Adobe Digital Publishing Suite

Eine Alternative zur App-Entwicklung

09.08.2015 von Stefan von Gagern
Wer Kosten und Aufwand der eigenen Mobile App scheut, kann sich vielleicht mit inhaltsgetriebenen E-Magazinen für Tablets und Smartphones anfreunden. Werkzeuge wie die Adobe Digital Publishing Suite (DPS) helfen bei der Produktion.

Von einem Unternehmen wird heute die direkte Kommunikation mit der Zielgruppe über Facebook & Co. so selbstverständlich erwartet wie die eigene Website. Wer an der Zielgruppe dranbleiben möchte, kommt auch nicht um eine Mobilpräsenz herum. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten: Die einfachste ist die mobile Website, die beste und aufwändigste eine oder mehrere Apps. Die Entscheidung Website vs. App muss jedes Unternehmen für sich treffen.

Native Apps: verlockend, aber aufwändig

In Sachen Attraktivität gibt es einen klaren Gewinner: 2014 verbrachte die Zielgruppe laut einer aktuellen Erhebung von Flurry Analytics 86 Prozent ihrer mobilen Nutzungszeit in Apps. Und die Tendenz, zunehmend auf Apps statt auf mobile Websites zuzugreifen, steigt weiter. Eine Website für Mobilgeräte zu optimieren ist schon nicht gerade einfach, doch die Entwicklung einer eigenen, nativen App braucht noch viel mehr: Es geht um Multiplattform-Entwicklung - zumindest für iOS und Android -, um Know-How in Sachen Geodaten, Push-Notifikationen, Social Media, Datenverschlüsselung oder Nutzungsdatenanalyse. Oft müssen Apps in bestehende IT-Strukturen eingebunden werden und mit Unternehmensdaten arbeiten.

"Nicht selten braucht man ein Team von sechs Personen, eine Entwicklungszeit von vier Monaten und kommt auf Initialkosten von 250.000 bis 550.000 Dollar", berichtet Klaasjan Tukker, Solutions Account Manager EMEA bei Adobe. Nach der Programmierung kommen noch Kosten für die App-Pflege mit regelmäßigen Updates dazu, um etwa Lösungen für Sicherheitslücken oder Stabilitätsprobleme zeitnah anzubieten - und natürlich wollen die Apps regelmäßig mit aktuellen Inhalten gefüttert werden.

Adobe DPS

Die Inhalte fallen nicht selten ebenfalls teuer aus, schließlich erwarten die Nutzer in Apps Multimedia-Inhalte, Interaktivität und Social-Media Anbindung. Tukker ordnet Apps in zwei Kategorien: In Task-orientierten Anwendungen erledigt der Anwender bestimmte Aufgaben, etwa eine Überweisung in einer Home-Banking App. Die andere Kategorie sind Content-getriebene Apps. Sie liefern alle Arten von aktuellen Inhalten, etwa Flyer, Broschüren, Kataloge oder Sales-Material an die Zielgruppe. Für diese Arten von Apps will Adobes Digital Publishing Suite ("DPS") eine Alternative bieten. Der Vorteil an dem System: Der DPS- Anwender muss sich nicht damit beschäftigen, von Grund auf eine native App zu entwickeln, sondern konzentriert sich auf das, was er kennt und beherrscht - seine Inhalte.

Arbeiten kann der Anwender in gewohnter Umgebung: Zum Beispiel im Layout-Programm InDesign oder in seinem Content-Management-System wie Wordpress oder Drupal. Bestehende Workflows lassen sich somit weiter nutzen. Die Mitarbeiter, die Apps mit Inhalt versorgen, können wie gewohnt produzieren - Tablet-Magazine werden nur zum Beispiel in an Tablets angepasste Layout Dimensionen verpackt. Zudem ist es möglich, den Inhalt mit Hilfe interaktiver Inhalte wie Diashows, Videos, Schaltflächen und Animationen aufzupeppen.

Die Produktion von digitalen Magazinen in Adobe DPS basiert auf InDesign. Das System kümmert sich auch um die Auslieferung in die App Stores und bietet Möglichkeiten für Analyse.
Foto: Stefan von Gagern

Interaktion auf Knopfdruck

Das Füttern von Apps beschränkt sich mit DPS auf die Bedienung ein paar zusätzlicher Dialoge und fällt im Vergleich zur App-Entwicklung ungleich einfacher aus. Der angestammte Grafiker öffnet in InDesign CC einfach in der Digital-Publishing-Arbeitsumgebung, die alle benötigten Paletten für die Produktion einblendet. Niemand muss Programmieren lernen oder sich mit der Multiplattform-Anpassung beschäftigen. Um eine interaktive Diashow zu erzeugen, reicht es, ein paar Bilder zu importieren, die Reihenfolge und den Wechselmodus - automatisch oder per Wischgeste - festzulegen. Auf ähnlich simple Art lassen sich andere Animationen, Videos, interaktive Buttons, 360-Grad Panoramen und vieles mehr gestalten. Während des Layoutens konvertiert der Nutzer die gewünschten Interaktionen mit einem Klick in eine Folio-Datei (das Dateiformat, in dem digitale Magazine auf das Tablet gelangen) und testet sie wahlweise in einem Content Viewer oder direkt auf dem Tablet. Ein sehr anschaulicher Überblick der Möglichkeiten und Produktionsschritte mit DPS liefert die Gratis-App DPS Tips.

Die App DPS Tips liefert einen sehr guten, kostenlosen Crash-Kurs für Digital-Publishing-Einsteiger.
Foto: Stefan von Gagern

Die fertige Ausgabe wird direkt aus InDesign in die Cloud zum Folio Producer Service hochgeladen. Dort lassen sich die digitalen Ausgaben verwalten und an den Distributionsservice, beispielsweise Apples iTunes App Store und die Newsstand-App oder Google Play, übergeben. Über den Distributionsservice beziehen die Kunden dann die Tablet-Magazine als Einzelausgabe oder im Abo. Auch gebrandete Einzel-Apps sind möglich. Unternehmen können mit dem App Builder mobile Anwendungen mit eigenem Branding gestalten, die Inhalte auf Folios darstellen.

Ein großer Vorteil der digitalen Magazine im Vergleich zu Web und Print sind die Analyse-Möglichkeiten. Mit DPS können Content-Produzenten ohne aufwändige Leserbefragungen oder Zielgruppentests exakt messen, welche Artikel und Themen am meisten und wie lange gelesen werden, wohin geklickt wird und wie viel Zeit die Zielgruppe insgesamt mit einer Ausgabe verbringt. Das hilft beim Optimieren der Inhalte für kommende Ausgaben und der Erfolgsmessung, ob sich der Aufwand letztendlich lohnt.

Spannender Journalismus statt Werbepostille

Für eine gelungene Konzeption des eigenen digitalen Magazins holt man sich am besten Inspiration von bereits erfolgreichen Beispielen. Davon gibt es schon reichlich: Adobe selbst hat tausende Beispiele in einer Online-Galerie versammelt. Die Projekte sind in Kategorien wie Publishing, Business, Education und Special Interest unterteilt, für jeden Bereich findet sich ein passendes Beispiel. Auch Mario Vigl, Chefredakteur des Kundenmagazins "1890", das für die Allianz Deutschland produziert wird, ließ sich bei der Konzeption inspirieren: "DPS hat uns von Anfang an gefallen, da es die Möglichkeiten des Tablets ausnutzt, aber das Leseerlebnis eine klassischen Printmagazins kombiniert. Eine native App wäre viel teurer geworden und es gab schon zahlreiche, sehr hochwertige Referenzen wie die Apps aus dem Condé Nast-Verlag wie zum New Yorker, die uns sehr gefielen", erläutert Vigl.

In der DPS Gallery findet man Inspiration fürs eigene digitale Magazin. Viele Projekte werden animierten Trailern, Infos und Bildern vorgestellt.
Foto: Stefan von Gagern

Die App "1890" unterscheidet sich deutlich von dem, was man eigentlich von einem Kundenmagazin erwarten würde. Das fängt schon mit dem Namen "1890" an, in dem noch nicht einmal "Allianz" vorkommt (tatsächlich ist es das Gründungsjahr des Versicherers). Und auch im Magazin sind statt Werbebotschaften journalistisch aufbereitete visuell aufwändig bebilderte Geschichten zu finden, die man eher in "Geo" erwarten würde. Themen gibt es laut Vigl reichlich - viele Lebensbereiche haben schließlich direkt oder indirekt mit Versicherungen zu tun. "Wir machen keine Werbung, sondern Themen die auf einer Metaebene für die Allianz interessant sind", erklärt der Chefredakteur. Im Großteil der Geschichten kommen der Name oder die Experten der Versicherung gar nicht vor, nur wenn es dem Nutzwert für den Leser dient. Und nicht immer bierernst: Zum Beispiel haben die Allianz-Experten in der "Schadenakte Hobbit" ausgerechnet, wie hoch der in den drei "Hobbit"-Filmen angerichtete Gesamtschaden ist. "Wir wollen nach dem klassischen Zeitungsprinzip auf hohem Niveau Wissen und Unterhaltung vermitteln", erklärt Vigl das Konzept.

Das 1890-Kundenmagazin der Allianz setzt Themen sehr originell um.
Foto: Stefan von Gagern

Aufgehübschte PDFs reichen nicht

Beim Beispiel 1890 ergänzt - wie es heute bei vielen Unternehmen der Fall ist - das Tablet-Magazin einen Print- und Webausgabe sowie einen Facebook-Auftritt. Wer hier jedoch gleich denkt, man könnte im typischen "Synergie-Prinzip" die PDFs aus dem Druck einfach in der App zweitverwerten, liegt falsch. "Wenn man DPS machen will, dann richtig. Man kann es nicht nebenbei machen, sonst wird es der Nutzer schnell merken und abstrafen. Wer nur aufgehübschte PDFs serviert, kann auch gleich nur PDFs produzieren", warnt Vigl. 1890 nutzt bewusst alle Vorteile des Tablets gegenüber Print und Web und betreibt dafür auch Aufwand. "Das Multimediale ist der Vorteil gegenüber Print, der feste Rahmen zum Lesen der Unterschied zum Web. Der Leser bringt mehr Zeit für eine Geschichte mit und ist nicht so leicht abgelenkt. Kombiniert mit der Brillanz und der Haptik eines Tablets und der intuitiv wie direkten Steuerung über die Touch-Funktion ergibt das ein neues Leseerlebnis."

Die Geschichten in digitalen Magazinen können tiefer gehen als in den anderen Medien, da im Prinzip unbegrenzt Platz ist. Fotos, die im Print aus Platzgründen aussortiert werden müssen, lassen sich als Bildergalerie anbieten. 1890 produziert pro Ausgabe ein bis zwei Highlights, meist in Form der Titel- und einer weiteren Top-Geschichte, die intensiv mit Videos, Bildern und Interaktivität arbeiten. Die Multimedia-Inhalte wollen die Leser zudem in ein intuitiv bedienbares, modernes Interface verpackt sehen. "Auch bei DPS ist die Zeit der Gags vorbei. Niemand möchte Funktionalität an sich, eine Bildergalerie nur wegen guten Bildern sehen. Wenn man DPS nutzt, um Geschichte noch besser zu erzählen, hat man es richtig verstanden", resümiert der Chefredakteur.

Interaktion kann, richtig und dezent eingesetzt, Inhalte spannender machen: Der Leser kann in der Titelgeschichte "Zukunft" per Tippen eine Zukunftsvision in ein Landschaftsfoto sanft einblenden.
Foto: Stefan von Gagern

Wer es hat, ist begeistert

Die Produktion einer "1890"-Ausgabe, die viermal im Jahr erscheint, sieht in der Praxis wie folgt aus: Die Inhalte kommen aus der Redaktion. Ein Art Director kümmert sich anschließend ums Design. Zwei Leute sind mit der Produktion der Tablet Ausgabe beschäftigt, die in der Regel erst dann startet, sobald das Print-Heft fertig ist. Die Produktion einer Ausgabe dauert zirka drei Wochen. "Es ist insgesamt ein überschaubarer Aufwand", kommentiert Vigl, warnt aber auch davor, sich zu viel vorzunehmen. "Der Königsweg wäre es natürlich, jede Geschichte für DPS neu zu überdenken. Oft ist das in der Praxis aber zu aufwändig. Es reicht aber häufig schon, wenn ein Autor ein Audio-Making-of hinzufügt, in dem er einfach erzählt, wie er recherchiert hat. Oder ein Fotograf ein paar selbstgedrehte iPhone-Videos vom Fotoshooting für eine Geschichte mit abliefert. Das sind eigentlich oft Abfallprodukte der Produktion, bieten aber als Bonusmaterial einen großen Mehrwert für die Leser."

Der Leser vom 1890 -Magazin findet Bonusmaterial, etwa Autoren, die über ihre Recherche in einer Audiodatei berichten.
Foto: Stefan von Gagern

Das Konzept von 1890 scheint jedenfalls aufzugehen. Die App hat Preise wie den Corporate Publishing Wettbewerb BCP Award 2013 in Gold gewonnen. Die Jury urteilte: "Qualitätsjournalismus meets Lifestyle". Bei iTunes und Google Play liest man durchgehend begeisterte 5-Sterne-Rezensionen, ebenso positiv fällt die Resonanz im Web und auf der Facebook-Seite von 1890 aus. Eine Analyse hat ergeben, dass sich Leser im Schnitt über 30 Minuten mit den Inhalten beschäftigen. Dieser Erfolg und die Erkenntnis, dass es möglich ist mit einem Kundenmagazin aufzufallen, relativiert auch die Downloadzahlen, bei denen noch Luft nach oben ist. Vigl resümiert: "Man ist damit im Moment immer noch Vorreiter. Es ist noch kein Massenphänomen, aber wer die App hat, ist begeistert." (sh)