Durchhalten um jeden Preis

20.09.1985

Früher machten die IBM-Marketiers ihren Kollegen bei der Konkurrenz vor, wie Kundenbeziehungen funktionieren, damit die Anwender auf dem Pfad der Migrationstugend bleiben. Jetzt zeichnet sich eine Trendwende ab: Die Kleinen beginnen Big Blue zu zeigen, wie's gemacht wird.

Sehr aufschlußreich ist das Beispiel "Ate Bremsen", bei dem eine Amdahl-Installation auf der Kippe stand (Seite l: "Bei Amdahl-Dumpingpreis muß Siemens passen"): Vorbei am DV-Management, das an der Zukunftsperspektive des PCM-Anbieters zweifelte, intervenierte der US-Steckerkompatible bei der amerikanischen Bremsen-Mutter ITT - ein kluger Schachzug, denn der Niedrigpreis allein hätte wohl kaum den Ausschlag gegeben.

Damit soll nicht gesagt werden, daß die deutsche Amdahl nun aus dem Schneider sei. Mit den Durchhalte-Konditionen muß sie leben (wovon eigentlich?). Das ist die eine Seite. Auf der anderen stehen Vorbehalte der DV-Abteilung beim Anwender. Über die Nachwirkungen bei der Ate-Bremsen-Crew können zwar nur Vermutungen angestellt werden, doch hier ticken ein paar Zeitbomben von sehr lästiger Sprengkraft.

Sei' s drum. Der Auftrag ist unter Dach und Fach - und nach ein paar Monaten fragt niemand mehr, wie er zustande kam. Das eben hat Amdahl von IBM gelernt. Der Kunde, dies nicht zu vergessen, kann in der nächsten Zeit mit billigen DV-Ressourcen arbeiten und später immer noch auf Siemens oder IBM umsteigen. So läßt es sich aushalten.

Früher machten die IBM-Öffentlichkeitsarbeiter ihren Kollegen bei der Konkurrenz vor, wie Beziehungen zur Presse funktionieren, damit die Regeln des Versteckspiels erhalten bleiben ("Wir spekulieren nicht über zukünftige Ereignisse"). Jetzt zeichnet sich eine Trendwende ab: Nixdorf beginnt Big Blue zu zeigen, wie's gemacht wird.

Sehr aufschlußreich ist da das Projekt "Schalterautomation bei der Bundespost", bei dem IBM in die OSI-Defensive gedrängt wurde. Die Kungelei der Stuttgarter mit der Schwarz-Schilling-Behörde zeigte, wie man sich dem Problem nicht nähern sollte: OSI-Produkte gibt es eh frühestens in zwei bis drei Jahren. Warum also die Geheimnistuerei?

In der Nixdorf-Pressemitteilung heißt es zum Thema "Open Systems Interconnection" nur lapidar, "der von der Post geforderte Gestaltungsspielraum (sei) insofern vorhanden, daß die Nixdorf-Systeme an unterschiedliche Übertragungsstandards angepaßt werden können".

Die Paderborner haben eben von IBM gelernt. Die Frage ist: Muß Nixdorf mit Querschüssen rechnen? Peter Paterna kann im Parlament Fragen stellen. Auf eine Unsicherheit in der Post-Argumentation wird er lange warten müssen.