Verrückte IT-Geschichte

Die neun skurrilsten Software-Bugs

02.11.2011
Tippen Sie bloß nie den Begriff „Reboot“ in Ihr Smartphone… Lesen Sie alles zu diesem und acht weiteren Software-Schlamasseln.

1995: Das Steuer-Desaster
Kaum eine Software kann sich gänzlich von ihnen lossprechen: Bugs, diese kleinen Programmfehler, die mal harmlos, mal richtig ärgerlich sein können. Wirklich interessante und seltene Bugs sind jedoch weniger häufig anzutreffen. Bugs der Art, die Anwendungen für eine gewisse Zeit komplett lahmlegen, oder Programme sich gegen ihren Nutzer richten lassen. Für die folgende Geschichte wurden neun besonders eigenartige Bugs ausgewählt, die in den Anwendungen einiger der größten Software-Hersteller Verwirrung stifteten.

Der Erste führt uns zurück ins Jahr 1995. Damals gab es für Mac-User das Programm “MacIn Tax” - später abgelöst durch “Turbo Tax”. Eine Software, die bei der Lohnsteuererklärung und Archivierung von steuerlichen Angelegenheiten behilflich sein sollte. Doch die Version für das Jahr 1994 beherbergte noch eine andere, ungewollte Funktion: Wer über ein bisschen multimediales Verständnis verfügte, konnte online auf über 60.000 eingesandte, ungeschützte Steuererklärungen zugreifen. Wer einmal Zugriff hatte, konnte sich die empfindlichen Daten aber nicht nur ohne weiteres ansehen, er konnte sie sogar verändern oder komplett löschen. Doch worin lag dieser Fehler begründet?

“MacIn Tax” wurde zusammen mit einem Debug-Dienstprogramm verkauft, das den Kunden beim Lösen von Modem-Problemen helfen sollte. Diese Software wählte sich dazu jedoch bei einem Server ein, der von einem Subunternehmen des Herstellers Intuit betrieben wurde. Da die Anmeldedaten für diesen Server aus irgendeinem Grund unverschlüsselt vorlagen, hatte plötzlich jeder Nutzer vollen und uneingeschränkten Zugriff auf den Server – inklusive aller Daten von “MacIn Tax”-Anwendern. Intuit bezeichnete den Fehler später als “Flüchtigkeitsfehler” und versprach den Kunden, für eventuell entstandene, finanzielle Schäden aufzukommen.

1998: Ebay-Ausfälle

Ebay

Am 10. Juni 1998, erlitt Ebay, schon damals als das weltweit größte Online-Auktionshaus bekannt, einen Totalausfall. Eigentlich nichts weltbewegendes. Denn in den späten 90er Jahren hatten viele Bieter und Inserenten mit gelegentlichen Ausfällen der Webseite zu kämpfen. Doch dieser Ausfall vom 10. Juni wollte und wollte sich einfach nicht beheben lassen.

Erst nach 22 Stunden, tags darauf am 11. Juni, konnte man wieder auf die Seite zugreifen. Das führte allerdings dazu, dass rund 2,3 Millionen Auktionen, die in dieser Zeitspanne ausliefen, beeinträchtigt wurden. Ebay investierte daraufhin ein kleines Vermögen in die Zahlung von Vergütungen und Entschädigungen.

Der Fehler lag laut Aussagen von Ebay in einer beschädigten Datenbank, die wiederum einer fehlerhaften Software von Sun Microsystems in die Schuhe zu schieben sei. Knapp 14 Monate später hatte Ebay allerdings erneut mit einem Ausfall der Webseite von 14 Stunden zu kämpfen. Die Schuld wurde diesmal einem Hardware-Problem zugeschoben.

2005: Tivo mit Cliffhangern

“TiVo” nennt sich in den USA die am weitesten verbreitete Festplatten-Set-Top-Box. Und den gleichen Namen trägt auch ihr Maskottchen, ein anthropomorphes Fernsehgerät mit Beinen und einem schiefen Grinsen. Und wer hätte gedacht, dass eben dieses Maskottchen eine sadistische Ader zu haben scheint?

Das zumindest müssen die meisten Menschen anno 2005 gedacht haben, die zu diesem Zeitpunkt einen digitalen Videorecorder der Firma TiVo besessen haben. Denn zu diesem Zeitpunkt begannen die TiVos, großzügig die Endsequenzen einiger TV-Sendungen auszuschneiden. Ein nicht enden wollender Cliffhanger sozusagen. TiVo selbst brauchte eine ganze Weile, bis sie auf dieses Problem reagierten. Dann stellte sich aber heraus, dass scheinbar nur die TiVo Serie 2 von diesem Fehler betroffen war, wenn sie über einen langen Zeitraum permanent in Benutzung war. Als Lösungsansatz empfahl TiVo seinen Kunden, das Gerät zwischendurch auch mal auszuschalten. Später lieferte die Firma noch einen Patch nach, der das Problem ein für allemal behob.

2006: Game Over beim Nintendo DS-Spiel

Bubble Bobble Revolution

2006 erschien das Nintendo-DS-Spiel “Bubble Bobble Revolution” - ein Remake des Arcade-Klassikers aus den 80er Jahren. Ein überaus herausforderndes Game. Denn Level 30, zum Beispiel, war im wahrsten Sinne des Wortes unschaffbar. Eine herbe Enttäuschung, hätte man doch so gerne bis Level 100 weiter gespielt.

Der Fehler liegt allerdings in der Machart: Die meisten Arcade-Spiele beenden ihre Level mit einem Bossfight, also dem Kampf gegen ein sehr starkes Monster. In Level 30 von “Bubble Bobble Revolution” hingegen, fehlte dieser Bossgegner und somit auch die Möglichkeit, ins nächste Level voran zu schreiten. Monate später löste Hersteller Codemasters das Problem, indem er defekte Module gegen Neue austauschte – und als Entschuldigung ein Bonus-Spiel obendrauf legte: “Rainbow Islands Revolution”.

2007: Game over bei Skype

Am 16. August 2007 mussten Nutzer des beliebten Internet-Telefonie-Services “Skype” feststellen, dass irgendwie der Wurm drin war. Kein gewöhnlicher Schluckauf, wie ihn das Programm hin und wieder hat. Für Millionen von Anwender blieb Skype volle zwei Tage lang außer Betrieb.

Einer der längsten Aussetzer überhaupt für einen derartig viel genutzten Service. Skype-Mitarbeiter schrieben in dieser Zeit des Ausfalls vermehrt Blog-Einträge, um die Nutzer über den Reparaturfortschritt auf dem Laufenden zu halten. Doch erst, nachdem Skype wieder vollständig funktionierte, klärten sie die Anwender über die Ursache des Ausfalls auf: Ein Update von Microsoft Windows hatte die PCs von Tausenden Skype-Nutzern gleichzeitig gepatcht und sie zu einem Neustart aufgefordert. Nach dem Neustart schienen sich so viele Anwender auf einmal bei Skype einzuloggen, dass das System zusammenbrach. Immerhin gab Skype nicht Microsoft die Schuld an dem Desaster.

2007: Milliarden von Windows-Raubkopierern

Windows Genuine Advantage

Die Microsoft Windows Echtheitsüberprüfung ist eine Technologie, die Software-Dieben den Zugriff auf Updates verweigern soll und einige Funktionen abschaltet. Am 26. August 2007 geriet das System jedoch außer Kontrolle, als plötzlich auch ehrliche Nutzer, die für ihre Kopie von Windows bares Geld bezahlt haben, als Raubkopierer bezichtigt wurden.

19 Stunden lang konnte die Echtheitsüberprüfung nicht mehr zwischen einer Original- und einer kopierten Version unterscheiden. Wie sich später über einen Eintrag von Alex Kochis im Microsoft-Blog heraus stellte, war das Schlamassel durch einen fehlerhaften Code entstanden. Man hatte versehentlich einen vorläufigen Code auf die Server der Echtheitsüberprüfungs-Software geladen. Der Code prüft Windows allerdings nur dann korrekt, wenn gleichzeitig eine spezielle Verschlüsselungs-Software auf den Systemen installiert ist – und die sollte erst später mit einem aktuellen Service-Pack erscheinen.

2008: Android-Smartphone dreht durch

Als im Herbst 2008 in den USA das T-Mobile G1 – das erste Smartphone mit Googles Betriebssystem Android – auf den Markt kam, entdeckten Nutzer schon bald etwas Verwirrendes: Tippte man über die kleine Tastatur des Smartphones “Reboot” ein, startete das Gerät tatsächlich neu. Klingt eigentlich eher wie eine nützliche Funktion, als wie ein Bug. Problematisch: Der Fehler trat in jeder Android-Anwendung auf, selbst wenn das Wort nur in einer harmlosen SMS an Oma geschrieben stand.

Der Grund für diesen seltsamen Fehler: Android, das auf Linux basiert, bietet für Programmierer einige Besonderheiten. Sie können sich über einen privilegierten Log-In anmelden und über eine Befehlszeile Anweisungen auch mit Remote-Geräten erteilen. Diese Funktion beinhaltete jedoch so viele Bugs, dass das G1 die Befehle immer ausführte, egal ob man sich gerade im privilegierten Log-In befand, oder nicht. Google behob den Fehler mit einem einfachen Patch.

2008: Microsofts Zune-Player versagt

Microsoft Zune

Zune-Besitzer sind doch wirklich zu bemitleiden. Nicht nur ist der MP3-Player ein Synonym für Microsofts wieder einmal gescheiterten Versuch, cool zu sein. Am 31. Dezember 2008 versagte das Gerät sogar gänzlich den Dienst – und zwar bei allen 30Gigabyte-Varianten des Zune. Die Besitzer stellten fest, dass ihr Player zuerst wahllos Neustarts durchführte, um anschließend einzufrieren. Sollte das 30-Gigabyte-Modell das neue Jahr 2009 nicht mehr erleben?

Der Grund für das Chaos war wesentlich simpler: 2008 war ein Schaltjahr. Der Zune hatte schlicht und ergreifend einen Programmierfehler, der den einen zusätzlichen Tag im Jahr zu einem Grund für einen Systemabsturz machte. Und damit ist das Betriebssystem des Zune nur eine von vielen Softwares, die enorme Schwierigkeiten mit Schaltjahren haben. Zum Glück war die Lösung des Problems eine ganz einfache: Ein Neustart am 1. Januar 2009 holte den Zune ins Leben zurück.

2009: Google sieht Malware - überall Malware

Wurden Sie bei einer Google-Suche auch schon einmal vor potenziell schädlichen oder gefährlichen Webseiten gewarnt? Wer am 31. Januar 2009 in den frühen Morgenstunden die Suchmaschine benutzte, dürfte über einen ganzen Haufen solcher Warnhinweise gestolpert sein. Denn 55 Minuten lang stufte Google jedes seiner Suchergebnisse als gefährlich ein – inklusive seiner eigenen Dienste und Services.

Die Vizepräsidentin von Google, Marissa Mayer, erklärte später in einem Blog-Eintrag die Hintergründe des seltsamen Fehlers: die Malware-Erkennungs-Funktion von Google identifiziert schädliche Webseiten, indem sie deren Web-Adresse in einer Liste bekannter Schad-Webseiten nachschlägt. Ein Update dieser Liste am Morgen des 31. Januars 2009 brachte Google durcheinander – versehentlich wurde bei allen Namen ein Slash eingefügt. Da in einem Browser jede URL einen Slash enthält, stufte Google somit alle Webseiten des gesamten Netzes als gefährlich ein. Nur ein gewöhnlicher Tippfehler also.

Dieser Artikel stammt von Harry McCracken von unserer Schwesterpublikation PC World.