"Die Zukunft der Software heißt Teilen"

09.03.2006
Suns Softwarechef erläutert den Open-Source-Kurs seines Unternehmens.

Gegen Kritik am Linux- und Open-Source-Kurs seines Unternehmens hat sich John Loiacono, Vice President Software bei Sun, in einem Exklusivinterview mit der COMPUTERWOCHE zur Wehr gesetzt. Vielmehr sei gerade Sun in dieser Hinsicht engagierter als jeder andere große Player der IT-Branche. "95 Prozent unserer Software sind Open Source", so der Softwarechef.

Dass Sun mit der "Common Development and Distribution Licence" (CDDL) eine Lizenzform verwendet, die eine Vermischung von CDDL-Software mit anderer unter der General Public License (GPL) unmöglich macht, lässt Loiacono nicht als Kritik gelten. "Es stimmt nicht, dass unsere CDDL nicht kompatibel mit der GPL sei. Die GPL ist nicht kompatibel mit der CDDL", schlägt er zurück. "Die GPL ist viral: Alles, was mit ihr in Berührung kommt, muss unter der GPL stehen." Der Manager weiter: "Unsere Kunden und Softwarepartner mögen die GPL nicht, weil man GPL-Software nicht in andere Programme integrieren kann."

Immerhin gesteht Loiacono ein: "Für manche Dinge ist die GPL eine gute Lizenz." Nämlich erklärtermaßen für ein Betriebssystem. "Aber es gibt keine Lizenz, die für alles gut wäre." Sun interessiere sich für die Diskussion um die künftige Version 3 der GPL. "Wir beobachten das, und wir schließen nicht aus, künftig Produkte auch unter die GPL 3 zu stellen."

In Sachen Offenheit sei sein Unternehmen anderen weit voraus, was sich auch daran zeige, dass Sun inzwischen rund 1600 Patente für die Nutzung in Open-Source-Projekten freigegeben hat. "IBM hat minderwertige Patente freigegeben, Techniken, deren Patente ohnehin ausliefen", kritisiert Loiacono die Konkurrenz. "Wir aber haben moderne Techniken freigegeben, darunter einige, für die Patente erst beantragt sind."

Eins aber bleibt eine heilige Kuh bei Sun: Java. Loiacono begründet es mit der Sorge um ein Forking, der Aufspaltung der Java-Entwicklung in verschiedene Varianten: "Einer der größten Vorteile von Java ist seine Reinheit. Wenn Microsoft 1997 hätte Java verändern dürfen, was schließlich gerichtlich untersagt wurde, gäbe es heute zwei Java."

Auf der anderen Seite gibt es die Forking-Gefahr nun bei Solaris, seit es Open Source ist, was Loiacono bestätigt. "Ja, aber es gibt einen Unterschied zwischen Solaris und Java: Solaris läuft auf zwei Computerarchitekturen, Sparc und x86. Java jedoch läuft auf jeder Art von Computer, auf Handys und anderen Geräten. Es geht um Millionen Systeme und Java-Anwendungen. Es steht also bei Java mehr auf dem Spiel. Wenn wir Java heute Open Source stellen würden, gäbe es morgen ein Java von IBM und noch eins von Microsoft."

Statt Java quelloffen herauszugeben, habe Sun mit dem Java Community Process (JCP), so Loiacono, "wahrscheinlich den offensten Open-Source-Entwicklungsprozess der Welt" eingerichtet. Die weit verbreitete Kritik, letztlich kontrolliere einzig Sun die Innovationslinien bei Java, lässt er nicht gelten. "Die Entwicklung von Java wird nicht nur von Sun bestimmt. Eine ganze Menge wird außerhalb, von anderen Teilnehmern am JCP definiert."

Sun hat in den letzten Jahren die Beobachter irritiert, weil es seine Positionen gegenüber Linux immer wieder radikal geändert hat (siehe Kasten "Zickzack-Kurs"). So hieß es, Linux-Anwender würden auf rechtlich unsicherem Boden arbeiten. Bei anderer Gelegenheit ist Firmenchef Scott McNealy in Pinguin-Verkleidung aufgetreten, um zu verkünden: "We love Linux!" Auch heute weicht Loiacono einer Positionsbestimmung aus, indem er nur von Open Source redet: "Sun basiert auf Open Source: Unser erstes Betriebssystem war BSD, zu einer Zeit, als noch alles in der IT proprietär war. Als wir das Network File System freigegeben haben, hat man uns für verrückt erklärt."

Derzeit sei Open Source am Übergang in eine neue Phase, die der Konsolidierung. Loiacono: "Eine neue Technik entsteht, wird reif, und es kommt zur Konsolidierung." Schließlich gebe es heute auch nicht mehr 500 Automarken. "In Sachen Open Source hat die Konsoliderung schon 2005 oder eher eingesetzt", meint der Sun-Manager. "Sun hat einige Unternehmen gekauft. Alle großen Player sind auf Einkaufstour. Was wir gesehen haben, war noch längst nicht alles." Auch Sun werde weitere Unternehmen kaufen. "Wir werden unsere Kasse nutzen, um am Markt aggressiv gegen unsere Wettbewerber aufzutreten. Dabei sind Open-Source-Firmen ebenso interessant wie Closed-Source-Unternehmen."

Dass bei einer Übernahme einer Open-Source-Firma durch eine Branchengröße die Community das Interesse an der Weiterentwicklung ihrer Produkte verlieren könnte, glaubt Loiacono nicht. "Open-Source-Entwicklung ist kein Werk von unabhängigen Entwicklern. Da gibt es nur Ausnahmen wie den Linux-Kernel. In Wirklichkeit wird die Entwicklung meistens von Angestellten eines Unternehmens getragen." So werde die Datenbank MySQL ausschließlich von der gleichnamigen Firma entwickelt, während die Community nur bei Testing und Debugging eine Rolle spiele.

Zickzack-Kurs

Sun ist gegenüber Open Source kaum kontaktscheu. Die Firma hat erkannt, dass quelloffene Software vielfach sehr nützlich für die eigenen Umgebungen und vor allem die beste Methode für weitere Verbesserungen der Programme ist. Doch mit Linux tut Sun sich schwer. Das Unternehmen hat mehrfach seine Position gegenüber dem quelloffenen Betriebssystem geändert und dadurch Vertrauen in der Linux-Anhängerschaft eingebüßt. Einige Beispiele:

* Im Jahr 2000 kaufte Sun für zwei Milliarden Dollar das Unternehmen Cobalt Networks, einen Hersteller Linux-basierender Appliances. Doch drei Jahre später wurde diese Produktreihe eingestellt.

* Zu Anfang dieses Jahrzehnts kooperierte Sun eng mit Red Hat und vertrieb dessen Linux-Distribution. Dann begann man mit der Vorbereitung einer eigenen Linux-Distribution, beendete die Kooperation und bezeichnete Red Hat Linux im Jahr 2004 gar als proprietäres Betriebssystem. Schließlich wurde das eigene Linux gestoppt und Suse Linux der Vorzug gegeben. Inzwischen wird Solaris als das bessere Betriebssystem für x86-Umgebungen direkt gegen Linux positioniert.

* Suns Open-Source-Software und seine freigegebenen Patente sind von der Lizenz CDDL begleitet. Sie verlangt, Weiterentwicklungen ebenfalls unter die CDDL zu stellen. Damit ist die Vermischung von CDDL- und GPL-Software ebenso wenig möglich, wie die Nutzung der Sun-Patente in GPL-Projekten. Dies hat zu großem Unmut in der Open-Source-Community geführt.

Es sei auch gar nicht anders zu erwarten. Denn insbesondere IT-Unternehmen würden ihren Mitarbeitern explizit verbieten, in der Arbeitszeit zu externen Projekten beizutragen, so Loiacono. "Es gibt nur sehr wenige Firmen, die Mitarbeitern das erlauben. Und dann sind es bestimmte Mitarbeiter, die an ganz bestimmten Projekten teilnehmen dürfen, um bestimmte Ziele zu erreichen, an denen ihr Unternehmen Interesse hat." Daher werde sich durch Firmenübernahmen am Open-Source-Trend nicht viel ändern.

"Erfolgreich wird, wer einer Commodity einen Mehrwert hinzufügt." Sun's Softwarechef John Loiacono

Bedenklich sei allenfalls, dass sich Branchengrößen Firmen kauften, um deren Open-Source-Produkte im Lowend des Portfolios zu positionieren und Kunden zu vermeintlich höherwertigen proprietären Angeboten zu locken. Loiacono gibt einen Rat: "Ich kann den Anwendern nur empfehlen, sich die Lowend- und die Highend-Produkte sehr genau anzuschauen. Es besteht wirklich die Gefahr, dass sie am Ende gefangen und abhängig von der Produktstrategie eines Herstellers werden - und das, obwohl die Anwender anfangs dachten, mit Open Source auf der sicheren Seite zu sein."

Letztlich aber täten auch solche Gefahren Open Source keinen Abbruch. Denn das dahinter stehende Prinzip liege genau im Trend der Zeit, so Loiacono: "Die Zukunft der Software heißt Teilen. Das Gleiche steht hinter Service-orientierten Architekturen. Intelligente Leute bleiben nicht in ihren eigenen vier Wänden. Erfolgreich wird, wer einer Commodity einen Mehrwert hinzufügt."