Cap Gemini ermittelt

Die Tops und Flops der Anwender

19.02.2010 von Karin Quack
Ungeachtet der Marketing-Botschaften und Analystenprognosen beurteilen Anwender Informationstechnik allein nach dem Nutzen, den sie hier und jetzt stiftet. Deshalb halten sie viel von Virtualisierung, aber eher weniger von Web 2.0.
Foto: Pixelio/Klausi

Derzeit dreht sich in der IT fast alles um Informationsqualität und -nutzung, so hat Capgemini herausgefunden. Unter 33 zur Auswahl stehenden IT-Trends wählten die mehr als 100 befragten Führungskräfte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vier Themen aus dem Informations-Management auf die Plätze 2 bis 5: Master-Data-Management, Business-Information-Management, Data-Quality-Management und Risiko-Management.

Ganz an der Spitze steht allerdings ein Trend, der eher dem Bereich IT-Optimierung zuzuordnen ist: die Virtualisierung. Auf einer Skala von 1 (völlig unwichtig) bis 6 (sehr wichtig) bewerten die Teilnehmer dieses Thema im Durchschnitt mit 4,5.

Am unteren Ende der Skala rangieren größtenteils Web-2.0-Themen, die im Zusammenhang mit Interaktion stehen. Hier finden sich Social-Networking-Tools, öffentliche Blogs (die unternehmenseigenen werden geringfügig wichtiger erachtet), Offshoring des Application-Managements, das Software-as-a-Service-Angebot "Google Apps" und Microblogging.

Die Eckdaten zur Befragung

  • Mit der Studie IT-Trends ermittelt Cap Gemini jährlich den aktuellen Stand in der IT sowie die Trends der kommenden Jahre.

  • Die Fragen lauten: Welche Themen sind den IT-Leitern zentraleuropäischer Unternehmen wichtig? Wie entwickeln sich die Budgets? Wie verändern sich die Rolle des IT-Leiters und die Organisation der Abteilung?

  • Die Ergebnisse basieren in diesem Jahr auf der Befragung von 133 Geschäftsführern und Topmanagern, von denen 88 in deutschen, 14 in österreichischen und 31 in schweizerischen Unternehmen arbeiten. Ihre Antworten wurden zusammen ausgewertet.

  • Der Befragungszeitraum erstreckte sich vom 28. Oktober bis zum 27. November 2009.

Top-Thema 2010: Virtualisierung

Weniger Kosten, mehr Effizienz, Flexibilität und Ausfallsicherheit - so lauten die Vorteile, die Virtualisierung schon seit langem zu einem der Top-Themen im Infrastruktur-Management machen. Zudem haben die Produkte inzwischen einen gewissen Reifegrad erworben, weshalb sie sich weitgehend risikofrei einsetzen lassen. Das erklärt die hohe Bedeutung, die dem Thema immer noch beigemessen wird, auch wenn die Server-Virtualisierung größtenteils schon abgeschlossen ist.

Master-Data-Management

Das unternehmensweite, anwendungsübergreifende Management der Stammdaten (MDM) ist ebenfalls ein Dauerbrenner. Besonders aktuell - und komplex - wird es, wenn ein Unternehmen sich durch Akquisition vergrößert und die Daten zweier IT-Organisationen zu konsolidieren sind. Die Projekte stecken laut Capgemini meist noch in der Planungsphase.

Business-Information-Management

Neben dem MDM nehmen die Unternehmen auch das BIM (Business Information Management) in diesem Jahr sehr ernst. Wie Capgemini berichtet, knüpfen die Entscheidungsträger hohe Erwartungen an die gerade anlaufenden Projekte - insbesondere an deren Beitrag zur Innovation im Unternehmen. Eine wichtige Voraussetzung dafür sei die Erarbeitung einer Strategie, die unter anderem beschreibt, mit welchen Informationen sich Geschäftsprozesse treiben beziehungsweise verbessern lassen und wie die Prozesse umgestaltet werden können, um Vorteile daraus zu ziehen.

Data-Quality-Management

Hohe Aufmerksamkeit in Fachbereichen und IT-Management genießt auch das Data-Quality-Management (DQM). Die Teilnehmer der Capgemini-Umfragen sehen es als Basis für Geschäftserfolg und Risikominimierung. Allerdings schrecken viele Unternehmen - zum Teil aus Kostengründen - noch vor grundlegenden Maßnahmen zurück. Stattdessen doktern sie punktuell an neuralgischen Stellen herum. Auf diese Weise lasse sich die Datenqualität aber nicht nachhaltig verbessern, so Capgemini.

Evergreen Risiko-Management

Die Bewertungsskala reicht von 1 (völlig unwichtig) bis 6 (sehr wichtig).
Foto: CapGemini 2010

Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise gilt Risiko-Management derzeit als geschäftskritisch. Die Finanzdienstleister arbeiten hier längst mit umfassenden Lösungen, die jetzt erweitert werden sollen - meist in Richtung "Gesamtbanksteuerung". Andere Branchen, zum Beispiel die Automobilhersteller, haben gerade das Lieferanten-Management als risikorelevant erkannt. Es geht nicht mehr nur darum, die Kosten zu deckeln, sondern zunehmend um die Frage, wie solvent ein Zulieferer ist, also wie er beispielsweise Rohstoffpreiserhöhungen oder Wechselkursschwankungen verkraften kann.

Web-2.0-Themen als Schlusslichter

Drei von fünf der am unwichtigsten beurteilten IT-Themen drehen sich in diesem Jahr um Web-2.0-Werkzeuge für die Kommunikation mit externen Zielgruppen. Konkret handelt es sich um Social-Networking-Tools, öffentliche Blogs und Microblogging. Zwar messen ihnen die Befragen "insgesamt" durchaus Bedeutung bei, für das jeweilige Unternehmen gelten sie jedoch als irrelevant.

Capgemini erklärt das unter anderem damit, dass die Tools unter Hype-Verdacht stünden. Viele Unternehmen erwarteten, dass sich die Aufregung von selbst wieder lege - und warten deshalb erst einmal ab. Allerdings betrachteten die IT-Verantwortlichen Web 2.0 nicht durch die Bank als Spielerei. Kundenplattformen zur Produktverbesserung und Foren, die ein direktes Feedback ermöglichen, halten sie durchaus für wichtig. Auch das "Crowdsourcing" gewinnt an Bedeutung.

Offshoring ist passé

Als einen weiteren Flop des Jahres hat Capgemini das Offshoring des Application-Managements ausgemacht. Dieses Ergebnis erscheine angesichts fehlender Personalressourcen und hohem Kostendruck "paradox", doch scheuten die Verantwortlichen die direkte Zusammenarbeit mit Anbietern außerhalb Europas - wegen der Zeitverschiebung, der Sprachbarrieren und der kulturellen Unterschiede. Aus diesem Grund beauftragen sie lieber einen Outsourcing-Partner im eigenen Land, der alle anderen Dienstleister steuere. Das sei zwar etwas teurer, berge dafür aber deutlich weniger Risiken.

Google Apps gilt als Hype

Mit extern bereit gestellten Applikationen wie Google Apps können die IT-Chefs in der Praxis noch nichts anfangen, so die Studienergebnisse. Zwar biete die Google-Lösung Funktionen wie Zusammenarbeit in Echtzeit, die anderen Office-Paketen fehlten, das aber das sei noch kein Grund, die derzeit genutzten Anwendungen auszutauschen, deren Lizenzen ja bereits bezahlt seien. Zudem gebe es Bedenken in Sachen Datenschutz.

Web-2.0-Themen sind für deutsche Führungskräfte eher unwichtig.
Foto: CapGemini 2010

Welche Projekte 2010 aufgesetzt werden

Bedeutung "insgesamt" und "für das eigene Unternehmen" sind nicht immer deckungsgleich.
Foto: CapGemini 2010

IT-Projekte werden im laufenden Jahr vor allem in drei Bereichen aufgesetzt: Identity- und Access-Management, Datenqualität und Unified Communications. Mit einem übergreifenden Identity- und Access-Management rücke der Schutz der geschäftskritischen Anwendungen und Prozesse in den Mittelpunkt. Hier würden Authentifizierungsverfahren entwickelt, die nicht nur der Vielfalt an Endgeräten, sondern auch neuen Anwendungen wie Telepresence und Videoconferencing sowie der wachsenden Mobilität der Mitarbeiter gerecht werden müssten.

Zudem arbeiteten die Unternehmen in diesem Jahr an der Datenqualität, prognostiziert Capgemini. Projekte in den Bereichen Master-Data-, Business-Information- und Data-Quality-Management sollen nicht nur dazu beitragen, das Risiko zu senken, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern: Die vorhandenen Informationen würden genutzt, um das Verhalten der Kunden zu analysieren, also Produkte und Services besser auf deren Bedürfnisse zuzuschneiden.

Mit Unified Communications wollen die Unternehmen dem steigenden Kommunikationsaufkommen via Festnetztelefon, Handy, Smartphone, PDA, Fax, E-Mail und Instant Messaging Herr werden. Darüber hinaus zielen die Projekte darauf ab, die übergreifende Zusammenarbeit zu vereinfachen.

Umgang mit Innovationen

Neue Technologien gelten den IT-Chefs heute nur so viel wie der Mehrwert, den sie bringen. Den Spitzenplatz unter den innovativen Techniken belegt deshalb das eher unspektakuläre Thema Virtualisierung. Auf den Plätzen folgen Business-Information-Management sowie Plattformen für die Einbindung von Kunden in Produktverbesserung und -entwicklung. Gefragt sind aber auch Service-oriented Package-based Solutions (Sops), die eine Integration von Standard- und Individualsoftware ermöglichen.

Zukunftsthemen wie Cloud Computing oder Web 2.0 stehen die Entscheidungsträger noch eher skeptisch gegenüber. Hier fehlt es an Erfahrung, es gibt zu viele offene Fragen, und der Nutzen lässt sich in der Praxis nicht beweisen.

Paradoxon Cloud Computing

Cloud Computing gehört zu den Themen, denen die Befragten zwar generell Bedeutung beimessen, die sie aber für den Einsatz im eigenen Unternehmen noch ablehnen. Capgemini vermutet den Grund für die abwartende Haltung in den nach wie vor nur unzureichend gelösten Sicherheitsproblemen.