Big-Data-Experte Finkbeiner

Die hohe Kunst, die relevanten Daten zu erkennen

12.11.2013 von Sibylle Hofmeyer
Erfordert Big Data neue IT-Spezialisten oder ist es mit dem herkömmlichen Know-how über große Datenmengen und Data Warehousing getan? Sowohl als auch, meinen Martin Finkbeiner, Leiter Technologie-Consulting beim SAP-Dienstleister All for One Steeb, und Personalberater Frank Rechsteiner.

CW: Welche Skills brauchen IT-Experten für Big Data?

Finkbeiner: Für Administratoren und Programmierer ändert sich wenig, da Big Data nur eine weitere Datenquelle für die Analyse, Entscheidungsfindung oder Plausibilisierung darstellt. Diese Datenquelle wird aus internen Unternehmensanwendungen oder externen Social-Media-Kanälen gespeist und in Plattformen wie SAP HANA eingebunden. Die dafür erforderliche Rechenzentrumstechnik unterscheidet sich zwar in Umfang, Preis und Leistung von der herkömmlichen , aber der Betrieb an sich bleibt gleich. So kann Big Data nach den gewohnten Mustern an die Analyse- und Reporting-Werkzeuge im Unternehmen angebunden werden. Administratoren und Programmierer haben sich also lediglich mit neuen Technologien wie SQLScript oder HTML5 auseinanderzusetzen, aber das erscheint mir eher wie das Lernen eines neuen Dialekts einer Sprache, die sie längst gut beherrschen.

Martin Finkbeiner, All for One Steeb: "Für Administratoren und Programmierer ändert sich im Zuge von Big Data wenig."
Foto: Finkbeiner

CW: Welche Veränderungen bringt Big Data für Analysten und Berater mit?

Finkbeiner: Hier sehe ich neue Berufsbilder und Disziplinen in den beratenden Zünften entstehen. Big Data erfordert die hohe Kunst zu erkennen, welche Daten für ein Unternehmen als Extrakt aus Big Data überhaupt relevant sind. An erster Stelle ist hier das Data Mining, das Erkennen relevanter Muster, zu nennen, das ins Hoheitsgebiet der Analysten fällt. Diese müssen es künftig leisten, mithilfe statistischer Methoden und Algorithmen Zusammenhänge in den Massendaten aufzuspüren, die für die Entscheider interessant und nützlich sind, das heißt ihre Entscheidungen verbessern helfen. Dies kann der Identifikation von Käuferprofilen dienen, aber auch für Marktsegmentierungen nützlich sein.
Auch die Berater müssen auf Big Data gut vorbereitet sein: Beim Gestalten der Prozesse kommt der Orchestrierung unterschiedlichster Quellen und Technologie-Plattformen eine Schlüsselrolle zu. Um die neu gestalteten Prozesse umzusetzen, haben Berater zudem die Aufgabe, die Ergebnisse der Analysten in Pflichtenheften genau abzubilden.

CW: Wie können sich Analysten und Berater für diese Anforderungen qualifizieren?

Rechsteiner: Für beide Berufsgruppen empfiehlt sich eine entsprechende Ausbildung an einer Universität oder Fachhochschule. Nur im wissenschaftlichen Umfeld haben sie Zugang zu sämtlichen Themen, die sie rund um Big Data beherrschen müssen: Methoden und Verfahren der Künstlichen Intelligenz und Statistik sowie Vertrautheit mit Technologien und sozialen Kanälen. Zwar gibt es bereits zahlreiche Social-Media-Werkzeuge zum Monitoring und zur Analyse der Daten, die im Rahmen der Massenkommunikation auf Facebook, Twitter & Co entstehen. Doch ist fundiertes Fachwissen nötig, um diese Informationen adäquat zu nutzen und beispielsweise Absatz oder Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Einige Hochschulen bieten bereits spezielle oHOhBachelor- und Masterstudiengänge an, die genau diese Anforderungen an die künftigen Analysten und Berater adressieren.

CW: Wie hoch ist der aktuelle Bedarf der Unternehmen nach Big-Data-Spezialisten konkret?

Rechsteiner: Bei den Administratoren und Programmieren ist festzustellen, dass die meisten Betriebe die Big-Data-Thematik mit den vorhandenen Mitarbeitern angehen. Für diese Berufsgruppe ändert sich, wie gesagt, eher wenig. Jedoch fragen immer mehr Unternehmen nach projektbezogener Unterstützung durch externe Analysten und Berater nach. Diese haben die Aufgabe, in zyklischen Abständen immer wieder zu überprüfen, ob die definierten Muster für die Big-Data-Analysen noch gültig sind oder aktualisiert und in neuen Prozessen abgebildet werden müssen. Da diese Projekte nach Art und Umfang variieren, ist der Bedarf nach externer Unterstützung momentan nur schwer greifbar.

Frank Rechsteiner: "Einige SAP-Partner haben sich noch nicht mit Big Data beschäftigt und haben einen enormen Nachholbedarf."
Foto: Rechsteiner

Jedoch ist gerade im SAP-Umfeld die Tendenz zu beobachten, dass sich einige Partner noch nicht mit dem Big-Data-Thema beschäftigt und enormen Nachholbedarf haben. Damit der Wissensaufbau nicht zu lange dauert, sollten diese Unternehmen schleunigst einen ausgewiesenen Big-Data-Experten an Bord holen. Seine Aufgabe muss es sein, IT- und Fachkollegen für dieses Thema zu sensibilisieren und den Einsatz externer Dienstleister in diesem Bereich zu steuern. Obwohl ich von einigen Geschäftsführern von SAP-Partnern immer wieder höre, dass Big Data für sie derzeit noch keine Priorität genießt, schätze ich das Thema als genauso elementar ein, wie es vor 20 Jahren der Wechsel von R/2 auf R/3 war.

CW: Wie groß ist das Angebot an Bewerbern, die sich bereits auf Big Data verstehen?

Finkbeiner: Während bei den Administratoren und Programmierern keine Unterversorgung zu beklagen ist, besteht in der Berufsgruppe der Analysten und „Ready-to-Go“-Berater sehr wohl ein Engpass. Hier macht es für Unternehmen Sinn, zur Rekrutierung qualifizierter Analysten eng mit geeigneten Universitäten zusammenzuarbeiten. Dies bietet sich auch für die Gewinnung von Beratern an, jedoch sollten in diesem Fall auch die Fachhochschulen einbezogen werden, da ihre Ausbildung den für Berater nötigen Praxisbezug aufweist.

CW: Wie sind die Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten für Big-Data-Experten?

Rechsteiner: Administratoren und Programmierer werden ähnlich entlohnt wie ihre Berufskollegen in anderen Bereichen. Da auf Big Data spezialisierte Analysten und Berater derzeit noch knapp sind, haben Neueinsteiger in diesem Bereich bessere Verdienstmöglichkeiten. Daher lohnt es sich auch für Analysten und Berater, die schon längere Zeit im Geschäft sind, sich weiterzubilden und Big-Data-Schulungen zu nutzen, wie sie derzeit zum Beispiel von SAP angeboten werden.

Big Data berufsbilder
Big Data: Neue Berufsbilder
In den teilweise euphorischen Einschätzungen von Markforschern und IT-Unternehmen ist immer wieder die Rede von neuen Berufsbildern, die Big Data mit sich bringen soll. Dazu zählen unter anderem folgende Tätigkeiten:
Data Scientist
Er legt fest, welche Analyseformen sich am besten dazu eignen, um die gewünschten Erkenntnisse zu erzielen und welche Rohdaten dafür erforderlich sind. Solche Fachleute benötigen solide Kenntnisse in Bereichen wie Statistik und Mathematik. Hinzu kommen Fachkenntnisse über die Branche, in der ein Unternehmen beziehungsweise tätig ist und über IT-Technologien wie Datenbanken, Netzwerktechniken, Programmierung und Business Intelligence-Applikationen. Ebenso gefordert sind Verhandlungsgeschick und emotionale Kompetenz, wenn es um die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen geht.
Data Artist oder Data Visualizer
Sie sind die "Künstler" unter den Big-Data-Experten. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Auswertungen so zu präsentieren, dass sie für Business-Verantwortliche verständlich sind. Die Fachleute setzen zu diesem Zweck Daten in Grafiken und Diagramme um.
Data Architect
Sie erstellen Datenmodelle und legen fest, wann welche Analyse-Tools Verwendung finden und welche Datenquellen genutzt werden sollen. Auch sie benötigen ein umfassendes Know-how auf Gebieten wie Datenbanken, Datenanalyse und Business Intelligence.
Daten-Ingenieur
Diese Aufgabe ist stark auf die IT-Infrastruktur ausgerichtet. Der Dateningenieur ist das Big-Data-Analysesystem zuständig, also die Hard- und Software sowie Netzwerkkomponenten, die für das Sammeln und Auswerten von Daten benötigt werden. Eine vergleichbare Funktion haben System- und Netzwerkverwalter im IT-Bereich.
Information Broker
Er kann mehrere Rollen spielen, etwa die eines Datenhändlers, der Kunden Informationen zur Verfügung stellt, oder die eines Inhouse-Experten, der Datenbestände von unterschiedlichen Quellen innerhalb und außerhalb des Unternehmens beschafft. Außerdem soll er Ideen entwickeln, wie sich diese Daten nutzbringend verwenden lassen.
Data Change Agents
Diese Fachleute haben eine eher "politische" Funktion. Sie sollen bestehende Prozesse im Unternehmen analysieren und anpassen, sodass sie mit Big-Data-Initiativen kompatibel sind. Nur dann lässt sich aus solchen Projekten der größtmögliche Nutzen ziehen. Wichtig sind daher ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten, Verständnis für Unternehmensprozesse sowie Kenntnisse im Bereich Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement (Six Sigma, ISO 9000).