Die Zukunft des Datensammelns

Drohnen im Unternehmenseinsatz

11.08.2015 von Tam Harbert und Dietmar Müller
Unternehmen setzen immer häufiger Unmanned Aerial Vehicles (UAVs) ein, um neue und bessere Daten zu erhalten. Aber der Markt für solche Drohnen formiert sich erst. Außerdem gilt es viele Implikationen zu bedenken: rechtlicher wie technischer Art.

Gerüchteweise wird unsere Welt bald voller Drohnen sein, die Brücken untersuchen, Pipelines inspizieren, unzugänglicher Gebiete für die Wissenschaft erforschen sowie Wasser-, Sturm- und Brandschäden begutachten. Bevor sich Unternehmen aber auf das fliegende Abenteuer einlassen, gilt es einige Dinge zu erledigen. Noch ist der Einsatz von kommerziellen Drohnen nicht abschließend geklärt.

In den USA ist die Gesetzeslage noch weitgehend offen. Für Deutschland haben die Kölner Rechtsanwälte Wilde, Beuger und Solmecke die vielfältigen rechtlichen Aspekte eingehend beleuchtet. Hierzulande steht zum Beispiel das Persönlichkeitsrecht von durch Drohnen beobachteten Personen sehr im Mittelpunkt, aber auch triviale Angelegenheiten wie die Haftpflicht sind längst geregelt. Unabhängig von der rechtlichen Lage müssen Unternehmen ein Modell finden, um Drohnen gewinnbringend anzuwenden.

Aktuell wird der Markt für die sogenannten Unmanned Aerial Vehicles (UAVs) von militärischen Projekten dominiert. Nach einem Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) soll er weltweit von aktuell 4,9 Milliarden Dollar bis 2019 auf 11,5 Milliarden Dollar oder sogar 16 Milliarden Dollar jährlich anwachsen. Der Markt für nichtmilitärische Drohnen wird von aktuell ungefähr 652 Millionen Dollar auf 8,4 Milliarden Dollar ansteigen, so ABI Research. Deren Practice Director Dan Kara geht sogar davon aus, dass der zivile Drohnenabsatz viel stärker wachsen wird als der militärische.

Wenn der Markt den Prognosen von ABI folgt, sollten sich Firmen schnellstmöglich auf den Einsatz von Drohnen vorbereiten - und auf die vielen Daten, die diese sammeln. Der Einsatz hängt natürlich von künftigen rechtlichen Regulierungen und dem Aussehen von Drohnen in wenigen Jahren ab. Unabhängig davon kann sich die IT gar nicht früh genug auf den Umgang mit den so gewonnenen Big Data-Bergen vorbereiten.

Von Hobby-Drohnen zu Profigeräten

Hexo+ Kameradrohne
Die 1150 Dollar teure Drohne von Hexo+ dreht in Verbindung mit einer GoPro-Kamera spektakuläre Videos.
Airdog Drohne
Ähnlich wie Hexo+ ermöglicht auch die Airdog Drohne spektakuläre Selfie-Videos ihres Besitzers.
Airdog Drohne
Die Besonderheit des mit 1,3 Millionen Dollar geförderten Kickstarter-Projekts ist, dass der faltbare Quadcopter seinen Besitzer (bzw. dem Receiver) automatisch folgt. Ein Smartphone wird nur benötigt, um per App etwa die Distanz zum Objekt zu verändern.
Zano Nano-Drohne
Die nur handgroße Drohne nutzt WLAN für die Steuerung über ein iOS- oder Android-Gerät.
Parrot Bebop mit Skycontroller
Die Bebop-Drohne von Parrot ist 400 Gramm schwer, verfügt über GPS und lässt über den Skycontroller eine Steuerungsreichweite von bis zu 2 km zu.
DJI Inspire 1
Die Drohne des chinesischen Herstellers wird über einen Remote-Controller, der ein Smartphone oder Tablet aufnimmt, gesteuert.
Pleiades Spiri
Das kanadische Unternehmen Pleiades hat mit Spiri eine Drohne entwickelt, die programmierbar ist.
Asctec Firefly
Das deutsche Unternehmen Asctec Technologies hat zusammen mit Intel die Drohne Firefly entwickelt. Die Besonderheit der Drohne ist die Fähigkeit, Hindernisse zu erkennen und selbständig auszuweichen.
Nixie – Selfiedrohne
Bei der Drohne Nixie handelt es sich um den Sieger eines von Intel ausgerufenen Wettbewerbs Make It Wearable.

Der Markt für Drohnen zieht Mitspieler aller Art an: Billiganbieter, die bislang Fluggeräte für wenige Hundert Dollar vertrieben haben, orientieren sich nach oben, berichtet Kara. So produziert DJI beispielsweise bereits Drohnen für Kameraleute und Filmemacher, die Spielzeugmanufaktur Horizon Hobby gründete die Tochter Horizon Precision Systems, die sich ausschließlich an Nutzer aus der Wirtschaft wendet.

Von der anderen Seite her nähern sich Verteidigungsexperten dem Markt. So übernahm Lockheed Martin den Drohnenspezialisten Procerus Technologies. Zusätzlich versuchen sich noch ganz andere neue Mitspieler ihren Platz zu sichern, darunter Google, das sich Titan einverleibt hat und eigene Drohnen testet, oder Amazon Prime Air, das den Einsatz von UAVs zur Paketzustellung prüft.

Das sind viele Akteure in einem Markt, dessen Regulierung nach wie vor weitgehend offen ist. In den USA hat die Federal Aviation Administration (FAA) bereits vor geraumer Zeit den Einsatz von Drohnen für Spiel und Spaß frei gegeben, ganz ähnlich wie dies in Deutschland der Fall ist. Erst im Februar hat die Behörde aber einen Entwurf für den kommerziellen Einsatz vorgelegt - mit durchwachsenen Reaktionen.

Amazon jedenfalls darf bereits seit März 2015 seine Paketdrohnen testen - zumindest über ländlichem Gebiet im Bundesstaat Washington, so die FAA. Insgesamt halten die am Einsatz interessierten Firmen die gesetzlichen Vorgaben aber für zu restriktiv. UAVs dürfen in den Staaten beispielsweise nicht höher als 500 Fuß (152,4 Meter) steigen, und das auch nur am Tag und im Sichtfeld des Steuernden. Für die Paketzustellung reicht das natürlich nicht. Insofern erwarten einige Marktbeobachter bis 2017 Korrekturen der FAA. Dann soll ein endgültiges Gesetz zum Drohneneinsatz vorliegen.

Rechtlicher Rahmen ist weit gesteckt

Auch in Deutschland werden bereits UAVs für kommerzielle Zwecke getestet: Seit Ende September vergangenen Jahres transportiert der "DHL Paketkopter 2.0" Medikamente aus der niedersächsischen Hafenstadt Norden zu einer Apotheke auf der Nordseeinsel Juist. Aber auch hier ist - wie oben angerissen - der rechtliche Rahmen noch weit gesteckt, von Bundesland zu Bundesland jedoch jeweils ein anderer. Es gibt sehr viele Sonderregeln, in Berlin etwa darf man innerhalb des S-Bahn-Ringes nicht ohne Erlaubnis fliegen. Und in Hamburg ist generell Flugverbotszone.

DHL Paketkopter 2.0
DHL lässt Pakete per Drohne zustellen.
DHL Paketkopter 2.0
Zu den technischen Neuheiten des DHL Paketkopters zählen laut DHL eine verlängerte Flugfähigkeit sowie eine erhöhte Reichweite: Bis zur Insel Juist legt er rund 12 km einfach zurück.
DHL Paketkopter 2.0
Der Frachtbehälter

Unabhängig von den rechtlichen Unwägbarkeiten gehen bei der FAA immer mehr Anträge auf Zulassung von kommerziellen Drohneneinsätzen ein, bis Ende März waren es dieses Jahr bereits 50. Kara geht davon aus, dass dies ein ziemlich alltägliches Geschäft werden wird, wobei Luftbildaufnahmen für die Werbung (laut dem Chef von Drone Analyst Colin Snow aktuell das wichtigste Einsatzgebiet), für Spielfilme und die Landwirtschaft sowie die Begutachtung von Versicherungsfällen und Großanlagen wohl den Gutteil der Projekte ausmachen werden. Aktuell versucht die FAA der Erledigung der vielen Anträge schneller Herr zu werden.

Und das nicht zuletzt, weil es immer mehr ungenehmigte Drohneneinsätze gibt, so Snow. Er schätzt, dass in den USA 2000 bis 3000 illegale Drohnenprojekte durchgeführt werden, mit einem Marktvolumen von 200 bis 350 Millionen Dollar.

Geschäftsmodelle entwickeln sich erst

Die Geschäftsmodelle rund um den Einsatz von UAVs im Unternehmen stecken in der Regel noch in den Kinderschuhen. "Ich sehe noch kein Projekt mit Modellcharakter für Firmen", so Andrew Maximow, der 15 Jahre lang für Cisco gearbeitet hat, bevor er Director of Client Services beim Drohnenhersteller 3D Robotics (3DR) wurde. Die Firma hat beispielsweise BNSF Railway als Kunden. Das Bahnunternehmen hat beim FAA die Zulassung von Drohnen für das Abfliegen und Kontrollieren von Gleisanlagen gestellt. Zum Einsatz kommen soll dabei u.a. das Spektre Industrial Multirotor Aerial Vehicle von 3DR, von dem es bislang nur einen Prototypen gibt.

Laut Maximow setzt 3DR bei der Entwicklung auf quelloffene Software: "Wir wollen das Android im Drohnenmarkt werden." Durch Hardware-Add-ons und verschiedene Software-Applikationen soll der Spektre ganz nach den Wünschen der Anwender modifiziert werden können.

Die Landwirtschaft stellt bereits heute eines der größten Einsatzgebiete für UAVs dar, so Kara von ABI. Der Grund dafür ist einfach: Viele landwirtschaftliche Flächen befinden sich in Privateigentum und unterliegen damit nicht den Vorgaben der FAA. Daher hat sich auch der kanadische UAV-Spezialist PrecisionHawk mit dem US-Unternehmen Agri-Trend zusammengetan. Gemeinsam wollen sie Landwirte mit mehr und besseren Daten über ihre Anbauflächen beliefern. Laut Warren Bills, Vice President of Geo Solutions bei Agri-Trend, will man den Farmern Nordamerikas ab 2016 entsprechende Dienste anbieten.

Wem gehören die Daten?

Überhaupt dürfte sich das "Drone as a Service"-Modell weitgehend durchsetzen, denn dabei liegt die rechtliche Verantwortung für die Drohne und ihre Aktivitäten beim Anbieter und nicht beim einsetzenden Unternehmen, so Kara. Auch die so gewonnenen Daten liegen dann in der Obhut des Service-Anbieters und nicht auf dem Server der Firma - gerade in Deutschland wären damit datenschutzrechtliche Aspekte verbunden, ganz wie von der Anwaltskanzlei Wilde, Beuger und Solmecke angeführt.

"Jede Organisation, die durch Drohnen gewonnene Daten einsetzen will, muss ihre IT darauf vorbereiten", so Kara. Nicht nur die Speicherung der Daten müsse erledigt werden, auch die Auswertung dürfte ein Fall für sich sein. "Ich vermute, dass viele Firmen dies auslagern werden, es sind doch sehr spezielle Daten", so Kara weiter.

PrecisionHawk offeriert beispielsweise eine Cloud-Plattform für Speicherung und Analyse von Daten, die seine Drohnen liefern. Gerne schickt man die Daten aber auch direkt an die IT des Auftraggebers. "Allerdings können die schiere Größe der Daten - zumeist im GIF-Format - und das Vorhalten passender Analysetools das Vorhaben zu einem logistischen Albtraum machen", so PrecisionHawk-Mitbegründer Dr. Ernest Earon. Aus diesem Grund würden die meisten Kunden seiner Firma die Auswertung überlassen.

Auch wenn Drohnen gerade der neueste Schrei sind, letztlich handelt es sich dennoch nur um einen neuen Weg, Daten zu sammeln und damit bessere Entscheidungen zu treffen. Laut Bills von Agri-Trend sind gerade sehr viele Firmen sehr begeistert von der neuen Mode und den coolen Bildern, die so entstehen. Was er aber benötige, seien verwertbare Informationen. "Das Letzte, was ich brauche, sind dagegen weitere Landschaftsportraits. Wir wollen ein System für datengestützte Entscheidungsfindung, auf das sich Landwirte verlassen können."

Experten geben Starthilfe

Wenn Ihre Firma den Einsatz von Drohnen für das Sammeln von Daten anvisiert, sollten Sie sich schon heute darüber Gedanken machen, wie sie die Drohnen gesetzeskonform nutzen können - auch wenn diese Gesetze heute noch nicht verabschiedet sind. Hier einige Vorschläge von Analysten und Anbietern:

Dan Kara, ABI Research: "Machen Sie sich mit den verschiedenen Arten von Informationen vertraut, die UAVs sammeln können. Da geht es um mehr als Landschaften und Landkarten. Drohnen können mit den verschiedensten Sensoren bestückt werden und dann die unterschiedlichste Dinge messen und aufzeichnen, darunter Luft- und Bodenfeuchte, die Menge an Bäumen auf einen Hektar oder die Höhe des Schadens nach einem Sturm. Manchmal sind Langzeitbeobachtungen gefragt, etwa wenn Bauern einen Sommer lang den Weizen auf ihren Felder wachsen sehen wollen. Das sind alles ganz unterschiedliche Arten von Daten. Beim Auswerten von Luftbilden geht es eben nicht nur um das Zählen von Einheiten. Das ist eine ganz andere Art von Big Data als wir das bislang gewohnt sind."

Dr. Ernest Earon, PrecisionHawk: "Sie sollten sich Ihre Fragestellung für den Drohneneinsatz genau überlegen, genauso wie die für die Beantwortung notwendige Art von Daten und Datenanalyse. Umgekehrt bestimmen die möglichen Daten die Fragestellung. Für ein Elektrizitätswerk sind beispielsweise Luftaufnahmen nach einem Sturm weniger wert als die GPS-Daten von umgelegten Strommasten. Abhängig von der Art der gesammelten Daten sind auch die von der IT geforderten Fähigkeiten - möglicherweise müssen Sie jemanden einstellen, der Erfahrung mit Geodaten hat. Und bedenken Sie: GPS ist nur eine Form davon.

Zunächst mögen es nur kleine Unterschiede sein, bei längerem Einsatz spielen aber auch Feinheiten der Datenverarbeitung eine Rolle. Nicht zuletzt wenn es um Datenübertragung und -speicherung geht. Ein UAV von PrecicionHawk sammelt beispielsweise 1,5 GB Daten pro Minute - bei einer Auflösung von einem Zentimeter pro Pixel. Bei Aufnahmen von Satelliten aber arbeitet man mit einer Auflösung von einem Meter per Pixel. Das macht einen großen Unterschied.