Sven Lorenz, Porsche

Die IT atmet im Standard

29.11.2006 von Frank Niemann
Porsche unterwirft die IT den Spielregeln der Autoindustrie: Ein möglichst standardisiertes Vorgehen ist gepaart mit enger Einbindung von Zulieferern. IT-Leiter Sven Lorenz sorgt dafür, das seine DV atmet und so Bedarfsschwankungen ausgleicht.

"Die IT muss manchmal Spielverderber sein", beschreibt Sven Lorenz sein Verhältnis gegenüber allzu individuellen Wünschen für die Ausstattung der Prozesslandschaft im Hause Porsche. Der Leiter Informationssysteme beim Fahrzeugbauer aus Zuffenhausen bei Stuttgart meint damit, Standardisierungsbemühungen und Infrastrukturentscheidungen auch mal durchzusetzen, wenn nicht alle Beteiligten damit einverstanden sind.

Erfolgsbausteine

  • Fahrzeuglogistik mit hoher Prozessintegration in der internen Lieferkette (Planung, Auftrags- und Ressourcen-Management);

  • Ersatzteillogistik mittels integriertem System für Auftragsabwicklung, Bestandsführung, Planung und Disposition;

  • CAD-Konstruktion mit enger Kopplung der Produktstruktur-, Lage- und Geometriedaten.

Standardisierung bedeutet für den IT-Manager jedoch nicht, auf Individualität ganz zu verzichten. Denn dort, wo sich Porsche mittels IT von anderen Autoherstellern differenzieren kann, ist durchaus Raum für Eigenentwicklungen, und der wird auch genutzt. Beispielsweise setzt das bislang größte IT-Projekt "Porsche Integriertes Auftrags- und Ressourcen-Management" (PIA) zwar unter anderem auf dem Standardprodukt " SAP Supply Chain Management" auf, wurde aber durch selbst entwickelte Erweiterungen ergänzt. Standardmäßig gestattet das Modul "Reservation Planning" etwa, einen Kundenauftrag in das Auftragsbuch einzubuchen und nach Prüfung aller erforderlichen Kapazitäten und Ressourcen dem Kunden sofort den Fertigstellungstermin zu nennen. Damit dies aber anhand einstellbarer Kriterien in optimierter Weise erfolgt, wurde das SAP-Standardmodul durch individuelle Erweiterungen ergänzt.

Vom Hersteller zum Anwender

Darüber hinaus macht PIA die Auftragskette vom Händler über den Importeur bis zu Porsche transparent. Um Porsche-Käufern die Möglichkeit zu geben, die Ausstattung ihres Neuwagens auch sehr spät im Prozess noch zu ändern, gestattet es das Auftrags-Management-System, bestimmte Merkmale noch bis kurz vor Produktionsbeginn zu modifizieren, wenn die Fahrzeugproduktion bereits angelaufen ist. PIA löste eine Reihe von Systemen ab, die mit dem wachsenden Fahrzeugverkauf sowie der erforderlichen Flexibilität nicht mehr Schritt halten konnten.

CIO des Jahres: Sven Lorenz
Sven Lorenz
"Damit bin ich arbeitsfähig." Sven Lorenz und sein ständiger, mobiler Begleiter.
Sven Lorenz
Bei Porsche hat Sven Lorenz ein integriertes Auftrags- und Ressourcen-Management eingeführt, das Änderungen noch kuuz vor Produktionsbeginn gestattet.
Sven Lorenz
IT nach den Spielregeln der Autoindustrie. Sven Lorenz setzt auf Standards und enge Einbindung der Zulieferer.

IT-Lenker in einem Unternehmen zu sein, dessen Kernkompetenz der Bau von Premiumfahrzeugen ist, gestaltet sich nicht immer einfach. Neuland war dies für Lorenz schon deshalb, weil er, bevor er vor fast fünf Jahren beim Sportwagenhersteller anheuerte, jahrelang Positionen auf der Anbieterseite (IBM und A.T. Kearney) bekleidet hatte und somit an Informationsverarbeitung ganz anders heranging als die Nutzer. "Es kommt darauf an, den strategischen Zweck der IT klar zu machen, und zwar nicht nur einmal, sondern dauernd", lautet Lorenz´ Motto inzwischen. Ein offenes Ohr bei den Fachbereichen haben Lorenz und sein Team gefunden, weil sie bei IT-Projekten ähnlich vorgehen, wie es Autofirmen während der Entwicklung neuer Fahrzeuge tun. Wie beim Entwurf eines neuen Sportwagens stimmen sich auch bei neuen IT-Vorhaben alle Beteiligten - also IT- und Fachbereiche - untereinander ab und binden ihre Zulieferer (in diesem Fall die IT-Dienstleister) frühzeitig ein. Lorenz betrachtet die IT innerhalb des Unternehmens als Angebotsseite, während die Fachbereiche die Rolle des Bedarfsträgers einnehmen.

Um Fach- und IT-Leute an einen Tisch zu bringen, wurde ein "Business IT Integration Board" ins Leben berufen. Dieses monatlich tagende Gremium, in dem auch Lorenz sitzt, wird von Fachbereichsleitern dominiert. Es legt das Projektprogramm für das nächste Jahr sowie die IT-Investitionen fest. Die Art und Weise der Realisierung, dass heißt mit welchen Software-Plattformen und Techniken das Projektprogramm umgesetzt wird, koordiniert ein "IT Architecture Board", das sich aus IT-Leitern von Porsche sowie den genannten Partnern und Porsches IT-Töchtern zusammensetzt. Auch auf Projektebene sitzen IT- und Fachexperten Seite an Seite, während ebenso paritätisch besetzte Lenkungskreise die Ressourcen bedarfsgerecht den einzelnen Projekten bereitstellen und die Projekte überwachen.

Die IT muss skalierbar sein

IT-Lieferanten sind unter anderem die IT-Tochter Mieschke Hofmann und Partner (MHP) sowie die für Infrastrukturbetrieb zuständige Tochtergesellschaft Porsche-Information-Kommunikation-Services GmbH (PIKS). Während sich die MHP um Prozessberatung, Anwendungsentwicklung und -betrieb kümmert, hält die PIKS die Rechenzentren und Datennetze am Laufen. Obwohl zum Konzern gehörend, muss sich MHP jedoch wie andere Anbieter auf dem freien Markt um Projekte bewerben, ist also nicht von vornherein gesetzt.

Zu den großen Herausforderungen in seinem Job zählt der IT-Lenker des Zuffenhausener Sportkarossenanbieters, Schwankungen im IT-Bedarf auszugleichen. Die IT müsse skalierbar sein - der Informatiker spricht hier von der "atmenden IT" -, da auch der Bedarf nicht immer gleich bleibt. Offenbar wurde an den richtigen Stellschrauben gedreht: Mit etwa der gleichen Anzahl an internen Kräften stemmt das Lorenz-Team mittlerweile einen Projektrahmen, der dreimal so umfangreich ist wie früher. Möglich war dies nach Überzeugung von Lorenz aus drei Gründen: ein standardisiertes "Porsche-Vorgehensmodell", das genau auf die Arbeitsweise bei Porsche zugeschnitten ist; ein reger Wettbewerb unter, - und eine optimierte Zusammenarbeit mit den IT-Zulieferern, sowie Mitarbeiter, die neben IT-Know-how gelernt haben, wie man Projekte professionell plant und steuert. Das Vorgehensmodell basiert auf bewährten Methoden (V-Modell) und legt unter anderem Verantwortlichkeiten und Rollen der Beteiligten fest.

Zur Person

  • Seit 2002 Leiter Informationssysteme bei Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG;

  • 1997 bis 2001 Deutsche Post Com GmbH, Geschäftsführer;

  • 1996 bis 1997 A.T. Kearney Management Consultants, Manager;

  • 1990 bis 1995 IBM Deutschland, Projektleiter;

  • Studium der Informatik und Betriebswirtschaftslehre, Promotion.

Was Lorenz motiviert, ist das gute Gefühl, mit seiner Arbeit einen Beitrag zum Kerngeschäft des Fahrzeugbauers zu leisten. Da im Fahrzeugbau eine enge Abstimmung zwischen dem Vertrieb, der Produktion und der Ersatzteillogistik Entwicklung erforderlich ist, ziehen sich auch die IT-Prozesse bei Porsche durchgängig durch alle Unternehmensbereiche. Bis auf wenige Ausnahmen legt die zentrale DV-Organisation in Zuffenhausen die systemgestützten Abläufe fest.

Neues Logistiksystem

Zu den wichtigsten von Lorenz abgeschlossenen Projekten zählen neben dem bereits erwähnten PIA ein CRM-System ("C@P"), das zunächst als Pilot in der US-amerikanischen Dependance eingeführt wurde. Damit Porsche-Fahrer in der ganzen Welt nicht lange auf Ersatzteile warten müssen, hat die Firma ein umfängliches umfassendes Logistiksystem entwickelt und rollt es weltweit aus. Genau genommen sind es zwei Lösungen: Mit "Portello" (Zentralsytem) und "Polaris" (Importeurs- und Händlersystem) wurde ein zentrales Element von Porsches globaler Ersatzteilstrategie umgesetzt.

Buch-und Filmtipp

Hornby, Nick: Fever Pitch

Passend zur WM dreht sich in dem Buch alles um Fußball.

Film: Ich empfehle "Ray", weil es nicht nur ein hervorragender Musikfilm ist, sondern zeigt, dass Qualität sich durchsetzt - auch unter widrigen Umständen.