Dokumentenmanagement - ein schwer überschaubares Feld

10.10.2005
Sich einen halbwegs verlässlichen Marktüberblick über den Bereich Enterprise Content Management (ECM) zu verschaffen, ist nicht ganz einfach. Die Spanne der Anwendungen, die unter diesen Begriff fällt, ist ziemlich groß.

Laut aktueller Gartner-Studie wuchs der Markt für Enterprise Content Management (ECM) gemessen an Lizenzen weltweit im Jahr 2004 um 8,4 Prozent. Das ist ein etwas geringeres Wachstum als im Jahr 2003, wo der ECM-Markt noch 10 Prozent zulegen konnte. Neue technologische Funktionalitäten, verbesserte Produktqualität und Geschwindigkeitszuwächse und Herstellerkonsolidierung prägten laut Gartner den Markt. Integrierte Suites dominieren über Best-of-Breed-Lösungen.

Die Statistiken und Prognosen der Analysten stimmen indes nicht immer überein, weil die Definitionen der Marktforscher, was zu ECM zu rechnen ist, durchaus unterschiedlich ausfallen. Denn das Gebiet des Dokumentenmanagements reicht von Teilfunktionen von CRM- und BI-Systemen über Archivierungslösungen für gescannte Schriftstücke bis hin zu Content-Management-Lösungen (CMS) für das Internet (Web-Content-Management; WCM). Die Palette der Anwendungen reicht von umfassenden Unternehmenslösungen bis hin zu absoluten Nischenapplikationen für spezielle Bereiche.

Als Content-Management-Systeme werden zum einen Produkte bezeichnet, die dem Web-Publishing oder der medialen Aufbereitung von Informationen dienen. Sie gelten als ein Ausschnitt des übergeordneten Enterprise Content Managements (ECM) oder dem noch weiteren Begriff der Document Related Technologies (DRT).

Auf der einen Seite stehen die klassischen Archiv- und Dokumenten-Management-Systeme, auf der anderen die auf Web-Publishing ausgerichteten WCM-Systeme. Aber auch der Output von Warenwirtschaftssystemen, Data-Warehouses, Knowledge-Bases oder CRM-Systemen muss bei einer Betrachtung berücksichtigt werden. Darüber hinaus spielen die früher ausschließlich Hardware-basierten, inzwischen als Information Lifecycle Management (ILM) bezeichneten Archiv- und Storage-Systeme eine wichtige Rolle. Ebenso wie die ursprünglich nur auf Druck-Output spezialisierten Output-Management-Systeme und Collaboration-Produkte.

Im Bereich Enterprise-Content-Management-Systeme war in den letzten Jahren Bewegung zu vermelden. So übernahm im Juni dieses Jahres der kanadische Anbieter Hummingbird die Oldenburger Reddot Solutions AG. Ende 2003 kaufte der Storage-Spezialist EMC die DMS-Größe Documentum. IBM und Open Text haben in den letzten Jahren beide zusammengenommen 12 andere Firmen aufgekauft. Doch ob die Konsolidierung anhält oder weitere Übernahmen die Ausnahme bleiben, ist bei den Experten umstritten.

Ulrich Kampffmeyer

Ullrich Kampffmeyer, Geschäftsführer der Hamburger Unternehmensberatung Project Consult sagt: „Viele Anbieter versuchen, durch Zukäufe ihr Angebot zu komplettieren. Dabei kommen diese von vier Seiten: aus dem klassischen Dokumenten-Management wie etwa Opentext, Hummingbird oder Filenet. Aus dem Web Content Management wie beispielsweise Interwoven, Stellent oder Vignette; aus dem Hardware-Storage-Bereich wie EMC, Hitachi oder Storagetek und aus dem Datenbankbereich wie etwa Oracle oder Verity.“ Druck kommt aber auch von den großen Anbietern von Standardsoftware wie IBM, Microsoft und SAP. Dabei fehle vor allem den großen Anbietern noch ein einheitliches Produkt-Management zur Schaffung übergreifender Lösungen. Die Anwender hingegen, so der eindeutiger Trend, bevorzugen Komplettlösungen.

Nach Gartner liegt in Deutschland das Wachstum im ECM-Segment deutlich über dem weltweiten Markt und könnte den Anbietern durchaus einen Zuwachs von rund 15 Prozent in den kommenden beiden Jahren bescheren. Damit würde der deutsche ECM-Markt ein Gesamtvolumen von rund einer Milliarde Euro erreichen.

Nach den vier großen Anbietern mit zweistelligen Marktanteilen nach Lizenzumsätzen in Deutschland Ixos, (17,7%) IBM (15,9), FileNet (15,3) und EMC Documentum (10,9) befinden sich rund 25 weitere Anbieter auf dem Markt. Auf den weiteren fünf Plätzen finden sich bei Gartner (2003) Open Text (9,7), Interwoven/iManage (4,3), Hummingbird (3,7), Tower Technology (2,2) und Microsoft (1,2). Die neun größten ECM-Anbieter erwirtschafteten in Deutschland einen Gesamtumsatz von knapp 46 Millionen Euro, insgesamt betrug 2003 der Umsatz mit ECM-Software in Deutschland 56,8 Millionen Euro.

Bernhard Zöller, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Zöller & Partner aus Sulzbach/Taunus beobachtet derzeit einen regelrechten „KMU-Boom“. Er meint damit, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) in Dokumenten-Management-Systeme investieren, weil bisherige Kostentreiber wie teure Server und Speicher zur Commodity geworden sind. Welche Hersteller davon profitieren werden, darüber sind sich die Experten jedoch nicht einig. Kleinere Anbieter sind nach Expertenmeinung eher in der Lage, schnell und flexibel auf die Bedürfnisse kleiner und mittelständischer Unternehmen zu reagieren. Zudem könnten KMUs den Implementation, Lizenzkosten und Betrieb der Systeme der großen Anbieter oftmals nicht bezahlen.

Neue Rechtsvorschriften wie Basel II, Sarbanes Oxley Act und die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) treiben den Markt an. Laut Gartner ist dies überhaupt das wichtigste Argument für CIOs. Die GDPdU regelt Anforderungen zur Prüfung elektronischer Unterlagen im Rahmen von Außenprüfungen der Finanzbehörden. Danach muss etwa der Originalzustand des übermittelten und gegebenenfalls verschlüsselten Dokuments jederzeit nachprüfbar sein. Für den Fall elektronischer Rechnungen und anderer Unternehmensdokumente gilt gemäß den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchhaltung (GoB) die Verpflichtung, diese für 10 Jahre revisionssicher zu archivieren.

Kostenreduzierungen und die höhere Effizienz von elektronischen Prozessen gegenüber Papier-basierten sind der zweitwichtigste Grund für die Verantwortlichen in den Unternehmen, sich mit ECM zu befassen. CIOs und IT-Leiter hoffen, die große unstrukturierte Datenflut, die die Unternehmen überschwemmt, durch langfristige und geordnete Speicherung besser in den Griff zu bekommen. Nach seriösen Schätzungen liegen nur rund 20 Prozent aller verfügbaren Unternehmensdaten strukturiert in Datenbanken vor, 80 Prozent sind unstrukturierte Daten wie E-Mails, Text-Dateien oder PDFs und deswegen schwieriger elektronisch zu erfassen und zu verarbeiten.

Kampffmeyer rät allen ordnungsbedürftigen CIOs dazu, nichts zu überstürzen, sondern wie bei anderen großen Softwareprojekten auch, den eigenen Bedarf genau zu analysieren. Nicht die Organisation dürfe letztlich an das entsprechende Produkt angepasst werden, sondern umgekehrt das Produkt dem jeweiligen Unternehmen. Zuerst müssten die Abläufe analysiert werden, danach erst könne man sich für ein geeignetes Produkt entscheiden. Die IT-Abteilung allein ist damit überfordert: „Unternehmen brauchen eine unternehmensweite Content-Strategie, die den Rahmen für individuelle Projekte vorgibt.“

Viele Unternehmen müssen sich auch erst einmal darüber klar werden, welche Content Management Systeme bei Ihnen bereit im Einsatz sind. Laut Gartner sagten 75 Prozent der in der Ende 2004 Befragten, sie besäßen bereits mehr als fünf ECM-Systeme. 10 Prozent davon gaben sogar an, in ihrem Unternehmen seien bereits mehr als zehn Systeme installiert.

Johannes Klostermeier