MP3-Droge und explodierende Handys

Die dreistesten Web-Lügen

27.07.2010 von Benjamin Schischka
Facebook kostenpflichtig und MP3s als Droge. Wir enttarnen die größten Ammenmärchen im Internet.

Durchs Internet geistern immer wieder Falschmeldungen, wie die Transkription der angeblichen Flugnummer "Q33NY" vom 11. September in der Schriftart Wingdings (siehe Bild). "Q33NY" war aber gar nicht die richtige Flugnummer, sondern frei erfunden. Solche Schwindel nennt man auch Hoax (englisch für "Scherz" oder "Schwindel").

Ahnungslose und Gutgläubige verbreiten den Hoax unermüdlich weiter, sodass ein beachtlicher Teil der Internet-Gemeinde mit dem Web-Mythos in Berührung kommt. Oft thematisiert ein Hoax erfundene Schicksalsschläge (Operationen) oder schürt Ängste (Handy-Explosion). Weniger schön: Teilweise diffamiert er auch Menschen, Minderheiten oder Religionen wie im Beispiel der Flugnummer.

Falschmeldung: Teenager konsumieren MP3-Droge

In den USA geht derzeit der Hoax um, dass Kinder und Jugendliche eine neue Droge konsumieren würden. Die Droge gäbe es im Internet zum Download - in MP3-Form - heißt es selbst im US-Fernsehen. Experten sind besorgt, dass die MP3-Droge den Teenagern den Weg zu physischen Drogen wie Marihuana oder Kokain weise.

Der vermeindliche Trend hat auch schon einen Namen: I-dosing. Einige US-Schulen sollen ihren Schülern die Mitnahme von iPods untersagt haben, um sie vor der Droge zu schützen. Auf Youtube gibt es den "Drogen"-Einstieg kostenlos - das Musik-Video "Gate of Hades" wurde schon über 200.000mal angehört. Kurzanleitung: Setzen Sie sich Kopfhörer auf und schließen Sie die Augen. Aber stellen Sie es nicht zu laut! Wer die 10-minütige Kakophonie ertragen hat, wird sich sicher fragen: Wie kann man diesem Hoax auch nur eine Minute lang Glauben schenken?

Hoax: Handys explodieren, wenn man während des Aufladens telefoniert

Bild aus der Kettenmail

Vor kurzem erst berichteten wir über einen Mann, dessen Handy nachts angeblich geklingelt haben soll. Laut eines Kettenbriefes soll der Mann ans Telefon gegangen sein, während dieses noch am Stromnetz aufgeladen wurde.

Der Mann soll einen Stromschlag erlitten haben, das Handy explodiert sein. Bewusstlos sei er mit Verbrennungen ins Krankenhaus gebracht worden und verstorben sein. Dazu liefert die E-Mail das Bild eines explodierten Handys und einer entstellten Hand. Die E-Mail warnt eindringlich vor gleichzeitigem Laden und Telefonieren.

Vermutlich geht der Hoax auf einen ähnlichen Vorfall von 2004 aus Indien zurück. Akkus können tatsächlich explodieren - etwa wenn das Ladegerät defekt ist oder der Akku überhitzt. Jedoch sind Meldungen von explodierenden Handy-Akkus allgemein sehr selten - und erst recht von Unfällen bei gleichzeitigem Laden und Telefonieren. Keinesfalls darf derart generalisiert werden, wie in der Hoax-Mail geschehen. Denn sonst dürfte man auch nicht gleichzeitig das Notebook nutzen und laden. Verwenden Sie zum Laden nur kompatible und authorisierte Netzteile und entsorgen Sie erkennbar defekte Akkus umweltgerecht.

Blanker Unsinn: ICQ-Kontakt ist Virus

ICQ

Sehr beliebt und anscheinend nicht totzukriegen: Warnungen vor bestimmten ICQ-Kontakten oder Nutzern anderer Chat-Programme. Oft lautet die Nachricht, man soll den User XY ignorieren und auf keinen Fall zu seinen Freunden hinzufügen: Es handle sich um einen Virus. Dieser lösche dann die gesamte Festplatte oder klaue Daten.

Fakt ist, dass auch ein gelegentlich darüberstehendes "Vom ICQ-Team:" nicht den Wahrheitsgehalt legitimieren kann. Auch das Versprechen, dass sich die ICQ-Blume blau verfärbt, wenn man die Nachricht weiterleitet, darf getrost als blödsinnig eingestuft werden. Die Krönung der "ICQ-Kontakt ist Virus"-Masche: Bisweilen taucht auch ein echter Name zusätzlich zur Viren-Warnung auf.

ICQ-Hoax:
"sag mal bitte an allen leuten in deiner liste, dass sie den kontakt mit b. (244-xxx-xxx) nicht annehmen sollen, das is ein virus!!!!! Sein richtiger name is Dennis S. der zerstört die ganze festplatte und wenn ihn einer deiner kontakte erwischt, bist auch du betroffen!!!!! also kopier das und schick es an alle !!!!!! auch an die die off"

Uns ist kein Virus namens "Dennis S." bekannt. Entweder geht es dem Hoax-Urheber darum, gezielt eine verhasste Person aus sozialen Netzwerken auszuschließen. Oder die Meldung ist einfach nur blanker Unsinn. Suchen Sie nach neuen Gesprächspartnern und wollen die Ihnen nicht gleich einen verdächtig aussehenden Link aufs Auge drücken, spricht nichts gegen eine Authorisierung. Nervt der Kontakt Sie, landet er eben auf der Ignorieren-Liste von ICQ. Geben Sie nie leichtfertig weitere Informationen neben dem Spitznamen preis!

Hoax: Facebook wird kostenpflichtig

Facebook

Nicht nur Facebook soll bald Geld kosten, behaupten einige Web-Mythen, sondern auch Studi-VZ, ICQ und viele weitere bislang kostenlose Dienste. Die Gebühren, meist zwischen 4,99 und 10 Euro, können verhindert werden, wenn man die Protest-Nachricht an 10 oder 25 Nutzer weiterleitet. Das wollen einem zumindest die Hoaxes weismachen.

Die Realität sieht anders aus: Facebook etwa sammelt fleißig Investoren-Gelder in Millionen-Höhe ein, denkt über einen Börsengang nach und setzt laut Facebook-Boss Mark Zuckerberg derzeit noch auf starkes Wachstum. Da passt eine monatliche Gebühr ab Juni 2010 - wie ein Hoax glauben machen will - sehr schlecht ins Programm. Wir sind uns sicher: Warten Sie den Juni ab - es wird keine Facebook-Gebühr kommen.

Bei den Sozialen Netzwerken und Chat-Programmen herrscht außerdem große Konkurrenz: Facebook, Studi-VZ, Schüler-VZ, meinVZ, MySpace, Lokalisten, Xing; ICQ, Windows Live Messenger, Skype, Google Talk und viele weitere. Erhebt einer eine Gebühr, muss er mit einer großen Userflucht zur Konkurrenz rechnen.

Photoshop-Hoax: Hai greift Hubschrauber an

Photoshop-Hoax

Dieses Bild soll irgendwo an der südafrikanischen Küste aufgenommen worden sein und sei auf jeden Fall echt - sagt die Kettenmail, die wohl seit 2001 kursiert. Außerdem sei das Foto, das eine Übung der Britischen Marine zeige, von Geo als das Foto des Jahres nominiert worden.

Der Hoax ist schnell entlarvt: Im Hintergrund steht die Golden Gate Brücke - und die steht nicht in Südafrika. Der gezeigte Hubschrauber ist ein HH-60G Pave Hawk - und der wird von der U.S. Air Force eingesetzt. Der Hai sei wirklich in südafrikanischem Gewässer fotografiert worden, meldet sich der Fotograf Charles Maxwell zu Wort - allerdings ohne den Hubschrauber und die Brücke, ein anonymer Bastler habe die beiden Bilder zusammengesetzt.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation PC-Welt. (ad)