Digitalreport 2024

Deutschland hinkt bei Digitalisierung hinterher

15.02.2024 von Martin Bayer
Die Meisten sehen die Politik in der Pflicht, die Digitalisierungsdefizite in Deutschland zu beheben. Das Dilemma: Die Wenigsten trauen unseren Politikern diese Aufgabe zu.
Es fehlt die erleuchtende Idee, wie die Digitalisierung in Deutschland vorangebracht werden könnte.
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"Deutschland kommt bei der Digitalisierung viel zu langsam voran", das ist ein Kernergebnis des Digitalreports 2024 des European Center for Digital Competitiveness der ESCP Business School und des Instituts für Demoskopie Allensbach. Dieses Resultat verwundert nicht. Haben doch in den vergangenen Jahren verschiedene Studien ein ums andere Mal belegen können, das die Bundesrepublik in vielerlei Hinsicht dem digitalen Wandel hinterherhinkt.

Das Prekäre am aktuellen Digitalreport 2024 ist jedoch ein anderes Ergebnis: Es gibt wenig Hoffnung auf Besserung. Die meisten der Befragten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung sowie aus der Bevölkerung rechnen für die nähere Zukunft nur mit kleinen Fortschritten. Gerade einmal etwa ein Viertel hegt Hoffnungen auf größere Fortschritte.

Wie Deutschland seine Digitalisierung vermasselt:

Der Digitalreport basiert auf einer aktuellen repräsentativen Bevölkerungsumfrage sowie auf Ergebnissen einer Umfrage von rund 500 Top-Führungskräften aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung sowie über 1.000 repräsentativ ausgewählten Menschen ab 16 Jahren in Deutschland. Der Bericht zum Stand der Digitalisierung hierzulande erscheint 2024 bereits zum fünften Mal.

Digitaler Wandel sichert Wohlstand

Die überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung hält es indes für zukunftsentscheidend, dass rasche Fortschritte bei der Digitalisierung erzielt werden. Rund drei Viertel der befragten Deutschen sind auch davon überzeugt, dass die künftige Entwicklung des Wohlstands vom Tempo der Digitalisierung abhängt.

Wohlstand lässt sich nur sichern, wenn auch die Digitalisierung gelingt.
Foto: lfD-Allensbach

Die Bevölkerung sieht vor allem die Bundesregierung in der Verantwortung, die Rückstände beim digitalen Wandel aufzuholen. Das Problem dabei: Die wenigsten trauen dies den Politikerinnen und Politikern in Deutschland zu. "Das Vertrauen, dass die Politik die Digitalisierung forcieren wird, ist gering", sagt Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach. Wie schon in den vergangenen Jahren werde aktuell keiner Partei ausgeprägte Kompetenz für Digitalpolitik zugeschrieben.

Die Politik steht in der Pflicht, die Digitalisierung voranzubringen, ...
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Am ehesten genießen hier noch die Unionsparteien Vertrauen - jedoch nur bei einer kleinen Minderheit: 15 Prozent sind laut Umfrage überzeugt, dass die CDU/CSU das beste Konzept für die Digitalisierung haben, gefolgt von der FDP (acht Prozent) und der SPD (sechs Prozent). 62 Prozent sagen, dass sie keine Partei mit Konzepten für eine funktionierende Digitalisierung überzeugen könne.

... doch keine Partei kann ich Sachen Digitalkompetenz bei den Bürgerinnen und Bürgern hierzulande punkten.
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Kritischer Blick auf Datenschutzregeln

Bei der Analyse der Ursachen für den digitalen Rückstand Deutschlands herrscht ein breiter Konsens: "Strategische Defizite, die Zersplitterung von Zuständigkeiten und unzureichende Investitionen werden als Hauptursachen für den fehlenden Fortschritt benannt", konstatiert Köcher. Knapp die Hälfte der Bevölkerung (45 Prozent) macht mittlerweile auch die strengen deutschen Datenschutzbestimmungen dafür verantwortlich, dass Deutschland bei der Digitalisierung zurückliegt. Immer mehr Deutsche halten die Regularien für überzogen. Vor fünf Jahren waren noch 38 Prozent der Bevölkerung der Meinung, der Datenschutz sei ein Hindernis für Digitalisierungsfortschritte.

Fehlende Strategie, zersplitterte Zuständigkeiten und kein Geld - so wird das nichts mit dem digitalen Wandel.
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Der Umfrage zufolge haben Bürgerinnen und Bürger hierzulande im Allgemeinen kein Problem damit, dass ihre Daten gesammelt und ausgewertet werden, wenn dies einen Nutzen für die Allgemeinheit stiftet. Zwei Drittel der Bevölkerung halten es für gerechtfertigt, Daten zu sammeln, um Behördenangelegenheiten zu vereinfachen. Jeweils sieben von zehn Befragten befürworteten die Sammlung von Daten, wenn der Staat damit Infrastrukturprojekte besser planen und Fälle von Steuerhinterziehung besser verfolgen könne.

Die strengen Datenschutzregeln in Deutschland werden immer mehr als Hindernis für die Digitalisierung wahrgenommen.
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Sogar 85 Prozent sind damit einverstanden, Telefon- oder Internetdaten auszuwerten, um Straftaten aufzuklären, beziehungsweise sensible Patientendaten für die medizinische Forschung zu analysieren. Wenn Daten für Marketingzwecke, im Kontext von Onlinekäufen oder für die Überprüfung der Kreditwürdigkeit genutzt werden sollen, votiert die Mehrheit jedoch für prohibitive Regelungen.

Deutschland darf nicht für die strengsten Vorschriften stehen

"Deutschland muss wieder für weltweit führende Lösungen stehen und nicht für die strengsten Vorschriften, insbesondere beim Datenschutz", fordert Philip Meissner vom European Center for Digital Competitiveness der ESCP Business School. Eine Deregulierung würde dazu führen, dass auch Unternehmen bei der digitalen Transformation wieder Geschwindigkeit aufnehmen können.

Außerdem brauche es endlich mehr Geschwindigkeit bei digitalen Basisangeboten wie der digitalen Verwaltung oder der digitalen Infrastruktur. Die Kompetenzen dafür müssten im Bund gebündelt werden, so Meissner: "Im Bereich GovTech gibt es in Europa schon exzellente digitale Lösungen. Diese können wir schnell und flächendeckend auch in Deutschland nutzen. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden."

Digitalisierung 2023 Deutschland verliert den Mut

Meissner verlangt mit Blick auf eine Digitalagenda mehr Fokus. "Wir sollten uns besonders auf die Bereiche Greentech und KI fokussieren." 95 Prozent der befragten Repräsentanten aus Wirtschaft und Politik sähen laut Umfrage einen Rückstand bei der Digitalisierung. In Sachen KI identifizierten 74 Prozent nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa Defizite. Lediglich im Bereich Greentech falle das Urteil positiv aus. Hier seien sieben von zehn Befragten überzeugt, dass Europa in diesem Bereich gut aufgestellt sei. Meissners Fazit: "Bei Greentech können wir weltweit führend sein, bei KI können wir es uns nicht leisten zu verlieren."