IBM reagiert unter Marktdruck erstaunlich flexibel und zwingt die PCM zum Handeln:

Die Kompatiblen rücken enger zusammen

05.09.1986

Um IBM überprüfen zu können und um Big Blue zu einer flexibleren Preis- und Vertragsgestaltung zu bewegen, halten die meisten Anwender von IBM- und kompatiblen Maschinen die PCM (Plug Compatible Manufacturer) für wichtig. Doch der größte Teil der noch nicht völlig blauen User verhält sich irrational: Trotz der Notwendigkeit des Wettbewerbs wird bei IBM gekauft. Tenor: Nur IBM überlebt. Umstritten ist, ob PCM-Anwender ein höheres Risiko eingehen als IBM-Kunden.

Ein erhebliches, meist persönliches Risiko geht auf jeden Fall der DV-Chef ein, der sich im CPU-Bereich für einen anderen als einen blauen Rechner entscheidet. So lange es der IBM auch heute noch gelingt, über den Vorstand die Entscheidung der DV-Fachleute madig machen zu können, wird jeder Fehler in einer PCM-Konfiguration zu einer Fehlentscheidung des Verantwortlichen. Fehler in einer IBM-Konfiguration hingegen lassen sich bequem auf Big Blue selbst abschieben. An dieser vom Prinzip her unerfreulichen Situation wird erst der auf Vorstandsebene im Unternehmen angesiedelte Informationsmanager etwas ändern können. Wenig hilfreich ist da, weder für das eigene Geschäft noch für die Anwender, wenn der Siemens-Manager Fülling etwa zur Hannover-Messe im März die kühne These wagte, daß es in fünf Jahren keinen PCM-CPU-Markt mehr geben werde.

Neue Faktoren bei der Risikoabwägung

Mit einem neuen Faktor bei der Risikobetrachtung müssen die DV-Verantwortlichen demnächst rechnen, denn der PCM-Markt befindet sich derzeit in einer ebenso interessanten wie unübersichtlichen Phase. Die anstehende BASF-Siemens-Kooperation wird Auswirkungen haben, die momentan nur schwer abzuschätzen sind und zu reichlich Spekulationen Anlaß geben. Immerhin: Die auf einen Schlag entstehende "PCM AG" (Branchenspott) wird mit ihren Hitachi-Produkten dem dann noch im Markt befindlichen Hitachi-Distributor NAS das Leben schwer machen können.

Die NAS-Deutschland-Spitze will dies allerdings nicht wahrhaben. In Frankfurt vertraut die Führungsriege auf Kompetenz, persönliche Beziehungen zum Kunden und Service. Damit ist die Crew im vergangenen Jahr offenbar ganz gut gefahren. Um 20 Prozent sei der Umsatz gestiegen und Gewinn habe es auch gegeben. Doch es gilt in der Branche als ausgemachte Sache, daß sich das NAS-Geschäft überwiegend bei Alt-Kunden, teilweise noch aus der Itel-Zeit, abspielt. Dies ist im Grunde nicht weiter schlimm, beweist es doch, daß die Kunden mit den Produkten, der Betreuung und vielleicht auch dem Preis aus Frankfurt zufrieden sind. Die Frage ist, wie lange man auf diese Weise der München-Mannheim-Connection erfolgreich Widerstand leisten kann.

Amdahl in München ergeht es nicht viel besser. Wie derzeit noch Siemens auch mit Fujitsu liiert, mußte das einst von Ex-IBMer Gene Amdahl gegründete Unternehmen bei den Sierra-Pendants bereits in die Trickkiste greifen: Da Fujitsu zwar einen Rechner in der oberen 3090-Klasse hat, aber nicht sicher ist, ob der auch IBM-kompatibel ist, bastelten die Amdahl Labors mit Fujitsu- und eigenem Know-how "ihr" Spitzenmodell zusammen. Mit gutem Erfolg: Bei der Ankündigung stellte die 5890-Familie mit dem 70-Mips-Modell 600 den schnellsten Rechner für den kommerziellen Einsatz überhaupt.

Auch geschäftlich glaubt der amtierende Geschäftsführer Bryan Little auf der Erfolgsleiter wieder noch oben klettern zu können: In diesem Jahr soll der Rekordumsatz des Jahres 1983 erreicht werden. Auf 115 Millionen Dollar schätzt Little den 1986 erreichbaren Umsatz. Doch der Markt wird enger. Unter dem Eindruck sinkender Erträge heißt das oberste Ziel der IBM: Rückgewinnung der "large accounts".

Sicher ist auch diese Tatsache ein wichtiges Motiv für BASF und Siemens gewesen, neben den ohnehin üblichen Branchengesprächen einmal über etwas konkretes wie die PCM AG zu reden. Dazu dürfte ferner die Erkenntnis gekommen sein, daß es wenig Sinn hat, weiterhin das Gefecht "PCM gegen PCM" auszutragen, sondern daß es wichtiger ist, das Stück "PCM gegen IBM" zu proben und aufzuführen.

Nicht nur Nachteile bei Konzentration

Sollte es zu der gemeinsamen BASF-Siemens-Tochter kommen, so hat dies nicht nur die Nachteile einer Konzentration auf einem ohnehin schon stark eingedampften Markt. Da demnächst nach dem neuen GmbH-Gesetz endgültig die Publizitätspflicht herrscht, kommt mehr Transparenz in den Markt. Diese Transparenz wird auch dem PCM-Kunden nützen, kann er doch erstmals im Bundesanzeiger nachlesen, wie es "seinem" Lieferanten geht.

Bei der BASF und Siemens wäre dies auch nach dem neuen Recht nicht möglich gewesen. Der Anteil des im PCM-Business gemachten Geschäftes verschwand bei beiden Unternehmen unauffindbar in der Konzerngesamtbilanz - ein Grund dafür, warum Gerüchte nicht verstummen wollten, weder das eine noch das andere Unternehmen schreibe beim Geschäft mit IBM-kompatiblem Equipment schwarze Zahlen. Gerüchte, die von den jeweiligen Managern mit schöner Regelmäßigkeit in den Bereich der Fabel verwiesen wurden.

Wo immer die Wahrheit auch liegen mag: Das neue Unternehmen, so es denn tatsächlich zustande kommt, wird aufgrund einer besseren Kostenstruktur und einer wirklich flächendeckenden Präsenz wettbewerbsfähiger sein, als es die zwei Partner allein auf Dauer gewesen wären. Nicht übersehen darf man an dieser Stelle neben den nationalen die europäischen Aspekte der PCM AG. Beide Partner sind in den Ländern des Kontinents unterschiedlich stark vertreten. So ist die BASF beispielsweise schwach in Italien, Portugal und einigen skandinavischen Ländern. Siemens wiederum tut sich schwer in Großbritannien oder Spanien. Die gemeinsame Tochter kann hier zu einem besseren Erfolg in den jeweils "schwachen" Ländern führen.

Preise bei Big Blue jetzt auch flexibel

Auf jeden Fall heißt es, ob man sich nun Amdahl, BASF, NAS, Nixdorf, Siemens oder PCM AG nennt, warme Sachen auszupacken. Denn seitdem Big Blue verschiedene Instrumente zur flexiblen Preisgestaltung entdeckt hat und nicht mehr nur auf Listenpreisen besteht oder Rabatte bestenfalls verdeckt gibt, herrscht Spannung an der Preisfront.

Ein hübsches Instrument sind VPA-Verkäufe (Volume Purchase Agreements). Diese besonderen Bedingungen für Großkunden erlauben der IBM höchst bewegliche Preise bieten zu können. Grundsätzlich sind derartige Sonderbedingungen für Großkunden nichts außergewöhnliches und werden sowohl von anderen Unternehmen der DV-Branche angewendet, wie sie auch in anderen Branchen an der Tagesordnung sind. Bemerkenswert ist ja auch nur, daß ausgerechnet IBM, neben Daimler Benz der letzte Hort einigermaßen fester Preise, offensichtlich unter dem (PCM-)Druck des Marktes zu weitergehenden als den bis dahin üblichen Maßnahmen gegriffen hat.

Dabei stellt sich für den Anwender schnell die Frage, wann ein Kunde zu einem Großkunden wird und was die genaue Definition von "Volumes" ist. Diese Frage beantwortet Big Blue nur scheinbar eindeutig. Offiziell gehen etwa die VPA-Rabatte bis 29 Prozent. Doch die Branche munkelt von Einzelfällen, wo der Nachlaß schon mal 49 Prozent betragen haben soll.

Schwache Leistung im Software-Sektor

Damit können PCM-Geschäfte für den privilegierten IBM-VPA-Kunden leicht uninteressant werden. Diese "neue Flexibilität" des blauen Riesen wird die PCMs besonders schmerzen, war dieser Sektor doch eine ihrer Domänen. Keine Bedingung konnte so exotisch sein, daß nicht darüber nachgedacht worden wäre, wie sie sich realisieren ließe.

Nur im Software-Sektor tut sich bei den PCMs fast nichts, hier sind sie äußerst schwach. Die Folge davon ist, daß beispielsweise die Lizenzgebühren für Betriebssysteme oder auch für die Software zum Betrieb des Laserdruckers 3800 fast nach Gutdünken von IBM festgelegt werden können. Wo kein Wettbewerb herrscht, hat der Anwender das Nachsehen.