Facebook, Xing, Blippy

Die Schattenseiten von Social Media

31.10.2011 von Jan-Bernd Meyer
In der allgemeinen Euphorie um soziale Netzwerke wird oft übersehen, dass Privatpersonen und Unternehmen Risiken eingehen, wenn sie sich zu intensiv darauf einlassen.

Wer sich heute im Internet bewegt, muss damit rechnen, dass er nackt vor der Weltöffentlichkeit steht. Wer sich im World Wide Web tummelt, solle sich von dem Gedanken verabschieden, dort gebe es so etwas wie Privatsphäre. Dieser Meinung sind immerhin so bekannte Topmanager der IT-Szene wie Eric Schmidt von Google, Lawrence Ellison von Oracle und Scott McNealy von Sun Microsystems. Je tiefer man ins Web eintaucht, je mehr Spuren man hinterlässt, desto sichtbarer wird man für Dritte.

Du bist, was Du kaufst

Blippy: Eine Website, auf der obsessiv über Käufe kommuniziert wird.

Für soziale Medien gilt diese Binsenwahrheit natürlich erst recht. Ein schönes Beispiel dafür, wie Transparenz bei der Shoppingtour im Internet erzeugt wird, ist der Netzdienst Blippy. Wer sich hier angemeldet hat, kann all jenen, die er als Blippy-Kontakt definiert hat, automatisiert mitteilen, dass er beispielsweise gerade für den 22. Juni 2011 eine TUI-Reise nach Thailand gebucht, diese mit der Visa-Kreditkarte bezahlt und hierzu auch noch gleich das passende Outfit von Jack Wolfskin erstanden hat. Das mag unproblematisch sein, ist aber unter Umständen für Einbrecher, Reiseveranstalter und Kreditkartengesellschaften eine interessante Nachricht.

Wer schreibt, wann er wo tankt, welche Restaurants er in welchen Städten besucht oder wann er auf Dienstreise geht, hinterlässt ein schönes Bewegungsprofil. Vor allem aber entsteht ein detailliertes Bild über das Konsumverhalten einer Person. Blippy funktioniert übrigens nur, wenn der Nutzer dem Netzdienst die Passwörter zum E-Mail-Postfach gewährt, betont ITK-Experte und Buchautor Thomas Köhler. Blippy extrahiere die Daten etwa eines Kaufs bei Amazon aus den Mails der Bestellbestätigungen. Diese teilt Blippy dann "der Welt mit".

Was ist ein "Like"-Button?
Was ist ein "Like"-Button?
Soziale Netzwerke wie Facebook und Co. haben einen ungeahnten Hype ausgelöst. Ein Beispiel hierfür ist der "Like-Button" von Facebook. Doch Vorsicht, es lauern rechtliche Stolperfallen.

Facebook bietet den Betreibern externer Website eine einfache Möglichkeit, ihren Internet-Auftritt mit dem sozialen Netzwerk zu verküpfen.

Ein Besucher der jeweiligen Site, der auf diesen Button klickt und gleichzeitig in Facebook eingeloggt ist, bekundet damit seine Sympathie für die Site oder einem bestimmten Produkt.

Diese Sympathiebekundung ist in seinem Profil und für alle seine Facebook-"Freunde" ersichtlich.

Die dazu notwendigen Daten werden mit dem Klick an Facebook übermittelt.

Verbrecher jagen via Web

Nur ein Drittel aller Befragten einer COMPUTERWOCHE-Untersuchung zur Nutzung sozialer Medien gab an, dass ihr Arbeitgeber ihnen die Nutzung von Social-Media-Tools am Arbeitsplatz erlaubt.

Bekannt ist, dass die werbetreibende Industrie sich der sozialen Netze bedient, um die Vorlieben und Interessen der dort versammelten Menschen zu filtern. Dass ein solcher Scan auch ohne Wissen der Betroffenen vorkommt, zeigt das Beispiel Amazon.com. Nutzer des E-Readers Kindle können Kommentare in ihren elektronisch herunter geladenen Büchern unterbringen. Wenn mehrere Leser eines Buchs an gleicher Stelle eine Bemerkung verfassen, speichert und veröffentlicht Amazon das - anonymisiert zwar, aber ohne Wissen des Autors.

Ebenfalls nicht so bekannt sein dürfte, dass soziale Netze auch zur Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt werden. Auf der Homepage der US-Nonprofit-Organisation Electronic Frontier Foundation (EFF) war eine Zeitlang ein pdf-Dokument zu sehen, dass zeigte, wie das soziale Netz als Werkzeug zur Verbrechensbekämpfung genutzt wird. Allerdings ist diese Präsentation nicht mehr verfügbar.

Alibis überprüfen kinderleicht

Behörden können über das Ausspähen von Nutzern in sozialen Netzen feststellen, welche Kontake eine Person pflegt. Außerdem lassen sich - etwa über den Geo-Lokalisierungsdienst Foursquare - Bewegungsdaten festhalten. Das erleichtert Ermittlern das Überprüfen von Alibis.

Ein gern genutzter Trick ist es, sich in sozialen Netzen als Kuckuck zu bewegen. Man nutzt dabei die Identität einer anderen Person und versucht mit einem gefälschten Profil, Informationen zu erlangen. Etwas Vergleichbares passierte Google-Manager Eric Schmidt. Unter seinem Namen eröffnete der Gründer des Technologie-Blogs "TechCrunch", Michael Arrington, auf Facebook einen Account. Prompt hatte er viele Freunde, darunter YouTube-Gründer Chad Hurley und Facebooks PR-Chef Elliot Schrage.

Thomas Hutter, Inhaber der Hutter Consult GmbH, berät Unternehmen in Sachen Facebook-Marketing. Identitätsdiebstahl ist seiner Ansicht nach prinzipiell zwar möglich, wird von Facebook aber meist schnell aus der Welt geschafft. Zudem sei es natürlich gemäß den allgemeinen Bestimmungen verboten, gefälschte Profile anzulegen. Allerdings ist sich der Berater darüber im Klaren, dass derlei Missbrauch in sozialen Netzen wie eben Facebook nicht zu verhindern ist. Würde der Betreiber einen umständlichen Authentifizierungsprozess einführen, "würden bei der Benutzeranzahl wohl sämtliche Grenzen des Machbaren gesprengt", so Hutter.

Facebook absichern
Facebook?
Bevor Sie in Facebook aktiv werden, sollten Sie Gebrauch von den zahlreichen Sicherheits- und Privatsphäreneinstellungen machen, die das soziale Netzwerk bietet. Diese sind nicht wirklich übersichtlich und teilweise schwer zu durchschauen. Wir geben Ihnen eine kleine Tour.
Kontosicherheit 1
Legen Sie zunächst bei der Kontosicherheit fest, dass Sie mit gesichertem HTTPS auf Facebook unterwegs sind.
Ab zur Privatsphäre
Direkt über dem Punkt Kontosicherheit finden Sie den Zugang zu allen Privatsphären-Einstellungen...
Default fails
Hier wählen Sie aus, welche Ihrer Kontakte und Nicht-Kontakte was von Ihnen sehen und finden darf. Die "empfohlenen" Voreinstellungen sind nicht gerade das Gelbe vom Ei!
Anwendungen
In den Einstellungen zu "Anwendungen, Spiele und Webseiten" spezifizieren Sie die getroffenen Vorgaben im zweiten Schritt noch genauer. Über "Informationen, die durch deine Freunde zugänglich sind"...
Anwendungen 2
...haken Sie ein und aus, was Sie brauchen.
Umgehende Personalisierung
Der Punkt "umgehende Personalisierung" im Menü "Anwendungen, Spiele und Webseiten" erlaubt eine Deaktivierung des Profil-Gekungels mit zahlreichen Partnerseiten. Notwendig und möglich ist dies aber nur, wenn die entsprechenden Profileinstellungen gesetzt / nicht gesetzt wurden.
Umgehende Personalisierung 2
Ein Video erklärt genauer, was es mit der umgehenden Personalisierung auf sich hat.
Öffentliche Suche
Die "öffentliche Suche" versteckt sich ebenfalls im Menü "Anwendungen, Spiele und Webseiten". Hier legen Sie per Klick fest, ob Ihr Facebook-Profil in Suchmaschinen auftaucht oder nicht.
Vernetzen
Der Punkt "Auf Facebook vernetzen" führt zu allgemeinen Profileinstellungen wie Vorgaben darüber, wer private Nachrichten und Freundschaftsanfragen senden darf.
Benutzerdefiniert: Fotos
Die "benutzerdefinierten Einstellungen" sind ebenfalls vielfältig. Wer darf Fotos sehen, auf denen Sie markiert wurden?
Benutzerdefiniert: Lokalisierung
Wer darf die Orte kennen, die Sie besucht haben?
Ganz zum Schluss: Freunde finden
Sind Ihre Privatsphäreneinstellungen sauber getroffen, können Sie nun anfangen, zu entscheiden, wen Sie in Ihre Freundesliste aufnehmen.
Facebook! Aber sicher!
Nun steht dem grenzenlosen Kontakteknüpfen nichts mehr im Wege...

Bedrohungen für das Business

Wie brisant das Thema ist, zeigt auch die Tatsache, dass auf Initiative des Bundesministeriums des Innern (BMI) und im Auftrag des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine interdisziplinäre Studie mit dem Titel "Identitätsdiebstahl und Identitätsmissbrauch im Internet - Rechtliche und technische Aspekte" erarbeitet wurde. Die Studie erörtert unter anderem die Frage, inwiefern Identitätsdiebstahl und -missbrauch heute die Sicherheit der E-Government- und E-Business-Kommunikation bedrohen. Sie diskutiert geltendes Recht in Bezug auf Identitätsdiebstahl und zeigt Lösungsansätze und offene Fragen im Kampf gegen Diebstahl und Handel von digitalen Identitäten auf.

IDG-Shop: Studie Social Media

Das Institut für Online-Marketing (Ifom) hat im Rahmen der Studie "Social Media im Industrieumfeld, 2010" einschlägige Aktivitäten von Firmen aus der Automatisierungstechnik untersucht. Insgesamt wurden zwischen April und Oktober dieses Jahres 14.268 Blog-Artikel, 14.595 Tweets und 5345 Foren-Postings ausgewertet.

Die Social-Media-Studie ist im Onlineshop der COMPUTERWOCHE erhältlich.

Diesen Aufwand würden die Behörden kaum betreiben, wenn ihnen die zunehmende Bedeutung sozialer Netze für Unternehmen nicht bewusst wäre. Die Allgegenwärtigkeit sozialer Netze wird laut Gartner gemeinsam mit dem demografischen Wandel und der Veränderung des Arbeitsstils dazu führen, dass bis 2014 jeder fünfte Angestellte diese Medien für seine Geschäftskontakte nutzen wird. Kommunikation via Social Web und mobile Anwendungen bewirke eine "umfassendere Interaktion" und eine "weitreichende Zusammenarbeit auf höherem Niveau".

Allerdings schränkt Monica Basso, Research Vice President bei Gartner, beim Blick auf die schöne, neue Welt der Unternehmenskommunikation ein, dass mehr Effizienz und Effektivität am Arbeitsplatz nur dann die Folge seien, wenn Unternehmen sich gründlich darauf vorbereiteten.

Die Technologie sei nur ein Auslöser, so Basso, am Ende gehe es um die Unternehmenskultur, ohne die sich kein Erfolg einstellen werde.

Dirk Pfefferle, Geschäftsführer von Verizon Business Deutschland, glaubt, dass die sinnvolle Nutzung sozialer Medien in einem Betrieb sehr stark von der Unternehmenskultur abhängt.
Foto: Verizon

Dirk Pfefferle, ehemaliger Geschäftsführer von Verizon Business Deutschland (mittlerweile führt Detlef Eppig als Geschäftsführer das Deutschland-Business), kann das nur bestätigen. Viele Firmen hätten schon allein aufgrund von regulatorischen Anforderungen und Compliance-Regeln ein Problem mit der Kontrolle sensibler Informationen. Soziale Medien seien aber gerade deshalb so groß geworden, "weil es zu ihrem Konzept gehört, die Kontrolle vielen zu übertragen". Voraussetzung, damit soziale Medien durch Firmenangehörige genutzt werden können, sei es, das richtige Bewusstsein zu schaffen: "Es ist von entscheidender Bedeutung, eine Vertrauensstruktur zu schaffen, innerhalb derer sich zukünftige soziale Aktivitäten von Unternehmen entwickeln können."

Letzten Endes "hängt alles von der Unternehmenskultur ab". Aufgrund des Potenzials sozialer Medien entwickelten sich Firmen zu grenzenlosen Unternehmen. Pfefferle: "In diesem Umfeld verschwimmen die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem, doch wer als Unternehmen überleben und wachsen will, muss es nutzen." (jm)

Sieben Fragen, die Unternehmen sich stellen sollte
1. Frage: Wie lautet die Strategie für Social Media in unserem Unternehmen?
Es kann viele Gründe für die Nutzung von Social Media in Unternehmen geben: Aktivitäten in diesem Bereich können laut Gartner fünf unterschiedliche Arten der Interaktion (von Monitoring bis Co-Creation) einschließen sowie vier verschiedene Zielgruppen (vom Kunden bis zum sozialen Networker) ansprechen. Viele Firmen schränken ihre Initiativen indes schon ein bevor sie sich über den Zweck dieses Marketing- und Kommunikationsinstrumentes überhaupt im Klaren sind. Eine Strategie der sozialen Medien sollte diese Kriterien erst entwickeln und sich nicht schon im Vorfeld an postulierten Normen orientieren, sagt Gartner.
2. Frage: Wer verfasst und überarbeitet die Social Media Strategie?
Am wichtigsten ist es laut Gartner, eine Einigung darüber zu finden, wer für die Social Media Strategie verantwortlich ist, wer als Ansprechpartner fungiert und in die Entwicklung einbezogen wird. Natürlich sollte das Team aber eine repräsentative Auswahl der gesamten Belegschaft darstellen, fordert Gartner und erinnert zugleich: Es gibt einen Unterschied zwischen Strategie und den operativen Prozessen – erfordert das eine klare und verlässliche Regeln, muss im Bereich der operativen Prozesse, etwa in der Kundenbetreuung, mehr Flexibilität zur Bewältigung der täglichen Aufgaben herrschen.
3. Frage: Wie kann die Strategie überprüft werden?
Ein fundiertes Feedback ist nicht nur wichtig, um die Strategie regelmäßig hinsichtlich Compliance, Sicherheit, Privacy und Corporate Branding auszutarieren, stautiert Gartner. Es sorgt nach Einschätzung der Analysten aber auch dafür, dass der Prozess selbst – die Art und Weise wie die Strategie bewertet und diskutiert wird – auf die Strategie selbst zurückwirkt, was den Buy-in an Verbesserungen wesentlich erhöht.
4. Frage: Wie informieren wir die Mitarbeiter über ihre Pflichten?
Eine Social Media Strategie muss in verständlicher Weise zu Papier gebracht werden, fordert Gartner. Das genügt aber nicht für eine Belehrung der Mitarbeiter. Um Social Media zur gelebten Politik eines Unternehmens zu erheben, bedarf es Gartner zufolge einer eigenen Kommunikations-Strategie, begleitet von einem Schulungsprogramm, das die Strategie und ihre Folgen für Unternehmen und Mitarbeiter klar darlegt.
5. Frage: Wer ist verantwortlich für das Monitoring der Mitarbeiteraktivitäten?
Es ist klar, dass die aufgestellten Regeln der Social Media Policy von den Mitarbeitern auch beachtet werden müssen. Dennoch warnt Gartner: Dies darf nicht im Rahmen einer Top-down-Strategie des Überwachens und Kontrollierens erfolgen. Die Führungskräfte müssen vielmehr dazu angehalten werden, die Selbststeuerung von Teams zu unterstützen.
6. Frage: Wie können wir Führungskräfte zu Trainern für Social Media ausbilden?
Nicht alle Führungskräfte fühlen sich in ihrer ihrer Rolle als Trainer in Sachen Social Media gleich wohl. Daher müssen aus Sicht von Gartner Mitarbeiter mit Leitungsfunktionen speziell geschult werden.
7. Frage: Wie können wir Fehler nutzen, um Strategie und Schulungen weiterzuentwickeln?
Fehlentwicklungen können beim Einsatz neuer Kommunikationsmedien wie den sozialen Medien nicht gänzlich ausgeschlossen werden, räumt auch Gartner ein. Doch Unternehmen, die beim Einsatz von Social Media strategisch und geplant vorgehen, können laut Gartner ihre Social Media Initiativen solide evaluieren und diese Erkenntnisse für die Fortentwicklung bestehender oder geplanter Social Media Projekte verwenden.