Prognosen 2009, Experton Group

Die fünf größten Herausforderungen für CIOs in 2009

30.12.2008 von Luis Praxmarer
Die IT-Verantwortlichen müssen jetzt die Weichen stellen, um während des wirtschaftlichen Abschwungs in der Spur zu bleiben. Dabei hilft es nicht, nur blindlings die Kosten zu senken. Vielmehr gilt es auf die richtigen Strategien und Innovation zu setzen.

2009 wird ein turbulentes Jahr für die IT-Abteilungen. Das sind die Top 5 Herausforderungen für den CIO in 2009 in Deutschland:

  1. IT-Strategie und Transformation

  2. Applikations-Portfolio-Management und Applikationsstrategie

  3. Reduzierung der IT Run-Rate

  4. Flexibilisierung durch Sourcing und alternative Finanzierung

  5. Prozessoptimierung

1. IT-Strategie und Transformation

In Zeiten von Rezession und Finanzkrise wird ungeachtet der Unternehmensstrategie und der Gesamtkostenbetrachtung oft zu schnell nur auf Kostenreduzierung fokussiert. Deshalb steht für die Experton Group die IT-Strategie an erster Stelle, allerdings gekoppelt mit "Transformation", die darauf abzielt, Themen wie Unternehmenswachstum, Risikominderung und Kosteneinsparungen professionell anzugehen. So manche Unternehmen betrachten die jetzige Krise aber auch als eine Chance sich zu differenzieren und mit der notwendigen finanziellen Stärke Fusionen und Übernahmen sowie Wachstumsziele voranzutreiben. Deshalb muss an erster Stelle die mit den Unternehmenszielen sowohl kurzfristig als auch langfristig abgestimmte IT-Strategie stehen.

Das 21. Jahrhundert hat Unternehmen bislang eine Herausforderung nach der anderen beschert. Wandel ist sozusagen das Mantra, das man mehr denn je im Munde führt. Jetzt geht es darum, größere Agilität bei geringeren Kosten und unter Schonung der Energieressourcen zu gewährleisten; weitere Themen sind Compliance, also die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, sowie Risikominderung. Für die Vorstandsetage ergeben sich daraus vereinfacht drei zwingende Forderungen, die je nach Unternehmen eine unterschiedliche Priorität einnehmen können:

Von der Führungsebene wird erwartet, dass sie entsprechende Strategien entwickelt und die Unternehmensvision in die Praxis umsetzt.

Fünf Grundsätze sollte die IT-Führung beachten, um die eigene Strategie mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen.
Foto: Experton Group

In der Vergangenheit hatte die IT meist ziemliche Schwierigkeiten, IT-Strategien und Maßnahmen auf die Geschäftsstrategien und die Unternehmensausrichtung abzustimmen, und daran hat sich nichts geändert. Globale Initiativen, die alle Bereiche der IT und des IT-Managements betreffen, sind nicht unbedingt die Stärke der IT-Führungsmannschaft. Die Experton Group hat Herausforderungen und gelernte Lektionen analysiert und die einzelnen Elemente in fünf Grundsätze gepackt; sie in Angriff zu nehmen und anzugehen ist entscheidend für den IT-Erfolg.

Nach Meinung der Experton Group stehen Unternehmen, die gesamte Wirtschaft, die Umwelt und die Technologie vor einem Wendepunkt - ein guter Zeitpunkt für die IT-Führungsmannschaft, ihre Organisation neu zu gestalten, um für die Anforderungen der Zukunft besser gerüstet zu sein.

2. Applikations-Portfolio-Management und Applikationsstrategie

Der Erfolg von Konsolidierungs- und Virtualisierungsmaßnahmen und erzielbare Einsparungen sind entscheidend von der Bereinigung der Applikationslandschaft abhängig. Die so genannten "Vampire Applications" müssen jetzt ausgemustert werden. In den meisten Unternehmen wurde das Applikations-Portfolio noch nicht rationalisiert beziehungsweise vereinfacht. Bereichs- und geografieübergreifend werden ähnliche beziehungsweise doppelt vorhandene Applikationen genutzt; viele davon sind veraltet beziehungsweise sind wartungsaufwändig und hätten schon vor langer Zeit "abgeschossen" werden sollen. Doch wie Vampire leben sie einfach weiter. In vielen Firmen wird quer über Abteilungen und Niederlassungen hinweg mit einer Patchwork-Decke an Legacy-Applikationen gearbeitet. Dieses miteinander verwobene Applikations-Wirrwarr ist meist die Folge von lokal oder bereichsintern getroffenen Entscheidungen bzw. von Fusionen/Akquisitionen. Ein solcher IT-Betrieb ist teuer und unflexibel, wirkt sich negativ auf die Gewinnspanne aus und führt dazu, dass weniger neue Umsätze generiert werden. Außerdem fehlt damit in Zeiten des Wandels die erforderliche Flexibilität.

Wie können solche überflüssigen Applikationen und die damit verbundenen Kosten "entsorgt" werden? Unternehmen, die das erfolgreich in Angriff genommen haben, konnten ihr Applikations-Portfolio um bis zu 75 Prozent verkleinern, steigerten ihre Agilität, vereinfachten den Betrieb, reduzierten den Personalstand und verdoppelten ihre Rechnerleistung - und das alles für das gleiche oder sogar weniger Geld und operativen Aufwand. Auch die Softwarekosten sanken signifikant; die damit erzielten Einsparungen machten knapp 50 Prozent der Gesamteinsparungen aus.

Solche Anwendungen sind nur noch da, weil man zu träge ist, sich darum zu kümmern, und weil diejenigen, die das Ganze finanziell stemmen, nach wie vor politisch dahinter stehen. Zudem ist man sich nicht im Klaren darüber, wie negativ sich diese Applikationen auf die Gewinnspannen und die Reaktionsfähigkeit des Unternehmens auswirken, wenn geänderte Anforderungen adressiert werden müssen. Um den kulturellen und politischen Widerstand zu brechen und wieder Ordnung zu schaffen, sind eine starke Geschäftsführung und ein starkes IT-Management von Nöten.

Angesichts des Schocks, den die weltweite Finanzkrise ausgelöst hat, ist jetzt der beste Zeitpunkt, hier endlich eine Lösung zu finden. Es sollte möglich sein, die operativen Kosten der betroffenen Applikationen innerhalb von fünf Jahren um bis zu 75 Prozent zu senken und gleichzeitig die Rechenleistung und Agilität weiter auszubauen.

Die Applikationsstrategen müssen dann allerdings auch nach vorne blicken und Themen wie Service-orientierte Architekturen (SOA) und Software as a Service (SaaS) mit berücksichtigen sowie die Ablösung von "heiligen Kühen" und großen Legacy-Applikationen angehen.

3. Reduzierung der IT Run Rate

Wie Studien der Experton Group aufzeigen, sind die operativen IT-Kosten (OpEx) in Unternehmen und insbesondere in Deutschland nach wie vor zu hoch. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen, doch das muss nicht mehr sein. Es gibt Methoden, mit deren Hilfe Finanz- und IT-Experten detaillierte Analysen durchführen und fein abgestimmte Pläne ausarbeiten können, mit dem Ziel, allzu hohe Kosten zu vermeiden, ohne dass der Service darunter leidet oder Businesspläne und Strategien in Mitleidenschaft gezogen werden. Angesichts der derzeitigen Marktlage sollten solche Analysen jetzt in Angriff genommen werden, damit so bald wie möglich entsprechende Gelder für wichtige Initiativen bewilligt werden. Allzu oft sind in Rechenzentren unzählige Server und Server-Typen vorhanden, weil es keine Rechenzentrumsarchitektur, keine standardisierten Plattformrichtlinien und keinen einheitlichen Auswahlprozess gibt. Experten aus der Finanz- und der IT-Abteilung sollten gemeinsam einen unternehmensweiten Serverarchitektur- und Auswahlprozess aufsetzen; die Zielplattformen sollten auf Basis der Zielarchitektur, der Total Cost of Ownership (TCO, Gesamtbetriebskosten) und einer so genannten CPA-Analyse (Cost per Application) ausgewählt werden.

Die Server-Auswahl wird vor allem von der Firmenpolitik, technischen Ideologien und den Plattformpräferenzen der Anbieter getrieben. Um den aktuell praktizierten Ad-Hoc-Prozess auf Basis von Punktlösungen durch einen Prozess zu ersetzen, der die Rechenzentrumskosten, die Performance und die Auslastungsraten optimiert, ist auch die feste und unerschütterliche Unterstützung des oberen Management von Nöten. Eine neu einzurichtende, neutrale Taskforce, bestehend aus Personal aus den Bereichen Facilities-Management, Finanzen und IT, sollte eine Analyse der derzeitigen TCO und CPA bereits vorhandener Applikationen und Systeme durchführen und gegebenenfalls Empfehlungen und Aktionspläne für die Portierung dieser Systeme auf Zielplattformen entwickeln.

Luis Praxmarer, CEO der Experton Group: "Drei Viertel aller Rechenzentren sind veraltet und müssen konsolidiert werden."
Foto: Experton Group

Veränderte Unternehmensanforderungen sowie Umweltschutz- und Energie-Auflagen und neue technische Entwicklungen erfordern jetzt die Ausarbeitung und Umsetzung eines langfristigen Plans für das Rechenzentrum. Im Lauf der nächsten drei bis fünf Jahre ist mit größeren Neuentwicklungen und alternativen Designs zu rechnen; damit keine unnötigen Kosten anfallen, ist eine sorgfältige Planung unabdingbar. Zu diesem Zweck sollten sich Applikationsentwickler, Facility-Manager, Informationsarchitekten, Betriebs- und Testpersonal zusammensetzen und einen solchen langfristigen Rechenzentrumsplan entwickeln. 75 Prozent aller existierenden Rechenzentren sind zudem veraltet und/oder müssen konsolidiert werden.

Nach Meinung der Experton Group wird die explosionsartige Zunahme an Informationen, die erfasst, gespeichert, wieder gefunden und letztendlich fachgerecht vernichtet werden müssen, die Storage-Management-Möglichkeiten der meisten Unternehmen überbeanspruchen; das betrifft vor allem Compliance-Anforderungen und das Unternehmens-Image. Zum Glück kommen in den nächsten Jahren innovative Lösungen auf den Markt, die diesen zusätzlichen Bedarf adressieren. Allerdings stehen Anwender unter großem Druck, ihre Storage-Ökosysteme innerhalb der nächsten zwei Jahre entsprechend mit neuen Produkten auszustatten und aufzurüsten. Es gilt, jetzt eine Strategie zu entwickeln, sie in die nächsten Budgetzyklen fest zu integrieren und den Plan baldmöglichst umzusetzen; sonst kann es passieren, dass man die Kurve nicht mehr kriegt.

Um das Steuer in der Hand zu behalten, empfiehlt die Experton Group Anwendern dringend, den so genannten Storage Efficiency Index (SEI = Datensätze x 2 / Gesamtspeicherplatz), die Storage-Kosten und die Storage-Landschaft im Unternehmen zu analysieren. Wichtige Schritte in diesem Zusammenhang sind Virtualisierung und Deduplizierung sowie eine fachgerechte Konsolidierung.

Der enorme Kostenvorteil von Commodity-Hardware im Server- und Storage-Umfeld, verbunden mit Virtualisierung, lässt sich nur bei konsequenter Umsetzung realisieren. Moderne Rechenfabriken weisen einen 10-fach besseren Kostenfaktor gegenüber den herkömmlichen Rechenzentren auf.

4. Flexibilisierung durch Sourcing und alternative Finanzierung

Durch die schwierige finanzielle Situation sehen sich IT- und Finanzexperten, die Geld für neue und bereits vorhandene Business-Applikationen locker machen wollen, großen Herausforderungen gegenüber. Budgetkürzungen und Abstriche bei den Ressourcen sind die Regel, und so ist es von allergrößter Wichtigkeit, Kapital zu beschaffen und beschränkte Personalressourcen richtig einzusetzen. Der Finanzbedarf liegt nach wie vor über dem, was mit herkömmlichen Mitteln zu beschaffen ist, und deshalb müssen kreative Finanzierungslösungen genutzt werden, so zum Beispiel auch Investitionen, sie sich selbst finanzieren.

Hier muss man einmal einen Blick auf vorhandene Hardwareinvestitionen werfen, die als Geldquelle dienen können, um damit alternative Finanzierungsmöglichkeiten wie Verkauf mit gleichzeitiger Rückmiete zu erschließen. Daneben gibt es auch Leasing-Optionen, über die Hardware, Software und laufende Projekte bilanzneutral finanziert werden können.

Der wichtigste Ansatz besteht darin, Business-Interessen und Projekt-Milestones mit Amortisierungs-Mechanismen abzugleichen, so dass Projekte sich selbst finanzieren. Die IT- und die Finanzabteilung sollten mehrere dieser IT-basierten Finanzierungsmöglichkeiten nutzen und Investitionsaufwendungen, wo möglich, für unternehmensweite oder fachbereichs-spezifische Bedarfe reservieren. So können Finanztools auf die Unternehmensanforderungen und die Kreditwürdigkeit des jeweiligen Unternehmens abgestimmt werden.

Flexible Sourcing-Strategien haben einen direkten Einfluss auf die Kapitalstruktur und den Geldfluss der Unternehmen. So hat zum Beispiel Tata Consultancy Services (TCS) bereits im Oktober die Übernahme von Citigroup Global Services Limited (CGSL) für 505 Millionen Dollar angekündigt. Citi hat gleichzeitig einen Outsourcing-Vertrag von 2,5 Milliarden Dollar für die nächsten 9,5 Jahre unterzeichnet. Damit haben sich die Bilanz für Citi und eventuell auch der Cashflow kurzfristig verbessert und TCS hat langfristig einen Großkunden dazu gewonnen. Outsourcing und Offshoring gehören weiterhin zum Standardportfolio für eine Flexibilisierung der IT-Kosten, auch wenn man sich nicht zu leichtfertig in solche Abenteuer stürzen sollte. Wer hier seine Hausaufgaben gemacht und die notwendige Kompetenz und Erfahrung aufgebaut hat, ist jetzt deutlich besser positioniert.

Die meisten IT-Verantwortlichen kennen sich mit Finanzierungsfragen und der Unzahl an Optionen nicht wirklich aus; nur wenige versuchen, mit Hilfe von Finanzierungslösungen zusätzliche Projekte zu finanzieren oder ein Projekt so aufzusetzen, dass es sich selbst finanziert. Es gibt aber Finanzinstitute und IT-Anbieter mit einer Finanzdienstleistungstochter, wie z.B. HP Financial Services (HPFS) von Hewlett-Packard Co. und IBM Global Finance (IGF) von IBM Corp., die Asset- oder Projektfinanzierungslösungen anbieten. Im Gespräch mit diesen Finanzdienstleistern erfährt man, wie flexibel die einzelnen Angebote sind, und kann dann entscheiden, ob und wie man mit Hilfe dieser Finanzierungs-Tools sich selbst tragende Projekte aufsetzt.

5. Prozessoptimierung

Über die letzten Jahre haben die meisten Prozessverbesserungen vertikal, also innerhalb von einzelnen Geschäftsbereichen, stattgefunden. Viele Applikationen sind ebenfalls vertikal fokussiert. Auch die Unternehmensorganisationen haben sich im letzten Jahrhundert kaum gravierend verändert und sind nach wie vor vertikal ausgerichtet. Durch neue Applikationen und spätestens mit der Service-orientierten Architektur setzt sich mehr und mehr eine durchgehende, horizontale Prozessorientierung durch. Manche führenden Unternehmen haben bereits horizontale Prozessverantwortliche eingesetzt. Durch eine sorgfältige Prozessbetrachtung und die radikale Ausrichtung am Kunden können damit erhebliche Einsparungen und Verbesserungen im Kundenerlebnis und bei den Durchlaufgeschwindigkeiten erzielt werden. Prozesse, die ansonsten oft Tage und Wochen benötigen und viele Abteilung involvieren, können so auf Minuten reduziert werden. Self-Service und Web-Applikationen sollen hier nur als Beispiele genannt werden. Wichtig ist die Bereitschaft im Unternehmen und die Fähigkeit der IT-Abteilung, eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung anzustellen und mit der notwendigen Kompetenz eine Prozessverbesserung/Automatisierung umzusetzen.

Verbesserungen im Business Intelligence Umfeld und eine zunehmend unternehmensweit ausgerichtete Business / Enterprise Performance Management Strategie sind wichtige erste Schritte und stellen im Hinblick auf das Business-IT-Alignment schell umsetzbare Erfolgsprojekte dar.

Die Experton Group empfiehlt IT-Organisationen auch, sich selbst tragende Projekte zur internen Prozessverbesserung aufzusetzen. Die meisten IT-Verantwortlichen nutzen ihre Budget- und Finanzpläne nicht dazu, zusätzliche Managementprozesse, Projekte und Tools zu finanzieren, die für Verbesserungen im IT-Betrieb sorgen könnten. Mit dem richtigen Fokus und einem Aktionsplan kann man Einsparungen so verrechnen, dass dadurch die gewünschten Managementverbesserungen bezahlt werden können. Mit dem gesparten Geld kann man weitere Verbesserungen sogar sich selbst finanzieren lassen und damit den lästigen Budgetantrag umgehen. Die Experton Group empfiehlt das Aufsetzen einer Finanzierungsstrategie für sich selbst tragende Projekte, mit denen die IT den eigenen Betrieb verbessern kann. Es sollte möglich sein, diesen Plan in die Tat umzusetzen und dennoch einen Teil der Einsparungen dem Unternehmen oder den Fachabteilungen zuzuführen.

Es gibt IT-Projekte, die sich bei richtiger zeitlicher Planung innerhalb desselben Fiskaljahres selbst finanzieren. Man findet sie zwar nicht unbedingt so einfach, sie springen nicht ins Auge, aber es gibt sie. Die IT-Führungsriege sollte gemeinsam mit den Mitarbeitern Projekte identifizieren, die sich selbst tragen und den IT-Management-Prozess verbessern helfen.