Neue Konzepte für die elektronische Post

Die E-Mail ist noch lange nicht tot

17.07.2013 von Frank Heuer und Axel Oppermann
Während die einen schon den Abgesang auf die E-Mail anstimmen, feilen andere an immer neuen Konzepten für die elektronische Post. Zwar verändert sich gerade im Zuge von Social Business die Kommunikation - das braucht aber seine Zeit.
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Es ist schon interessant, wie kontrovers das Thema E-Mail gegenwärtig diskutiert wird. Da gibt es die Marketiers, die sich ständig neue Konzepte ausdenken, wie sich das E-Mail-Marketing optimieren und Dialog-Marketing-Kampagnen in CRM-Systeme integrieren lassen. De-Mail-Anbieter wollen uns vermitteln, dass ein auf E-Mail-Technik beruhender Service die "sichere, vertrauliche und nachweisbare" Kommunikationsform der Zukunft ist. Und Verfechter von Social-Business verkünden, E-Mail sei bereits tot.

Kurzum: Das Thema beschäftigt. Nicht nur die Mitarbeiter, die tagtäglich Dutzende mehr oder weniger wichtige Nachrichten in ihren elektronischen Postfächern finden. Auch IT-Verantwortliche und Organisationsentwickler müssen sich mit der Zukunft der Kommunikation im Unternehmen, Kunden und Lieferanten sowie zwischen Mitarbeitern beschäftigen.

Eins vorab: Eine pauschale Antwort gibt es nicht. Was sich jedoch sagen lässt, ist, dass sich die Art und Weise, wie kommuniziert wird, nachhaltig ändert. Im privaten Umfeld wird die Kommunikation immer seltener über E-Mail abgewickelt. Besonders, wenn es nicht zwingend auf Formalien ankommt, wenn Spontanität und Inhalt im Vordergrund stehen, werden Messenger-Lösungen und Chats bevorzugt. Text wird kombiniert mit Bewegtbild. Diese Trends halten nun auch Einzug in die Unternehmen.

Social Media hin, Instant Messaging her: Die Zahl der Anmeldungen klassischer E-Mail-Accounts wird auch in den nächsten Jahren wachsen. Angaben in Milliarden; Quelle: Radicati Group

Social Software ist eine Bezeichnung für Software, die der menschlichen Kommunikation und der Zusammenarbeit dient. Dabei steht die Orchestrierung des Informations-Managements (Suchen, Finden, Bewerten), des Identitäts-Managements (Selbstdarstellung, Kompetenzprofile) und des Beziehungs-Managements (Management von Kontakten) im Fokus.

Dabei ist Social Software im Kontext zu sehen, namentlich mit Social Business für Collaboration und Communication. Social Business kann als Strategie für den organisatorischen Wandel den Unternehmen einen Mehrwert liefern. Das Konzept bietet eine Chance, die Arbeitswelt und Interaktion mit unterschiedlichen Bezugsgruppen flexibler und offener zu gestalten. Ziel dabei ist, die Effizienz zu steigern. Social Business steht synonym für Unternehmen der Zukunft, die Strategie, Kompetenzen, Kultur und Prozesse vereinen, um in einer vernetzten Welt die Art und Weise, wie Menschen arbeiten, neu zu justieren.

Bei allen Bemühungen, die Kommunikation zwischen Mitarbeitern und externen Dritten zu verbessern, muss klar sein: Die neuen Möglichkeiten der Kommunikation werden die bewährten Werkzeuge nicht von heute auf morgen ablösen. Vielmehr ergänzen sie sich. Versuche, ein System wie die E-Mail-Kommunikation Hals über Kopf hinauszuwerfen, werden zwangsläufig an der Trägheit der Organisation und den Verhaltensmustern der Anwender scheitern.

Auch wenn die Menschen privat weniger Mails verschicken, wird die Zahl der geschäftlich versandten Nachrichten unvermindert ansteigen. Angaben in Milliarden pro Tag; Quelle: Radicati Group

Kommunikationswelten verknüpfen

Ziel muss sein, beide Welten kreativ zu verknüpfen und die Wertschöpfung, die auf Resonanz und Dialog beruht, zu optimieren. In einem ersten Schritt gilt es, die unterschiedlichen Kommunikationsszenarien zu analysieren. Einfacher wird es, wenn man sich zunächst auf ein Element fokussiert - zum Beispiel die unternehmensinterne Kommunikation. Hier sollten die Verantwortlichen die unterschiedlichen internen Arbeitsabläufe und Prozesse bezüglich der Interaktion bewerten. Im Fokus steht immer eine verbesserte Leistungserbringung. Auf dieser Basis lassen sich dann alternative Szenarien entwickeln. Dafür werden IT-Lösungen ausgewählt, Co-Existenzmodelle erarbeitet und die Transformation der Organisation vorbereitet. Hierbei sind die unterschiedlichen Ebenen der Kommunikation zu berücksichtigen. Dazu zählen beispielsweise die formale beziehungsweise formelle interne Kommunikation, die Kommunikation in Projekten oder die informelle Interaktion zwischen Mitarbeitern.

Die Umsetzung muss sowohl Top-down als auch Bottom-up erfolgen: Einerseits gilt es, durch Vorgaben und gelebte Umsetzung die Adaption zu fördern. Auf der anderen Seite muss den Mitarbeitern Freiraum zur Selbstentwicklung und rollenspezifischen Adaption eingeräumt werden.

Argumente, die auf eine Reduktion der puren Anzahl an E-Mail oder den Faktor Zeit pro Mitarbeiter abzielen, treffen nicht den Punkt. Es ist egal, ob der Mitarbeiter 20 E-Mails beantwortet oder 50 Nachrichten aus anderen Systemen. Im Kern kommt es darauf an, die Kommunikation zu optimieren, um individuelle und kollektive Mehrwerte zu erzeugen. Dafür braucht es eine Roadmap. Im Zentrum steht eine bestimmte Arbeitsform beziehungsweise eine neue Unternehmenskultur, bezogen auf Kommunikation. Im nächsten Schritt gilt es zu beurteilen, welche Funktionen bestehende Lösungen haben, die für die neuen Szenarien genutzt werden können.

Zum Beispiel kann es sein, dass vorhandene Groupware-Lösungen die neuen Formen der Interaktion und des Informationsaustauschs sofort oder bald zu unterstützen vermögen. Gleiches gilt für die Client-Lösungen. So können unterschiedliche inhaltliche Ströme in einem einzigen Activity Stream abgebildet werden. Ist dies nicht der Fall, gilt es, Lösungen zu identifizieren, die eine nahtlose und interoperable Zusammenarbeit über die Systeme hinweg ermöglichen.

Fehler vermeiden mit dem E-Mail-Knigge
Der Schweizer Autor und Kommunikationstrainer Hans Eigenmann, Inhaber der Brainput GmbH, erklärt, worauf man beruflich und privat bei der Korrespondenz via elektronische Post achten sollte.
Grundsatztipp
Mails sind ein sehr effizientes und praktisches Kommunikationsmittel. Ihr Charakter und ihre leichte Verfügbarkeit verführen aber zu einem Umgang, der uns und anderen Mehrarbeit, Störungen und Stress beschert.
Tipp 2: Gehen Sie extrem sparsam mit den Funktionen "Kopie an" und "Antworten an alle" um.
So verhindern Sie eine Informationslawine. Bedienen Sie mit CC nur Empfänger, welche die Information wirklich benötigen. Beweisen Sie dem Chef nicht mit Mailkopien, dass Sie gute Arbeit leisten oder zu bestimmten Tageszeiten noch am Arbeiten sind!
Tipp 3: Rufen Sie Ihre Mails bewusst und gezielt ab.
Beschränken Sie die Zahl der Abfragen je nach Arbeit, die Sie machen, und setzen Sie einen Zeitblock in Ihrem Kalender für deren Bearbeitung. Bestimmen Sie selber über sich und lassen Sie sich nicht von eingehenden Mails terrorisieren.
Tipp 4: Schalten Sie die Signale aus, die Sie auf neue Mails hinweisen.
Die Neugier gehört zu den stärksten Triebkräften des Menschen - kaum jemand kann widerstehen, wenn ihm sein Rechner meldet, dass neue Post vorhanden ist. Halten Sie sich unbedingt an Regel Nummer 3.
Tipp 5: Bearbeiten Sie Mails sofort, falls Sie sich innerhalb von fünf Minuten erledigen lassen.
Ist das nicht der Fall, setzen Sie sich in Ihrer Arbeitsplanung einen Zeitblock für deren Erledigung.
Tipp 6: Am Ende eines Arbeitstages sollte Ihr Posteingang leer sein.
Oder öffnen Sie zu Hause an der Eingangstüre auch Ihren Briefkasten, schauen rasch, was Sie erhalten haben - und werfen dann die ganze Post wieder in Ihren Kasten?
Tipp 7: Arbeiten Sie deshalb mit Ordnern, in die Sie den Posteingang ablegen.
Die modernen Mail-Programme bieten Ihnen dafür zahlreiche Automatismen, die Ihr Leben erleichtern. Stellen Sie Regeln für die Ablage auf, die für Ihr Arbeitsfeld passend sind. Newsletter können beispielsweise direkt in einen dafür vorgesehenen Ordner gehen.
Tipp 8: Denken Sie daran, dass sich auch die Empfänger Ihrer Mails in Ihren Mail-Programmen gut organisieren möchten.
Schreiben Sie daher aussagekräftige Betreffzeilen, damit der Empfänger weiß, worum es geht, und die Posteingänge entsprechend ablegen kann. Schreiben Sie zudem, wann immer möglich, nur über ein Thema pro Mail. Sie erleichtern damit auch dem Empfänger die gute und effiziente Ablage seiner Posteingänge, ohne dass er Kopien herstellen muss.
Tipp 9: Verfassen Sie Ihre Mails inhaltlich klar und verständlich, ohne Schreibfehler und sauber gestaltet.
Die Regeln der Rechtschreibung und des Anstandes gelten auch im Mail-Verkehr. Auch Mail-Empfänger verdienen es, korrekt und anständig angesprochen zu werden. Zum Beispiel gehören Anreden "Grüß dich", "Tschüss" oder "Ciao" und Ähnliches in den rein privaten Bereich.
Tipp 10: Klartext im Mail-Verkehr:
Formulieren Sie klar und unmissverständlich, aber auf Business-Niveau. Ausdrücke aus dem Privatbereich, Smileys oder unverständliche Abkürzungen (mfG und Ähnliches) sind in Geschäfts-Mails ebenfalls fehl am Platz.
Tipp 11: Keine Chance, eine Mail zurückzuholen
Denken Sie vor allem daran, dass die "Senden"-Taste unglaublich schnell gedrückt ist - und dass Sie keine Chance haben, eine gesendete Mail zurückzuholen, wenn Sie nachträglich einen Fehler feststellen oder den von Ihnen angeschlagenen Ton abschwächen möchten. Oft verspricht man auch im Text, einen bestimmten Anhang anzufügen, und schickt dann das Mail ohne das Attachment. Sie können das alles verhindern, wenn Sie sich angewöhnen, die Adresszeile (den Empfänger) erst einzusetzen, wenn Sie alles kontrolliert haben. Das verhindert manche Peinlichkeit.

Fazit

Die Zahl der E-Mail-Konten und verschickten E-Mails steigt - und so wird es auf absehbare Zeit auch noch bleiben. Jedoch wird der Kommunikationskanal E-Mail künftig anders genutzt. Der Versand von üppigen Anhängen fällt weg. Im Fokus wird die formelle und formal korrekte Kommunikation stehen, welche Ansprüchen in Sachen Compliance, Governance oder Legal Hold genügt. Parallel nimmt die Popularität von sozialen Netzen und die Kommunikation über solche Social Software weiter zu.

Mehr und mehr Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, um Social-Business-Praktiken zu integrieren und so die Produktivität zu steigern sowie die Interaktion mit Kunden und Partnern zu verbessern. Die Herausforderung liegt darin, die unterschiedlichen Kommunikationswege zu harmonisieren. Das bedeutet, eine Cross-Media- beziehungsweise Cross-Kanal-Kommunikation sicherzustellen. Es gilt, Arbeits- und Kommunikationsweisen anzupassen - das kann ein zäher Prozess sein. (ba)