Interview

"Die Realität im Markt sieht anders aus"

14.04.2000
Mit Hannes Merten, Vorstandsvorsitzender der Soft M Software und Beratung AG, München, sprach CW-Redakteur Gerhard Holzwart

CW: Die auf ERP-Lösungen für mittelständische Fertigungsbetriebe spezialisierten Softwarehäuser litten im vergangenen Jahr besonders unter der Jahr-2000-bedingten Investitionszurückhaltung der Kunden. Viele ihrer Wettbewerber haben jedoch die Zeit genutzt, um durch eine E-Business- und Akquisitionsstrategie ihr künftiges Terrain im Markt abzustecken. Ihr Unternehmen war diesbezüglich sehr zurückhaltend. Warum?

Merten: Zunächst einmal waren wir der einzige ERP-Anbieter am Neuen Markt, der im Herbst vergangenen Jahres nicht mit einer Gewinnwarnung überraschte. Und wir haben das Geschäftsjahr 1999 mit einem sehr guten Ergebnis abgeschlossen (siehe Seite 51, Anm. d. Red.). Wenn wir etwas solider - manche meinen auch: konservativer - planen, sollte man das also nicht unbedingt als Handicap werten. Dies gilt auch für den angeblichen Zwang zur Internationalisierung. Es muss passen - für uns, für die Aktionäre und vor allem unsere Kunden.

CW: Die Börse hat Ihre Strategie aber nicht unbedingt mit einem Kursfeuerwerk der Soft-M-Aktie honoriert.

Merten: Es ist kein Geheimnis, dass wir mit der Entwicklung unserer Aktie nicht zufrieden sind. Der eine oder andere Wettbewerber hat offenbar seine vermeintlichen Assets besser vermitteln können.

CW: Sie haben jetzt erst für Ende des Jahres ein ergänzendes Business-to-Business-Modul für ihre Suite "Soft M Basis 400" angekündigt. Konkurrenten wie Bäurer scheinen hier mit Konzeptionen zu eigenen Marktplätzen und Beteiligungen an E-Commerce-Spezialisten wie Openshop einen fast uneinholbaren Vorsprung zu haben.

Merten: Die Realität in unserem Markt sieht doch etwas anders aus. Es ist keineswegs so, dass wir das Thema E-Business verschlafen haben. Wir haben eine Reihe von Projekten zusammen mit Anbietern wie Intershop realisiert. Das Ergebnis war eher ernüchternd: Die Kunden waren letztlich nicht zufrieden. Sie haben keinen Bedarf an Schnittstellen-Orgien und Redundanzen bei Datenbeständen, sondern wollen eine Lösung aus einer Hand.

CW: Kokettieren Sie da nicht mit Ihrer Schwäche, noch kein E-Business-Tool ausliefern zu können?

Merten: Mitnichten. Mag sein, dass einige Wettbewerber hier mit Ankündigungen schneller waren. Warten wir ab, wessen Produkte früher stabil laufen. Unsere Kunden stehen quasi Gewehr bei Fuß. Die wollen jetzt investieren, vor allem aber wollen sie eine Software, mit der sie nachher keinen Ärger haben.

CW: Sie schließen also Kooperationen mit anderen Softwareanbietern in Zukunft aus.

Merten: Nicht grundsätzlich, aber in der Regel. Wenn von unseren derzeit 1300 Kunden etwa 300 groß in das Internet-Geschäft einsteigen wollen, können wir nicht jedes Mal ein aufwendiges Individualprojekt zusammen mit einem Partner aufsetzen. Im Übrigen reden wir im Mittelstand über Business-to-Business mit festen Liefer- und Händlerstrukturen. Insofern haben wir zum Beispiel das Problem eines aufwendigen Payments mit wechselnden anonymen Käufern nicht. Wir beginnen also nicht auf der grünen Wiese.

CW: Wie sehen Sie - abgesehen vom Thema E-Business - den Wettbewerb?

Merten: Was Windows NT als Server-Plattform angeht, sind Anbieter wie Bäuer und Infor zweifelsohne gut positioniert. Wir selbst werden hier, wie angekündigt, in die Offensive gehen, ohne allerdings unser angestammtes AS/400-Geschäft zu vernachlässigen - ein Markt, der sich zuletzt ohnehin nachhaltig konsolidiert hat. Hier sind wir vielleicht nicht der größte, aber der ertragreichste ERP-Softwarelieferant. Ich denke, was die Integrationstiefe der einzelnen Suites angeht, etwa im Rechnungswesen, müssen wir uns auch vor niemandem verstecken.

CW: Werden Sie auch in Zukunft sehr zurückhaltend akquirieren?

Merten: Wir hätten im vergangenen Jahr beispielsweise in England kaufen können - ein Deal im zweistelligen Millionenbereich. Doch bei näherem Hinsehen waren zu viele Schwächen erkennbar. Wir scheuen auch vor keiner spektakulären Übernahme zurück. Konkret schauen wir uns in Frankreich, Polen und Tschechien um. Aber wie gesagt muss es einen Sinn geben. Ich kann nicht einen überteuerten und strategisch fragwürdigen Firmenwert abschreiben, der höher ist als die Erträge aus dem operativen Geschäft. Sonst wird aus der positiven Schlagzeile von heute die negative von morgen.