Sie organisieren sich im Beirat. Dann gibt es ein Technologiekomitee, ein Pricing-Komitee, und es gibt die offene App Factory Alliance, wo man sich drüber unterhält, was die Qualitäts- und Zertifizierungsvoraussetzungen dafür sind, dass man Apps verwenden kann, auch auf anderen Marktplätzen. Darüber hinaus hat jeder Teilnehmer seine eigenen Marktplätze, sein Gesicht zum Kunden.

Kern des Joint Ventures ist also die Adamos GmbH, die Plattform, die offen und auf unterschiedlichen IaaS-Plattformen lauffähig ist. Alle Apps werden APIs haben, um einerseits mit Adamos kompatibel zu sein, zum anderen aber auch die gewünschte Interoperabilität zu anderen Teilnehmern, Marktplätzen, Maschinen, was auch immer, zu ermöglichen.

Komplette End-to-End-Lösung

Zum Schluss die zugespitzte Frage: Warum wird Adamos den zweifellos bevorstehenden Shake-out bei IoT-Marktplätzen überstehen?

Thönes: Die Architektur, die wir aufgesetzt haben, ist die Basis für die Entwicklung einer durchgängigen Softwarelösung. Damit hat eine globale Allianz eine offene, herstellerneutrale Plattform geschaffen, abgesichert durch die Software AG, die immer den Anspruch hat, technologisch vorne dran zu sein.

Wir haben alle unsere eigenen Apps, und wir werden die App-Entwicklung beschleunigen, indem wir enger zusammenarbeiten. Wir haben eine Durchgängigkeit von der Plattform bis zum Kunden, eine komplette End-to-End-Lösung, und die Kundenschnittstelle kontrollieren wir selbst. Wir fokussieren uns auf unterschiedlichste Kundengruppen.

Lauber: Wenn Sie sich die installierte Basis anschauen, die da jetzt schon vertreten ist, dann sehen Sie ein enormes Know-how, was in diese Plattform einfließen kann. Das gibt es bei den anderen nicht.