Offshoring in Deutschland

Die Inder sind da

06.09.2010 von Joachim Hackmann
Die indischen Offshore-Provider drängen auf den deutschen Markt, indem sie eigene Experten einfliegen und hiesige Mitarbeiter einstellen. Doch in der Praxis sind viele Probleme noch ungelöst.
Quelle: Torsten Gründer
Foto: Torsten Gründer

Für Anwender gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten, um IT-Experten aus Indien oder anderen Regionen in ihre Abläufe beziehungsweise Projekte einzubinden: Sie können entweder einen etablierten Dienstleister wie Hewlett-Packard, IBM, T-Systems, Accenture oder Capgemini verpflichten, der für den Servicebetrieb einen Mix aus Onsite- und Offshore-Kapazitäten zusammenstellt. Oder sie wenden sich direkt an einen indischen IT-Dienstleister, der versuchen wird, seinen Kunden mit möglichst wenigen Mitarbeitern vor Ort zu betreuen. Die dritte Möglichkeit für Unternehmen, selbst Offshore-Standorte aufzubauen, kommt in der IT kaum vor.

Der Wettbewerb um potenzielle Kunden ist zwischen diesen Anbieterlagern in vollem Gang: Auf der einen Seite stehen die hiesigen Dienstleister mit ihren guten Kundenkontakten und Billiglohnkräften im Hintergrund. Auf der anderen Seite werben die indischen Provider mit ihren enormen Personalkapazitäten und ihren erprobten und etablierten Prozessen für den Servicebetrieb. Sie bauen derzeit ihre lokalen Standorte aus.

Know-how-Schmiede Indien

Der Offshoring-Standort der Wahl ist derzeit Indien, weil es dort sehr viele gut ausgebildete IT-Experten gibt. Allesamt können die Anbieter auf enorme Ressourcen zurückgreifen. Beispielsweise beschäftigt IBM unbestätigten Quellen zufolge mehr als 100.000 Experten auf dem Subkontinent, und damit ungefähr genauso viele wie im Stammland USA. Accenture hat dort 50.000 IT-Spezialisten in Lohn und Brot, und Capgemini kann rund 23.000 indische Kollegen in IT-Projekte einbinden. Damit kommt jeder vierte Capgemini-Mitarbeiter aus Indien.

Auf noch mehr Personal können die indischen Dienstleister selbst zurückgreifen. Die großen Drei sind Tata Consultancy Services (TCS) mit 140.000 Mitarbeitern sowie Infosys und Wipro mit 110.000 beziehungsweise 105.000 Beschäftigten. Der größte Teil von deren Mitarbeitern kommt jeweils aus Indien.

Alle genannten Unternehmen profitieren von den indischen Universitäten, die für ihre gute Ausbildung bekannt sind. Allerdings können sie den enormen Bedarf an Akademikern kaum decken: "Die Belegschaften in der indischen IT-Industrie sind in den vergangenen Jahren immer zweistellig gewachsen, in Spitzenzeiten sogar um 25 Prozent per annum. Die Zahl der Hochschulabsolventen in IT-nahen Studiengängen steigt aber pro Jahr um lediglich vier Prozent", berichtet Wolfgang Messner, Principal und Head of Offshore Delivery bei Capgemini.

Daher unterhalten alle IT-Dienstleister hausinterne Universitäten in denen sie auch fachfremde Akademiker weiterbilden. Nur so können sie den großen Hunger der IT-Industrie nach Fachkräften stillen. Capgemini unterrichtet neue Kollegen beispielsweise drei Monate in eigenen Schulungszentren und stellt sie dann für weitere Monate erfahrenen Mitarbeitern zur praxisnahen Ausbildung zur Seite, bevor sie in einem Projekt ihre ersten eigenen Aufgaben bekommen.

Warum die Inder nach Deutschland kommen

Lange Zeit haben die indischen Provider den deutschen Markt ignoriert. Lukrative Aufträge in den USA und Großbritannien reichten ihnen aus. "Innerhalb von zehn Jahren ist Infosys von 5000 auf 110.000 Mitarbeiter gewachsen, getrieben hauptsächlich von der gewaltigen Nachfrage auf dem angloamerikanischen Markt", schildert Franz-Josef Schürmann, Deutschland-Chef von Infosys, die rasante Entwicklung der vergangenen Jahre. "Angesichts eines solchen Wachstums standen Deutschland und Europa nicht so sehr im Fokus."

Quelle: Torsten Gründer
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Grund für die Konzentration auf den britischen und amerikanischen Markt ist unter anderem, dass den Indern dort die Geschäfte leichter fallen. Es gibt keine Sprachbarriere, denn alle Partner sprechen englisch. Zu britischen Unternehmen unterhalten die Firmen vom Subkontinent aufgrund der gemeinsamen Historie traditionell enge Beziehungen. Und die Amerikaner sind wegen ihrer Entscheidungsfreude gern gesehene Kunden in Indien.

Doch die Finanz- und Wirtschaftskrise hat den indischen Unternehmen ihre Abhängigkeit vom angloamerikanischen Markt und die damit verbundenen Gefahren deutlich gemacht. Viele Provider zählten britische und amerikanische Banken zu ihren größten Kunden. Gerade diese Klientel war sehr stark von der Rezession betroffen. Ihre Umsatz- und Gewinneinbußen haben auch die IT-Dienstleister belastet.

Aber schon vor der Weltwirtschaftskrise hat sich angedeutet, dass die Wachstumsraten des angelsächsischen Offshoring-Markts abflachen und kaum mehr die Höhen vergangener Jahre erreichen werden. Besonders die börsennotierten indischen Provider stehen aber in der Pflicht, ihre Erfolgsstory fortzuschreiben. Diese Unternehmen sind von ihrer ganzen Aufstellung her auf schnelles Wachstum ausgerichtet.

Zudem fordert die Globalisierung auch die Inder heraus. Große Kunden in den USA und Großbritannien verlangen weltweite Präsenz von ihren Dienstleistern. Sie müssen Services auch in Ländern wie Deutschland und Frankreich anbieten und dort lokale Ansprechpartner bereitstellen. Last, but not least bietet der hiesige Markt viel Potenzial. "Bislang ist Offshoring in deutschen Unternehmen wenig verbreitet", sagt Horst Plieske, Geschäftsführer vom indischen IT-Dienstleister HCL in Deutschland. "Das wird sich ändern, vielleicht nicht so schnell, wie es wünschenswert wäre, aber der Markt wird nachhaltig wachsen."

Warum Anwender offshore auslagern

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Es sind vor allem die niedrigen Kosten, die die Nachfrage nach Leistungen aus Niedriglohnländern attraktiv machen. Das hat sich besonders in den vergangenen Jahren gezeigt, als die gesamte deutsche Wirtschaft einbrach und die IT-Abteilungen den Gürtel deutlich enger schnallen mussten. "Kosten können Kunden im laufenden Betrieb sparen, indem sie die Service-Level-Agreements reduzieren oder die Deal-Struktur ändern. Wenn sie Letzteres tun, bedeutet das meistens mehr Offshoring- und weniger Onsite-Komponenten", erklärt Frank Ridder, Vice President bei Gartner. "Spätestens an diesem Punkt kommen die indischen Provider ins Spiel. Dadurch hat sich das Interesse an Offshoring im vergangenen Jahr enorm gesteigert."

Selbst Unternehmen, die ihre internen Abläufe schon verbessert haben, sind für die Dienste der externen Anbieter empfänglich - berichtet Holger Reimers, der als Vice President des indischen BPO-Anbieters Genpact die Geschäfte in Deutschland verantwortet: "95 Prozent der Dax-Unternehmen betreiben ihre internen Dienste bereits als Shared Service Center. Diese Einrichtungen können sie nur mittels Offshoring auf die nächste Effizienzstufe hieven. Wollen sie das Center selbst beispielsweise nach Indien verlagern, müssen sie den gesamten aufwendigen Veränderungsprozess, den sie mit dem Aufbau durchlaufen haben, erneut starten. Was liegt näher, als einen Spezialisten ins Boot zu holen." Dabei positioniert sich Genpact als Ergänzung zu den internen Shared Service Centern.

Doch eigentlich möchten die indischen Provider das Image des billigen Anbieters ablegen, sie sehen sich lieber als Vermittler hochqualifizierter Experten. Infosys behauptet beispielsweise, nur die besten zwei Prozent aller Universitätsabsolventen zu rekrutieren. Sie werden für 16 Wochen an der eigenen Hochschule im indischen Mysore auf den Job vorbereitet. Den rund 10.000 Infosys-Studenten stehen etwa 500 Professoren zur Seite.

"Diese Studenten geben sich nicht mit der Rolle an der verlängerten Werkbank zufrieden. Sie wollen Lösungen und Prozesse verändern und verbessern. Dort entstehen Ideen, die sich deutsche Unternehmen zu eigen machen sollten, wenn sie im globalisierten Markt konkurrenzfähig bleiben wollen", empfiehlt Schürmann. Für die IT bedeutet dies beispielsweise, dass sie vorgefertigte Methoden und Modelle der Offshore-Anbieter übernimmt und so die eigenen Abläufe industrialisiert.

Auch die Diskussion über den Fachkräftemangel in Deutschland spielt den Providern in die Hände, denn sie können im großen Stil Experten zur Verfügung stellen, nach denen hiesige Anwender händeringend suchen. "Der Markt für technische Berufe hat in Deutschland die Vollbeschäftigung erreicht. Das ist der größte Treiber für das Offshoring", meint Rohan Joshi, Geschäftsführer von L&T Infotech in Deutschland. Der Anbieter versorgt vornehmlich mittelständische Fertiger mit Engineering-Services.

Die Offshoring-Probleme

Quelle: Torsten Gründer

Dennoch wird das Offshoring-Business in Deutschland kein Selbstläufer. Schon früherer haben die Inder versucht, vom Ausland aus das hiesige Geschäft anzukurbeln - mit bescheidenem Erfolg. Die Geschichte der indischen Anbieter in Deutschland ist geprägt von wechselnden Geschäftsführern und Ansprechpartnern, Missverständnissen, kulturellen Unterschieden, ausufernden Projekten und unzufriedenen Kunden.

"Wir hatten Budget-Überschreitungen im siebenstelligen Bereich", schimpft ein Anwender, der nicht genannt werden möchte. "Die Inder haben wochenlang gearbeitet und Kosten produziert, aber nicht das Ergebnis abgeliefert, das wir erwartet haben." Die Geschäftsbeziehung zu beenden kam nicht in Frage, weil das Topmanagement auf Offshoring beharrte. Angesichts dieser schlechten Erfahrung hat sich die IT-Abteilung in den Folgeprojekten entschlossen, die indischen Kollegen durch eigene Mitarbeiter eng zu führen. Dadurch stiegen zwar die internen Kosten, doch die externe Rechnung fiel erfreulich gering aus, so dass das Management das Projekt als Erfolg wertete.

Auch die Sprache erwies sich als Problem, und zwar nicht in der Kommunikation zwischen den Geschäftspartnern, sondern in der Dokumentation. Aufgabe des indischen Anbieters war die Überarbeitung einer alten Software. Die Erläuterungen im Softwarecode hatten die früheren Programmierer in Deutsch verfasst. Damit konnten die indischen Experten wiederum nicht arbeiten, so dass die IT-Abteilung eigene IT-Kräfte für die Übersetzung abstellen musste. Das missfiel den internen Mitarbeitern, sie empfanden die externen Spezialisten als zusätzliche Belastung.

Als Kernproblem erwiesen sich jedoch die kulturellen Unterschiede. Womit die Deutschen schwer zurechtkamen, war die strenge Hierarchie in Indien. An den Diskussionen in Projekt-Meetings beteiligten sich ausschließlich die Projektleiter. Die ebenfalls anwesenden Spezialisten hätten mit ihrem technischen und fachlichen Know-how Unklarheiten beseitigen können. Doch sie schwiegen. Die Auswirkungen waren gravierend: "Der indische Partner hatte nicht verstanden, was wir von ihm wollten, und konnte dadurch den Aufwand nicht abschätzen", berichtet der Anwender. Der genaue Blick auf je ein Angebot eines indischen und eines deutschen Providers zeigte, dass die Inder im Vergleich zu den Deutschen mit mehr als dem vierfachen Aufwand kalkuliert hatten. Nur wegen der niedrigen Personalkosten fiel das indische Angebot dennoch um rund zehn Prozent günstiger aus.

Heikel war zudem jegliche Art von Kritik. Probleme direkt und unverblümt anzusprechen, widerspricht dem indischen Höflichkeitsempfinden. Die Kritisierten stellten - so die Erfahrung des Anwenders - die Arbeiten ein oder boykottierten sie. Grundsätzlich hielten sich die indischen Spezialisten damit zurück, Schwierigkeiten im Projekt zu melden. Die Fehler mussten später unter Zeitdruck behoben werden. "Die indischen Kollegen sind sehr gut ausgebildet. Dennoch ist die Zusammenarbeit in komplexen Projekten schwierig, weil sie sehr eng geführt werden müssen. Die dadurch anfallenden internen Kosten machen den Business Case nahezu unkalkulierbar", resümiert der Anwender. Offshoring sei vor allem für wiederkehrende, standardisierte und einfache Arbeiten gut geeignet.

Wie Offshoring funktionieren kann

Quelle: Torsten Gründer

Viele Probleme betreffen nicht nur die indischen Provider, sondern jeden Dienstleister, der Offshore-Komponenten in Kundenprojekte integriert. "Es ist unrealistisch, den Kundenkontakt auf die deutsche Schnittstelle zu begrenzen. Der direkte Draht zu den Spezialisten ist in vielen Fällen wichtig", berichtet etwa Wolfgang Messner, Principal und Head of Offshore Delivery bei Capgemini. Alle Anbieter wissen um die Schwierigkeiten und arbeiten intensiv daran, sie zu beheben. Capgemini bittet beispielsweise in vorbereitenden interkulturellen Schulungen die Kollegen aus beiden Ländern die jeweils andere Seite zu charakterisieren, mit erstaunlichen Ergebnissen.

Die Deutschen empfinden die Inder als unverbindlich, unzuverlässig, unqualifiziert, passiv und unselbständig. Die Inder urteilen über die Deutschen, sie seien qualitätsfixiert, aggressiv, gefühllos, unsozial, perfektionistisch und arbeitswütig. Die hiesigen Projektmitglieder wiederum reagieren verschnupft, wenn die Inder unvoreingenommen Deutschland mit Hitler und der Nazivergangenheit assoziieren. Die Inder sind betroffen, wenn Deutsche vom Subkontinent nur Fakire, Elefanten, Armut und das Kastensystem kennen.

Um Vorurteile abzubauen und eine Grundlage für die Zusammenarbeit zu schaffen, richtet Capgemini vor jedem Vorhaben einen eintägigen Workshop mit indischen und deutschen Mitarbeiten sowie den Kunden aus. "Wenn die Projektmitglieder die sozialen und geschichtlichen Hintergründe und ihre unterschiedlichen Wertesysteme verstehen, können sie die Eigenheiten in der Kommunikation und Zusammenarbeit besser einordnen", beschreibt Messner, der viele Jahre in Indien gearbeitet hat.

Entscheidend ist seiner Meinung nach zudem die Zusammensetzung des Teams: Sowohl in Indien als auch in Deutschland installiert der Dienstleister einen Projektleiter. Der eine kennt die Abläufe und Ansprechpartner des Kunden, der andere koordiniert die Arbeiten in Indien. Beide sprechen zusammen mit dem Kunden die Zeitpläne, Kommunikationswege, Aufgaben und Governance-Themen ab. Für viele Abläufe hat Capgemini Prozesse und Templates eingerichtet, die den Projektmitgliedern Orientierung bieten.

Angesichts der enormen Fluktuation in Indien ist zudem die laufende Dokumentation wichtig, damit Aufgaben möglichst reibungslos übergeben werden können. "Erfahrenen indischen Mitarbeitern muss man Führungspositionen anbieten, den jungen Kollegen interessante Aufgaben, um sie im Job zu halten", weiß Messner. Spätestens seit der Finanzkrise seien die Zeiten vorbei, in denen die Inder mit jedem Arbeitsplatzwechsel plötzlich 40 Prozent mehr verdienen konnten.

Das Offshoring-Geschäft wächst schnell

Im weltweiten Offshoring-Geschäft werden laut IDC-Erhebung in diesem Jahr rund 32,3 Milliarden Dollar umgesetzt. Bis 2014 soll der Markt um jährlich 6,6 Prozent auf 42,8 Milliarden Dollar wachsen, mehr als 60 Prozent davon stammen von US-amerikanischen Anwendern.

Nach einer Studie vom indischen Branchenverband Nasscom und Pricewaterhouse Coopers (PWC) umfasst der Markt im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich und Schweiz) rund 5,6 Milliarden Dollar. Allerdings schließt die Summe sowohl Offshore- als auch Nearshore-Dienste ein. Der Nasscom-Analyse zufolge werden derzeit lediglich 25 Prozent der Dienste nach Indien vergeben. Der Großteil der fremdbezogenen Services, knapp 70 Prozent, kommt aus Osteuropa und Russland.

Die vergleichsweise geringe Präsenz der indischen Provider im hiesigen IT-Servicegeschäft bestätigen auch die Marktforscher von PAC. "Die größten indischen Anbieter im deutschen Markt sind Infosys und TCS. Beide nähern sich der Umsatzmarke von 100 Millionen Euro", erläutet Klaus Holzhauser, Director bei Pierre Audoin Consultants (PAC). "Keiner hat bis dato den Sprung in die Liste der 20 umsatzstärksten IT-Service-Provider in Deutschland geschafft."

Die Inder bauen deutsche Dependancen aus

Vergleichbare Ablaufmodelle betreiben alle Anbieter. Die indischen Provider sehen sich im Vergleich zu den westlichen Konkurrenten im Vorteil, weil inzwischen über genügend Erfahrung verfügen und nach eigener Einschätzung auch ohne die Vermittlungsleistung etablierter Service-Provider wie IBM & Co hochwertige Dienstleistungen bereitstellen können. Die dringendste Aufgabe für die Anbieter ist, ihre Standorte in Deutschland zu stärken.

Konkurrenz der Offshore-Regionen
Indien: Trend- und Taktgeber
Indien ist Pionier sowie Trend- und Taktgeber im Offshore-Markt. Doch das Land muss sich neuer Konkurrenz erwehren, denn Offshore-Services lassen sich weitgehend ortsunabhängig beziehen. Längst haben auch andere Länder das Geschäft entdeckt und bieten IT-Dienste an.<br/><br/> (Foto: T.Gründer)
Malaysia: Der Staat fördert die IT
Als Konkurrenz für Infrastrukturservices hat sich seit geraumer Zeit Malaysia positioniert. In Cyberjaya, einem staatlich eingerichteten IT-Park vor den Toren von Kuala Lumpur, haben sich vorwiegend Data-Center-Betreiber angesiedelt. Sie bieten von dort aus ähnliche RZ-Dienste an wie die Provider in Singapur, allerdings in der Regel zu etwas günstigeren Bedingungen.<br/><br/> Foto:Torsten Gründer
Dubai: Teueres Pflaster
Dubai startete vor wenigen Jahren mit der Gründung der Dubai Internet City in das Geschäft mit IT-Offshoring. Der Wüstenstaat vergibt für die Ansiedlung in dem Industriepark Lizenzen an internationale IT-Dienstleister. Die in den Emiraten für den globalen Markt betriebenen Services ranken sich vornehmlich um die IT-Infrastruktur und das Projekt-Management.<br/><br/> Foto:Torsten Gründer
Südafrika: Gute Voraussetzungen, wenig Ertrag
Die gleiche Zeitzone wie Mitteleuropa und eine enorme Sprachenfülle sind eigentlich ideale Voraussetzungen für einen erfolgreichen Offshore-Standort, doch bislang konnte Südafrika seine guten Möglichkeiten nicht ausschöpfen. Das Land kommt kaum über den Betrieb von einfachen Call-Center-Services etwa für amerikanische Banken hinaus. Nach wie vor behindern große Bildungsunterschiede, ein aus historischen Gründen teilreglementierter Arbeitsmarkt sowie eine schwache IT-Branche die Entwicklung der Offshore-Industrie.<br/><br/> Foto:Torsten Gründer
Fundierte Standortwahl
Torsten Gründer: "Die Zahl der IT-Offshore-Standorte nimmt weiter rasch zu. Nicht alle lokalen Anbieter sind indes reif genug, um IT-Dienste für Anwender betreiben zu können. Die Offshore-Dienstleister unterscheiden sich erheblich, so dass Unternehmen, die IT-Services aus entfernten Regionen nutzen möchten, sich intensiv informieren sollten. Der Entscheidung sollte eine detaillierte Nutzenanalyse und eine fundierte Standort- und Dienstleisterwahl vorausgehen. Unbedingt dazu gehört ein Besuch vor Ort."

Sie suchen daher intensiv nach deutschen Spezialisten. Infosys plant beispielsweise in den kommenden Monaten über 100 Einstellungen und möchte innerhalb der kommenden drei Jahre das Team verdoppeln. Auch HCL, Tata Consultancy Services (TCS), Genpact und L&T Infotec planen, ihre deutsche Belegschaft aufzustocken, halten sich mit der Veröffentlichung konkreter Zahlen aber zurück. Der Fachkräftemangel macht auch ihnen zu schaffen. Daher schauen die Unternehmen sich auch nach Alternativen um und suchen nach Beratungshäusern, die sie übernehmen können.

Eine weitere Alternative praktiziert seit rund zwei Jahren T-Systems mit dem Offshore-Spezialisten Cognizant. Die Kooperation verlaufe sehr gut, betonte ein T-Systems-Sprecher auf Anfrage, man habe bereits mehr als 100 Projekte gemeinsam betrieben. Auch Tata Consultancy Services (TCS) und Bearingpoint haben kürzlich eine europäische Partnerschaft vereinbart. Doch eine Kooperation gilt den meisten Providern als schlechteste Alternative, weil die Beteiligten vor allem ihrem eigenen Geschäft verpflichtet seien. "Ein partnerschaftliches Projekt, das von einem Offshore-Spezialisten und einem westlichen Provider gemeinsam betrieben wird, ist in der Regel nicht so effizient wie ein Vorhaben, dass ausschließlich mit eigenen Mitarbeitern betrieben wird. Erfahrungsgemäß gibt es immer Reibungsverluste zwischen den Partnern", kommentiert Klaus Holzhauser, Director bei Pierre Audoin Consultants (PAC).

Ist der Markt reif?

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Die steigenden Investitionen der Inder in Mitarbeiter und Niederlassungen sowie erste Übernahmen zeigen, dass die Dienstleister den deutschen Markt als strategisches Geschäftsfeld einordnen. Anfang August hat beispielsweise Wipro das Rechenzentrum der Citibank in Meerbusch übernommen. TCS betreibt bereits seit längerem ein Data Center in Düsseldorf, das der Anbieter von Nokia gekauft hat. "Wir werden die Niederlassung ausbauen, um von dort aus weitere Kunden zu gewinnen und zu betreuen. Düsseldorf ist ein wichtiger Baustein unserer Lokalisierungsstrategie", sagt Sapthagiri Chapalapalli, Deutschland-Geschäftsführer von TCS.

Zuversichtlich sind die indischen Anbieter, weil sich das Outsourcing in Deutschland in den vergangenen Jahren etabliert hat und viele Unternehmen bereits entsprechende Abläufe zur Provider-Steuerung eingeführt haben. Der Schritt zum Offshoring ist dann nicht mehr weit. Besonders affin zeigen sich Konzerne und Mittelständler, die auch sonst international aufgestellt sind. Sie haben weniger Berührungsängste, weil sie oft selbst Geschäftskontakte zu Firmen in den aufstrebenden Industrienationen unterhalten. "Ob sie es wollen oder nicht: Die Deutschen werden mit Indern und Chinesen zusammenarbeiten müssen, weil diese Länder bedeutende Absatzmärkte sind", betont L&T-Infotec-Manager Joshi. "Also sollten die Anwender besser heute als morgen damit beginnen, Erfahrungen zu sammeln."

Outsourcing Dienstleister

Firmenname

Mahindra Satyam

Geschäftsführer in Deutschland

Klaus Gronwald

Mitarbeiter in Deutschland

500

Offshore-Mitarbeiter weltweit

29.000

Portfolio in Deutschland

Engineering-Services, IT-Services.

Branchenschwerpunkte

Engineering: Automotive und Raumfahrt;

IT-Outsourcing: Finanzdienstleister, Telekommunikation, chemische Industrie, Fertigung.

Firmenname

HCL

Management in Deutschland

Horst Plieske

Mitarbeiter in Deutschland

350

Mitarbeiter weltweit

62.000

Portfolio Deutschland

Product Engineering, BPO, IT-Infrastrukturdienste, Systemintegration, Outsourcing.

Branchenschwerpunkte

Finanzdienstleister, verarbeitende Industrie, ICT, Gesundheit.

Referenzkunden in Deutschland

Allianz, Commerzbank, Continental, Deutsche Bank, Linde, MAN, SAP, Siemens, VW.

Firmenname

Infosys Technologies Ltd.

Management in Deutschland

Franz-Josef Schürmann

Mitarbeiter in Deutschland

350 (700 geplant)

Mitarbeiter weltweit

Knapp 115.000

Portfolio in Deutschland

Transformationsprojekte, Applikationsentwicklung, Infrastrukturpflege, Engineering-Services, Produktionssupport.

Kundenschwerpunkte

Dax-Konzerne und der gehobene Mittelstand in den Branchen Automotive, Chemie, Pharmazie, Elektronik und Energie.

Referenzkunden

Daimler, Adidas.

Firmenname

Genpact

Management in Deutschland

Holger Reimers

Mitarbeiter in Deutschland

Keine Angaben (400 deutschsprachige Mitarbeiter).

Mitarbeiter weltweit

41.000

Portfolio in Deutschland

BPO unter anderem für das Finanz- und Rechnungswesen, die Beschaffung, die Auftragsbearbeitung und die Personalbetreuung, Helpdesk- und IT-Outsourcing.

Kundenschwerpunkte

Top-500-Firmen der Branchen Pharmazie, Gesundheit, Finanzdienstleistungen Automotive und Schwerindustrie.

Referenzkunden

Keine Angaben

Firmenname

Tata Consultancy Services (TCS)

Management in Deutschland

Sapthagiri Chapalapalli

Mitarbeiter in Deutschland

500

Mitarbeiter weltweit

160 000

Portfolio in Deutschland

Produktentwicklung, Systemintegration, Beratung.

Branchenschwerpunkte

Branchenlösungen unter anderem für Finanzdienstleister, Fertigung und Logistik.

Referenzkunden

Airbus, Deutsche Bank, Daimler, Commerzbank, Nokia.

Firmenname

Wipro Technologies

Management in Deutschland

Ralf Reich

Mitarbeiter in Deutschland

400

Mitarbeiter weltweit

110000

Portfolio in Deutschland

Anwendungsentwicklung und -wartung, Infrastrukturdienste, Testing, Consulting, BPO.

Referenzkunden

Citiebank, Telefonica O2, Harman.