Serviceorientierung

Ein SOA-Musterprozess für die Logistik

16.07.2009 von Susanne Franke
Studenten der Kühne School of Logistics and Management liefern einen in einer Service-orientierten Architektur (SOA) automatisierten Referenzprozess für Logistikabläufe.
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Die Technische Universität Hamburg-Harburg (TUHH) und die angeschlossene Kühne School of Logistics and Management stehen für Forschung und Lehre mit Schwerpunkt im Logistikbereich. Arbeitsgrundlagen sind dabei auch zukunftsweisende Konzepte wie Service-orientierte Architekturen (SOA) und Business-Process-Management (BPM). So hat sich das Forschungsprojekt "SOA in der maritimen Containerlogistik - Von der Prozessanalyse bis zur Implementierung" zum Ziel gesetzt, einen Referenzprozess auf der Basis von realen betrieblichen Abläufen dieser Branche zu definieren, zu modellieren und in einer SOA-Umgebung umzusetzen. In einer weiteren Entwicklungsstufe sollen diese Umschlagprozesse mit Hilfe der Radio Frequency Identification (RFID) beschleunigt und die Prozesse dementsprechend modifiziert werden. Die technische Grundlage des Projekts bilden die Lösungen aus der Webmethods-Produktfamilie von der Software AG.

Future Logistics

Seinen Ursprung hat das Projekt im Hamburger Arbeitskreis "Future Logistics", einem Zusammenschluss von Hamburger Logistikunternehmen wie Terminalbetreibern und IT-Dienstleistern. Im Rahmen dieses Arbeitskreises, an dem Thomas Will als Vertreter der technischen Universität teilnahm, wurde der Einsatz von RFID in der Container-Logistik untersucht. Dabei mussten die Experten feststellen, dass sie keine gemeinsame Grundlage für ihre Auseinandersetzung mit dem Thema hatten, weil kein einheitliches Prozessverständnis existierte und keine Standardprozesse zu Verfügung standen. Daher fand der Vorschlag der Universität Zustimmung, gemeinsam einen Referenzprozess für die Umschlagabläufe zu definieren, zu modellieren und umzusetzen.

Voraussetzung für den praktischen Nutzen eines solchen Projekts war die möglichst nahe Ausrichtung des Szenarios an den realen betrieblichen Abläufen. Daher musste der Betreuer als technischer Vertreter gemeinsam mit den Logistikexperten eine Datensammlung vornehmen, die Abläufe definieren und dann die Prozesse in einem mehrstufigen Verfahren überarbeiten, bis alle Teilnehmer des Arbeitskreises dem fertigen Musterprozess zugestimmt hatten. Es entstand ein so genannter Metaprozess der eine gesamte multimodale Transportkette, angefangen von einem Depot, über die Versender und diverse Terminals, bis hin zum Empfänger und dessen Depot abbildet. Der Prozess beinhaltet 14 Subprozesse, die alle manuellen sowie informationstechnischen Arbeitsschritte während des Container-Umschlags abbilden. Dieser Ist-Prozess mit all seinen Unterabläufen soll dann die Basis für das zweite Projekt bilden, in dem die Kette mithilfe von RFID optimiert wird.

SOA hinter der Kulisse

Die Wahl einer SOA-Umgebung für das Vorhaben ergab sich aus Gesprächen mit den Terminalbetreibern. "Sie forderten keine SOA, denn der Begriff kam im Gespräch gar nicht vor", erinnert sich Will. Die Terminalbetreiber waren dem Betreuer zufolge zwar vom Einsatz der RFID-Technik in den Umschlagabläufen begeistert, doch nur unter der Bedingung, ihre vorhandenen IT-Systeme und Prozesse dafür nicht ändern zu müssen. "Daraufhin haben wir uns überlegt, welches Design diese Anforderung am ehesten abbildet und sind sehr schnell auf eine Service-orientierte Architektur gekommen", so Will. Sie ermöglicht ein Design, bei dem Legacy-Techniken, die nicht mehr geändert und dennoch weiter benutzt werden sollen, mit neuen Techniken zu verbinden und in die Prozesse mit einzubeziehen.

Aus Fehlern gelernt

Im ersten Teil des Projekts hat man sich an eine detaillierte Beschreibung aller Umschlagprozesse einschließlich der Darstellung der Prozessschritte in mehreren UML-Aktivitätsdiagrammen (Unified Modelling Language) gemacht. Die einzelnen, granular gewählten Arbeitsschritte mussten in Form von Services auf der Plattform abgebildet werden. Dabei zeigte sich, dass Datenerfassungsprozesse mit manuellen Eingaben oder manuellen Überprüfungen besonders gut für eine Automatisierung geeignet sind. Eine grundlegende Erkenntnis aus der Arbeit mit einer Service-orientierten Architektur bestand auch darin, Services möglichst klein granular zu halten, um sie in einem anderen Prozessschritt wieder verwenden zu können. "Die Studenten hatten mehrere Schritte eines Ablaufs zuerst zu einem einzigen Service zusammengefasst und dann festgestellt, dass Teile davon wieder zu verwenden gewesen wären", berichtet Will. Das Erreichen einer adäquaten Modularität und Granularität führte schließlich dazu, dass am Ende der ersten Phase die Umsetzung eines Subprozesses nur noch vier Stunden statt mehreren Tagen dauerte.

Lob für Webmethods

Die Webmethods-Umgebung erwies sich für die Aufgabe als gut geeignet, denn nach einer gewissen Einarbeitungszeit "ist es relativ einfach, damit Prozesse zu modellieren und zu implementieren", so der Betreuer. Der Grund: Der Anwender kann bis hin zur Detailprogrammierung alles per Drag-and-drop erstellen und muss keine Programmiersprache beherrschen. Mit dem Modul Designer lässt sich der Prozess modellieren, das heißt, die Prozessschritte miteinander verknüpfen und die Bedingungen per Drag-and-Drop einfügen. Mit dem Modul Developer kann sich der Entwickler die einzelnen Prozessschritte ansehen und Services implementieren, die hier von der Software bereits vorgeneriert wurden.

RFID im zweiten Schritt

In den nächsten Monaten wird das aktuelle Szenario um die RFID-Transponder an maritimen Containern erweitert. Mit dieser Implementierung will man darstellen, wie die Einführung von RFID in den Prozess eingreift. Will nennt als Beispiel einen Unterprozess: Wird heute zum Beispiel die elf Zeichen lange Container-Nummer zur Identifikation des Containers noch manuell überprüft und in die IT-Systeme eingegeben, so könnte in Zukunft diese Information auf einem RFID-Transponder gespeichert und automatisch ausgelesen werden. Der Prozessschritt der manuellen Identifikation entfällt, und der Container kann in diesem Fall ohne Unterbrechung umgeladen werden. Eine solche Modifikation lasse sich im Rahmen einer SOA relativ leicht abbilden, so der Fachmann. Die SOA wird als eine Art Software-Layer über das Altsystem gelegt, bildet die notwenigen Modifikationen der Prozesse ab und versorgt das darunter liegende System unverändert mit den bisherigen Daten. So kann zum Beispiel die bisher notwendige doppelte manuelle Überprüfung einer Container-Nummer auf eine einfache, automatisierte Überprüfung reduziert werden, dem Altsystem wird aber weiterhin die doppelte Überprüfung suggeriert.

Will betrachtet den automatisierten Ergebnisprozess als eine Art Demonstrator für die Logistikunternehmen, um zu zeigen, wie Automatisierung möglich ist. "Natürlich werden die Unternehmen den umgesetzten Referenzprozess so nicht übernehmen, sondern an eigene Abläufe anpassen", erklärt der Uni-Vertreter. Auch aus diesem Grund war es sinnvoll, sich für eine SOA zu entscheiden. Damit besteht die Möglichkeit, den implementierten Referenzprozess ohne größeren Aufwand an die Bedürfnisse der Logistiker zu adaptieren. (ue)