E-Learning-Trends: Der Markt erholt sich

28.02.2005 von Dr. Wolfgang
Das Erstellen von einfachen, schnellen und preiswerten Lösungen wird das E-Learning-Geschäft in den nächsten Jahren bestimmen. Die COMPUTERWOCHE stellt die wichtigsten Entwicklungen vor.

Hier lesen Sie ...

  • - welches die wichtigsten E-Learning-Trends der nächsten Jahre sein werden;

  • - warum Bildungs-Controlling die Weiterbildungsdiskussion auch in den nächsten Jahren bestimmt;

  • - warum sich Online-Training auch an Universitäten und Hochschulen durchsetzen wird.

Unternehmenn haben in den vergangenen zwei Jahren die Weiterbildungsbudgets eher zurückhaltend eingesetzt und sich auf die interne Restrukturierung konzentriert. Seit einigen Monaten ist nun in den Betrieben wieder eine erhöhte Nachfrage nach training und Lerntechnologien spürbar. Dabei sind folgende Entwicklungen zu beobachten, die das Geschäft mit Learning Management in den nächsten Jahren bestimmen werden.

Trend 1: Rapid Learning gewinnt weiter Marktanteile

Das Organisationskomitee der Olympischen Spiele in Athen schulte damit seine freiwilligen Helfer, Schwarz-Pharma informiert Mediziner und Vertrieb über Wirkungsweise und Anwendung von Arzneimitteln, und mehrere Hochschulen haben Vorlesungen aufgezeichnet und ins Netz gestellt: Rapid E-Learning gilt spätestens seit Mitte 2004 als Trend. Mittlerweile setzen auch mittelständische Unternehmen auf diese Technik, die eine einfache, preiswerte und schnelle Produktion von Inhalten ermöglicht.

Dabei stehen nicht immer Lernanwendungen im Vordergrund: Der Hersteller von Lüftungs- und Klimatechnik Trox beispielsweise nutzt Rapid Learning für das Produkt-Marketing, und der Quintessenz-Verlag zeichnet internationale Kongresse auf. In den nächsten zwei bis drei Jahren werden rund 40 Prozent aller Lerninhalte mit diesen Lösungen erstellt werden.

Trend 2: Insourcing der Lerninhalteproduktion

Als der Touristikkonzern TUI seine E-Learning-Aktivitäten startete, wurde die Produktion aufwändiger Web-based Trainings noch durch externe Dienstleister umgesetzt. Mittlerweile produziert das Unternehmen die Lerninhalte weitgehend in Eigenregie. Daimler-Chrysler und BMW arbeiten zwar weiterhin mit externen Inhalteproduzenten zusammen, jedoch auf Basis langfristiger Kooperationsbeziehungen und definierter Produktionsprozesse. Unternehmen werden diesem Beispiel folgen und versuchen, die Content-Produktion selbst zu steuern. Betriebe werden aufwändige Lernmaterialien vor allem im Rahmen langfristiger Partnerschaften umsetzen und im Mix des Lerninhalte-Portfolios einen Anteil von rund 20 Prozent behalten. Gleichzeitig setzen die Unternehmen auf Technologien, die es ihnen erleichtern, Lerninhalte vollständig inhouse zu produzieren: Rapid-Learning-Tools ebenso wie Autorensysteme.

Trend 3: Zentralisierung und Standardisierung

Bayer ist ein Beispiel dafür, dass mit der Gründung einer Tochtergesellschaft Trainingsprogramme sich nicht nur im eigenen Konzern, sondern auch auf dem freien Markt vertreiben lassen. TUI, VW und Eon haben vergleichbare Strategien. Diese Konzerne haben die Bildungsaktivitäten vieler Abteilungen als Shared-Service-Center oder in Tochtergesellschaften zentralisiert. Inhaltlich arbeiten diese Servicegesellschaften weiter mit den Fachabteilungen zusammen, doch Organisation, Prozesse und Technologien werden vereinheitlicht. Die Servicegesellschaften stehen im Wettbewerb, sowohl bei ihren internen Kunden im Unternehmen als auch (teilweise) bei der Kundenakquise auf dem freien Markt.

Trend 4: Bildungs-Controlling bleibt ein wichtiges Thema

Eine Studie von Imc zeigt, dass der Bedarf nach einer Einführung von Bildungs-Controlling zwar hoch ist, viele Unternehmen aber entweder noch keine Ziele definiert haben oder vor dem Aufwand zurückschrecken. Meist werden deshalb nur die Kosten erfasst und die Lernzufriedenheit überprüft. Damit ist noch nichts darüber gesagt, was das Lernen dem Unternehmen bringt. Eine systematische Roi-Berechnung oder die Anwendung von Balanced Scorecards bilden die Ausnahme. Ohne Reporting, also den Nachweis der Leistungsfähigkeit, der Prozesssteuerung und der Dienstleistungsqualität, wird es künftig schwer, die Geschäftsführung von einem Investment in Weiterbildung zu überzeugen.

Learning-Management-Systeme (LMS) können dabei helfen, Daten zum Lernverhalten automatisch zu erfassen und die Bildungsverantwortlichen von der konzeptionellen und praktischen Arbeit zu entlasten. Die Systeme bieten auch die Chance, über Kompetenzlandkarten und Skill-Gap-Analysen sowohl individuelle als auch organisatorische Entwicklungsbedarfe zu erkennen, zu beheben und so ein unternehmensweites Human-Capital- Management zu realisieren.

Trend 5: Professionelles E-Learning an Hochschulen

Viele E-Learning-Projekte an Universitäten waren nach Auslaufen ihrer Förderung zum Sterben verurteilt. Die TU Darmstadt und die TU München dagegen erreichen Nachhaltigkeit, indem sie auf Standardtechnologien setzen und sich auf die organisatorische Umsetzung konzentrieren. Beide Universitäten haben eine Vision formuliert, eine E-Learning-Strategie entwickelt und Abteilungen geschaffen, mit denen sich diese Vorhaben umsetzen lassen. In zwei bis drei Jahren wird die Mehrzahl der Hochschulen über vergleichbare E-Learning-Strategien und -Plattformen verfügen.

Trend 6: Schulen entdecken E-Learning

Wie die Pisa-Studien ergeben haben, ist die Qualifikation der Lehrer ein wesentlicher Schritt zur Qualitätsverbesserung der schulischen Ausbildung. Das Landesinstitut für Schule in Nordrhein-Westfalen ist eine der ersten Institutionen im Bereich der allgemein- und berufsbildenden Schulen, die dieser Erkenntnis folgen und E-Learning einführen. Zeitgleich laufen an einigen Schulen Projekte, bei denen der Einsatz von Rapid Learning im Schulunterricht evaluiert wird. E-Learning wird sicher nicht zum wichtigsten didaktischen Mittel des Schulunterrichts werden, aber in der Verwaltung wird in zehn Jahren selbstverständlich sein.

Trend 7: Learning on Demand mit ASP-Lösungen

Der Allianz-Konzern hat eine weltweite Learning-Management-Strategie und entschied sich für die Miete des Learning Management Systems Clix im Rahmen einer ASP-Dienstleistung. Die Vorteile dieser Entscheidung sind größere Freiheitsgrade bei der Umsetzung von E-Learning, bessere Skalierbarkeit des organisatorischen Rahmens und Aufbau eines On-Demand-Lernangebotes. Im Hinblick auf die verschärften IT-Sicherheitsrichtlinien in Unternehmen ist es außerdem mit dem ASP-Modell einfacher, etwa Außendienstmitarbeitern Zugriff auf die Lernangebote zu ermöglichen. ASP-Services eignen sich vor allem für den Mittelstand: Ohne Festlegung auf eine bestimmte Technologie und den für sie organisatorisch kaum zu bewältigenden Betrieb einer Lernplattform können sie dennoch die Vorteile nach Bedarf nutzen und günstig Lernangebote und Kursräume für verschiedene Szenarien buchen.

Trend 8: IT-Dienstleister werden Learning-Services-Provider

Dataport ist der Dienstleister der öffentlichen Verwaltung in Hamburg und Schleswig-Holstein für moderne Informations- und Kommunikationstechnik. Doch wie viele IT-Dienstleister haben auch die Norddeutschen ihr Geschäftsfeld erweitert und operieren nun auch als Learning-Service- Provider. Das Angebotsspektrum geht weit über die bloße Bereitstellung und technische Pflege der Lernplattform hinaus. Dataport ist nicht das einzige Unternehmen dieser Art: Die Multimedia-Hochschul-Gesellschaft (MHSG) in Berlin bietet IT- und Learning-Services zentral für alle Berliner Hochschulen an, und auch bei Fresenius wird die ursprünglich reine IT-Tochter Netcare als Dienstleister für Learning-Services eingesetzt.

Trend 9: Integrationsarchitekturen vernetzen E-Learning

Für die Eon-Academy, die Corporate University des Eon-Konzerns, wurden zahlreiche Schnittstellen zu Inhaltelieferanten und SAP-Systemen realisiert. Nicht besonders erwähnenswert - stünde dahinter nicht eine neue Integrationstechnik, die eine schnellere, wartungsfreiere und kostengünstigere Anbindung von Learning-Management an andere IT-Systeme erlaubt. Basis sind Konnektoren auf XML-Grundlagen und Web-Services.

Schnittstellen zu externen Systemen können vorkonfiguriert geliefert, schnell realisiert und einfach modifiziert werden, ohne dass ein Eingriff in die Programmierung eines der beteiligten Systeme nötig ist. Der Aufwand für eine Integration reduziert sich auf maximal zehn Prozent des früheren Aufwands. Dies funktioniert für IT-Architekturen auf Basis von IBM Websphere ebenso für SAP Netweaver. Von der Integration in SAP-Portale mit iViews über die Anbindung an beliebige ERP-Systeme bis hin zur Abbildung von Content-Brokerage-Geschäftsmodellen, lässt sich Learning-Management einfacher in die internen und externen Geschäftsprozesse einbinden.

Trend 10: Lernen ist keine Option, sondern Verpflichtung

An der Diskussion um das Bildungs-Controlling und die neuen Organisationsmodelle für das Management von Learning-Services im Unternehmen lässt sich erkennen, welchen Stellenwert Aus- und Weiterbildung in den Unternehmen haben. E-Learning hat an dieser Entwicklung einen erheblichen Anteil. Auch wenn die Aussage unpopulär ist: Der Druck zum Lernen und damit verbunden der Dirigismus werden zunehmen. Trotzdem wird großer Wert auf Selbstlernkompetenz gelegt. Lernen wird immer enger an Unternehmensziele gekoppelt und somit auch in den Zielen von Managern verankert sein. (hk)

*Dr. Wolfgang Kraemer ist Vorstandssprecher von Imc in Saarbrücken.