Hybrid Work & Collaboration

Die neue Normalität ist hybrid

23.03.2023 von Iris Lindner
Remote Work ist für viele Mitarbeiter keine Option, sondern eine Selbstverständlichkeit. Doch auf die neue Arbeitskultur müssen sich Führungskräfte erst noch einstellen.
Richtig geplant und umgesetzt, bieten Hybrid Work und New Work klare Vorteile - etwa bei der Rekrutierung neuer Fachkräfte.
Foto: Andrey_Popov - shutterstock.com

Die Pandemie ist vorüber, der Berufsverkehr wieder da. Doch nicht alle haben dauerhaft den Weg zurück in ihr altes Büro gefunden. Zum einen, weil sich Home-Office sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber als positiv herausgestellt hat. Zum anderen brachte die Rückkehr ins Büro so manche Schwachstellen an den technischen Gegebenheiten ans Tageslicht. Eine schlechtere Netzwerkverbindung kann durchaus ein Grund sein, weshalb der Weg zurück ins Office für viele oftmals genau so schwierig ist wie der Weg ins Homeoffice war.

Das Zusammenspiel von Tätigkeiten im Büro und der virtuellen Zusammenarbeit ist die neue Normalität geworden. Doch bei Hybrid Work geht es um mehr als nur den Ort, von dem aus der Mitarbeiter arbeitet. Sie erfordert eine völlig andere Arbeitskultur, weil die Situation im Homeoffice nämlich auch die Fähigkeit zum selbstbestimmten Arbeiten gefördert hat. New Work heißt dieser Trend, der neben der Wahl der Location unter anderem auch den gewohnten Arbeitszeiten einen neuen Spielraum gibt.

Vorteile von Remote und Office verbinden

Für die Unternehmensführung ist es eine erhebliche Herausforderung, die neue Kultur in einer mobilen Umgebung zu koordinieren und gleichzeitig auch diejenigen mitzunehmen, die nicht am Schreibtisch, sondern im Feld arbeiten. Doch auch wenn Technologie zahlreiche Möglichkeiten bietet, hier die Kommunikation zu unterstützen, so wollen nicht wenige Unternehmen ihre Mitarbeiter wieder permanent vor Ort haben, da sie die Vorteile von Remote Work noch nicht erkannt haben.

Auf der Kostenseite macht sich Remote Work vor allem bei der Miete bemerkbar: Weil ein Teil der Mitarbeiter von zu Hause aus arbeitet, wird weniger Bürofläche benötigt. Statt für jeden Mitarbeiter einen Arbeitsplatz bereitzustellen, werden vermehrt Shared Desks eingeführt. Aber auch für Dienstreisen reduziert sich das Budget, da viele Kundengespräche digital stattfinden. Gleichzeitig erhöht dieser Aspekt die zeitliche Effizienz und kommt darüber hinaus auch den ökologischen Nachhaltigkeitszielen der Unternehmen entgegen.

Zudem bietet Remote Work im Hinblick auf den Fachkräftemangel im Recruiting einen enormen Mehrwert: Bei der Suche nach neuen Mitarbeitern muss man sich nicht mehr auf eine Region beschränken. Im Grunde steht einem die ganze Welt offen.

Allerdings hängt Remote Work sehr stark von der Aufgabenstellung ab. Denn manchmal ist der bessere Weg, sich tatsächlich gemeinsam an einen realen Tisch zu setzen, um zum Beispiel aufwendige Kundenausschreibungen auszuarbeiten. Gleiches gilt für die Einarbeitung und die Integration neuer Mitarbeiter ins Team.

Und schließlich darf die Tatsache nicht vernachlässigt werden, dass nicht jeder Mensch in der Lage ist, im Home-Office seiner Arbeit wie gewohnt nachzugehen. Entweder fehlen Platz und/oder technische Voraussetzungen, oder er ist schlichtweg nicht dafür geeignet, weil er den direkten Kontakt zu den Kollegen braucht. Und das wiederum bedeutet auch, dass man den Remote-verwöhnten Mitarbeitern aufzeigen muss, welche Vorteile es hat, im Büro zu arbeiten. Touchpoints für das Socializing zu schaffen ist in der hybriden Arbeitswelt unerlässlich.

Expertenstimmen "Hybrid Work & Collaboration"
Hans-Jürgen Jobst, Avaya
„Während Corona haben wir schon gestaunt, wie wenig remote-arbeitsfähig manche Organisationen waren. Viele hatten Desktop-orientierte Computer, keine VPN-Zugänge und waren kaum digitalisiert. Mittlerweile ist dies bei vielen geregelt und die Tools haben sich gefunden. Doch die Digitalisierung ist nach wie vor ein großes Thema, zum Beispiel bei Workflows im CRM, um mit seinem Rechner und einem Remote-Zugang tatsächlich von überall aus arbeiten zu können.“
Matthias Berchtold, Cisco
„Vor der Pandemie gab es ‚ein‘ Büro. Mit Ausbruch von Corona gab es plötzlich 1000 kleine Büros, verstreut in den Wohnungen und Häusern der Mitarbeiter. Viele Unternehmen versuchen nun mit der gleichen Arbeitsweise wieder das große Büro zu etablieren. Und das funktioniert aus mehreren Gründen nicht: Zu Hause schmeckt der Kaffee besser, meist ist das Internet stabiler, die Atmosphäre angenehmer und der Arbeitsweg entfällt. Es muss also nicht das alte Büro wiederkommen, sondern ein Hub, in dem Zusammenkunft und kreativer Austausch möglich sind und eine Unternehmenskultur entstehen kann.“
Marius Jarzyna, DeskNow
„In meinen Augen ist Hybrid Work zu über 90 Prozent Mitarbeiter-getrieben. Die Unternehmen haben in vielerlei Hinsicht noch nicht verstanden, wo die Vorteile sind und welche Möglichkeiten damit einhergehen. Wir beobachten dies immer wieder in Kundenprojekten: In 75 Prozent unserer Anfragen wurde die HR-Abteilung direkt von den Mitarbeitern angesprochen. Man müsse hybrid werden, um neue Fachkräfte zu bekommen.“
Michael Mirwald, diconium
„Es geht bei Remote Work nicht nur darum, die Technik bereitzustellen. Unternehmen legen im Office so viel Wert auf Ergonomie am Arbeitsplatz. Im Homeoffice ist das alles vergessen und die Leute sitzen wie Gollum vorm Computer. Zur Befähigung sollte also auch gehören, den Mitarbeitern zu Hause einen ordentlichen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Sei es mit der Bereitstellung von Bürostühlen oder auch Yoga-Programmen, damit die Leute in ihren vier Wänden eben nicht so ungesund arbeiten.“
Marie Pötter, DXC
„Wir müssen uns davon lösen, dass Kultur im Büro stattfindet. Wenn man starke Unternehmenswerte hat, die von der Unternehmensführung klar definiert, gut kommuniziert und entsprechend gelebt werden, entsteht viel mehr die Identität im Unternehmen. Und so kommt den Führungskräften auch eine besondere Rolle zu, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für New Work zu schaffen und zum Leben zu bringen, denn sie müssen situativ auf die einzelnen Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen können.“
Ralf Kettnaker, Iron Mountain
„Die Infrastruktur, um Remote zu arbeiten, ist vielerorts vorhanden. Teilweise fehlen aber adäquate Lösungen, wie der digitale Posteingang. Es benötigt schlaue Strategien, um die Arbeit so zu verteilen, dass die Mitarbeiter:innen auch alle Informationen bekommen, die sie für ihre Arbeit benötigen. Und es braucht Strukturen, die den Umgang mit geteilten Dokumenten festlegen. Nicht nur, um in zehn Jahren nicht unter einem Datenberg zu verschwinden, sondern um Effizienz und Compliance sicherzustellen.“
Holger Dörnemann, Nexthink
„Wir haben uns in der Pandemie intensiv mit Kunden beschäftigt, die nicht auf Homeoffice eingestellt waren. Für einige war das aus Sicherheitsgründen nie ein Thema (Verteidigungssektor, Verarbeitung sensibler Daten). Neben der kulturellen Thematik darf man auch die technische Realisierung nicht außen vor lassen. Technik muss daheim wie im Büro einwandfrei und sicher funktionieren. Nichts ist schlimmer als im Homeoffice zu sitzen und nichts funktioniert oder man bietet Angriffsfläche für Hacker – die meisten Unternehmen sehen heute, dass gutes und sicheres IT-Erlebnis trotz gestiegener Komplexität Pflicht und nicht nur Kür ist.“
Jens Reichardt, SPIRIT/21
„Nicht jeder Mitarbeitende hat eine hohe Affinität zu Remote Work. Die Herausforderung liegt vor allem darin, die breite Masse abzuholen. Technik macht dies zwar möglich, löst aber die Grundproblematik nicht. Denn auch beim Arbeiten von zuhause oder unterwegs geht es vor allem um Menschen, die sich austauschen und interagieren wollen. Wenn hybride Arbeitsmodelle dauerhaft funktionieren sollen, reicht es deshalb nicht aus, die notwendigen technischen und ergonomischen Voraussetzungen zu schaffen. Ebenso wichtig ist es, Führungsstil und Kommunikationskultur weiterzuentwickeln und die Büroräume an das veränderte Nutzungsverhalten anzupassen.“
Jens Weller, toplink
„Bei uns sind alle Meetings hybrid ausgelegt, während es bei Workshops eine Präsenzverpflichtung gibt. Da legen wir wirklich Wert darauf, die Mundwinkel zu sehen, die nach untern klappen, oder die unruhigen Beine, wenn eben jemand etwas nicht mit dem Mund sagt. Körpersprache kann ein wichtiges Signal sein, das Aufmerksamkeit benötigt. Und deshalb kann es nicht nur Remote geben, sondern es braucht auch Touchpoints, an denen man sich Zusammenfinden und alle Sinne gebrauchen kann.“

New Work braucht ein neue Führungskultur

Für viele Unternehmen war vor der Pandemie Remote Work unvorstellbar. Nachdem der erste Kulturschock überwunden war, haben aber auch sie gesehen, dass das Business weiterging. Warum sie dennoch ihre Mitarbeiter wieder zurück ins Büro holen wollen? Ihnen fehlt das Grundvertrauen in die Leistungsbereitschaft ihrer Belegschaft. Nach wie vor glauben einige Führungskräfte, dass Mitarbeiter nur dann gut arbeiten, wenn sie präsent und somit sichtbar sind.

Mit ihrem Argument, dass die Produktivität im Homeoffice zurückgeht, haben sie nicht ganz Unrecht: Die Umsetzung interner Projekte verläuft durchaus etwas schleppender. Dem gegenüber steht der Produktivitätsgewinn im B2B-Bereich: Gerade im Vertrieb zeigt sich, dass viele Kunden ein virtuelles Meeting einem persönlichen Besuch vorziehen, da es für sie klare Vorteile bringt: Sie müssen weder einen Besprechungsraum organisieren, noch müssen alle Ansprechpartner vor Ort sein.

Generell hat sich die Meeting-Kultur durch Remote Work klar verbessert. Denn da eine Videokonferenz für gewöhnlich zeitlich begrenzt ist, bereiten sich die Teilnehmer besser darauf vor. Allerdings hat in dieser neuen Kultur auch die Häufigkeit von Meetings zugenommen. Einfach, weil ein paar Klicks reichen, um eine virtuelle Zusammenkunft zu organisieren.

Doch genau hier wird die Kultur auch zum Führungsthema, denn New Work muss limitiert werden. Zum einen gilt es, einen Information Overflow zu verhindern. Das bezieht sich nicht nur auf die Häufigkeit, sondern auch auf die Auswahl der Teilnehmer. Hat denn wirklich jeder, der auf der Einladung steht, auch etwas zum Thema zu sagen? Zum anderen müssen Freiräume für die Mitarbeiter geschaffen werden, da Remote nicht mit einer permanenten Verfügbarkeit gleichzusetzen ist.

Remote Work bringt für Führungskräfte nicht nur die Herausforderung mit sich, das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu vermitteln, um auch diejenigen zu erreichen, die nicht jeden Tag den Arm heben. Sie müssen auch Wege finden, wie mit den Unmengen an Dokumenten, Präsentationen oder Kundeninformationen strukturiert umgegangen wird, die über die verschiedensten Kommunikationstools untereinander geteilt werden. Rechtliche Aspekte wie Aufbewahrungsfristen finden hier nämlich kaum Berücksichtigung und werden somit immer schwieriger zu kontrollieren.

Studie "Hybrid Work & Collaboration 2023": Sie können sich noch beteiligen!

Zum Thema Hybrid Work & Collaboration führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, helfen Ihnen Regina Hermann (rhermann@idg.de, Telefon: 089 36086 161) und Manuela Rädler (mraedler@idg.de, Telefon: 089 36086 271) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF).

IT muss lernen, Hybrid Work zu begleiten

Ein klares entweder oder zu Remote Work wird es kaum noch geben. Vor allem, weil es für Bewerber mittlerweile als selbstverständlich angesehen wird. Und so gilt es mit Hybrid Work die ideale Balance zwischen dem zu finden, was technisch möglich ist, um mobil zu arbeiten, und dem, was sinnvoll ist, im Büro zu praktizieren. Doch ist auch die Technik schon auf die hybride Arbeitswelt ausgelegt? Lassen sich die Tools so einsetzen, dass sie auf die Prozesse passen?

Wer sich bewusst für Hybrid Work entscheidet, der muss an diesem Punkt umdenken und die Prozesse auf dieses Szenario hin abstimmen - von der Datenhaltung über VPN bis hin zur Sicherheit. Der Balance-Akt hier: Auf der einen Seite klar die Verantwortlichkeit zu definieren, wer was wie mit welchem Tool macht. Auf der anderen muss die IT lernen damit umzugehen, dass der selbstbestimmte New Work-Mitarbeiter sich eigene Tools sucht, mit denen er am besten seine Arbeit erledigen kann.

Transparenz am Arbeitsplatz ist für Hybrid Work also unabdingbar, um den Überblick über Software auf den Remote-Endgeräten zu behalten, die Mitarbeiter bei Problemen zu unterstützen und mit entsprechenden Security-Konzepten und Awareness-Trainings die Sicherheit zu gewähren. In der Hybrid Work-Kultur muss die IT das Business als Partner begleiten, die Usability der Tools als Kernanliegen betrachten und ein regelmäßiges, zielgerichtetes Feedback der Nutzer etablieren.

Informationen zu den Partner-Paketen der Studie 'Hybrid Work & Collaboration 2023'