Standard statt Legacy

Deutsche Bank beendet Krise mit SAP-Projekt

29.01.2010 von Karin Quack
Während andere Unternehmen noch sparen, nimmt der Finanzdienstleister richtig Geld in die Hand: Er will mittelfristig seine Kernapplikationen durch Software von der Stange ersetzen.

Wenn sich zwei Unternehmen zusammentun, gibt meist das größere die Richtung vor. Allerdings nicht immer. Hinsichtlich der Kernbanken-Anwendungen wird sich die Deutsche Bank der Postbank anschließen, an der sie zurzeit einen Anteil von 25 Prozent plus eine Aktie und damit eine Sperrminorität hält - spätere Mehrheitsbeteiligung nicht ausgeschlossen.

Vor etwa sechs Jahren sorgte die Postbank für Aufsehen in der Bankenwelt: Gemeinsam mit der SAP entwickelte sie ein Paket von Kernanwendungen für Filialbanken, das nicht für den eigenen Bedarf maßgeschneidert wurde, sondern als Standardapplikation für die Branche gedacht war. Die COMPUTERWOCHE kürte den damaligen IT-Chef Dirk Berensmann für seine mutige Entscheidung zum "CIO des Jahres 2004".

Diese Standardlösung soll mittelfristig auch bei der Deutschen Bank zum Einsatz kommen. Das machte der für das Core-Banking-Geschäft zuständige CIO, Wolfgang Gaertner, in dieser Woche öffentlich. Bereits angedeutet hatte er es ein paar Tage zuvor in der COMPUTERWOCHE-Rubrik "IT intim".

Wie Gaertner, übrigens auch ein ehemaliger "CIO des Jahres", erläutert, hat die Deutsche Bank die Wirtschaftskrise vergleichsweise gut überstanden - nicht zuletzt dank einer rigiden Sparpolitik, zu der auch die IT maßgeblich beigetragen habe. Diese Chance will der Bankvorstand offenbar nutzen und hat für das laufende sowie das kommende Jahr die Operation "Marktführerschaft im Heimatmarkt" eingeläutet. "Dazu ist es notwendig, massiv und nachhaltig in Technologie zu investieren", konstatiert Gaertner.

IT-Budget für vier Jahre aufgestockt

Wolfgan Gaertner, CIO Core Banking, Deutsche Bank
Foto: Deutsche Bank

Nach einem viel beachteten SOA-Projekt will die Deutsche Bank jetzt den nächsten IT-Coup landen: Sie hat sich vorgenommen, ihre Kernbanksysteme zu modernisieren: die schlecht dokumentierten und schwer wartbaren Legacy-Systeme mit ihren komplexen Vernetzungen. "Das ist das Herz der Banken-IT, Stammdaten, Zahlungsverkehr, Sparbereich und Kontokorrent", erläutert Gaertner. "Diese Anwendungen werden so gut wie nie angefasst. Aber das ist der Teil, der uns langsam macht."

Aus diesem Grund stimmte der Vorstand nach langer Diskussion, an der sowohl die Fachbereiche als auch die IT beteiligt waren, schließlich einer grundsätzlichen Erneuerung der IT-Plattform zu. Über die Kosten schweigt Gaertner sich aus, sagt nur, dass das IT-Budget für vier Jahre "erheblich" aufgestockt worden sei.

Ausschlaggebend war aus Gaertners Sicht die Erkenntnis, dass in den zentralen Banking-Bereichen eine Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb kaum möglich sei: "Dort macht jede Bank das Gleiche." Auf anderen Gebieten, beispielsweise im Kreditwesen, werde die Deutsche Bank hingegen ihre Eigenentwicklungen fortsetzen und mit der Standardsoftware integrieren.

Überhaupt biete die Entscheidung für neue Kernbanken-Anwendungen eine gute Chance, auch "außen herum" gründlich aufzuräumen, so der CIO. Davon profitiere dann die gesamte IT-Landschaft.

Grid statt Mainframe

Der Hausputz erstreckt sich auch auf die Hardware. Die Deutsche Bank wird die Standardsoftware nicht auf einem Mainframe-System, sondern in einem Rechner-Grid aus x86-Maschinen implementieren (siehe auch: "Kampf der Server-Plattformen"). Ihren bislang bevorzugten Rechnerlieferanten IBM dürfe diese Nachricht wohl nicht allzu sehr erfreuen.

Foto: Deutsche Bank

Für eine derart radikale - und kostspielige - Abkehr vom Althergebrachten sind Fachbereichs-Vorstände nur zu gewinnen, wenn sie die Argumente der IT-Seite nachzuvollziehen können. Neben einer verbesserten Kostenstruktur führte Gaertner hier vor allem die beschleunigte Entwicklung und kürzere "Time-to-Market" ins Feld. Abgenommen hätten ihm die Management-Kollegen das aber nur, weil die IT drei bis vier Jahre lang "gut geliefert" und ihre eigenen Kosten erheblich verringert habe.

Inwieweit der Mut zu dieser Entscheidung vom positiven Beispiel der Postbank beflügelt war, will Gaertner nicht verraten. So lässt er denn auch die Wahl des Anbieter unkommentiert, merkt lediglich an, dass SAP ein verlässlicher Partner sei. Viel wichtiger als die Frage des Softwarelieferanten sei das grundsätzliche Ja zur Standardsoftware gewesen.

Karrierechancen für gute Leute

Foto: Deutsche Bank

Für die Mitarbeiter bedeute das Vorhaben eine gute Nachricht, kommt Gaertner etwaigen Vermutungen in Richtung auf Personalabbau zuvor: "Alle, die sich auf den Wandel einstellen, haben bei uns eine Zukunft." Entwickler, die für die Kernbankensysteme nicht mehr benötigt würden, fänden alternative Aufgaben, beispielsweise in der gerade begonnenen Neugestaltung der Filial-Workflows.

Zwar setzte die Deutsche Bank bei der Implementierung des Kernbanken-Systems stark auf externe Partner, räumt der IT-Verantwortliche ein. Doch die konzeptionelle und projektverantwortliche Ebene weürden ausschließlich intern besetzt: "Und da habe ich eher das Problem, dass ich zu wenig geeignete Leute habe." Er könne seinen Mitarbeitern jetzt einige interessante Aufgaben und Karrierchancen anbieten, freut sich er sich.

Selbstverständlich sind mit solch einem Projekt aber auch Risiken verbunden, weiß Gaertner. Sein Fazit: "Wir haben ein paar spannende Jahre vor uns."