Desperate Housewives auf dem iPod

12.10.2005
Steve Jobs präsentierte eine überarbeitete neue Generation des "iMac G5", einen neuen großen iPod mit Videowiedergabe und die neue, um Musikvideos erweiterte Version 6 der Jukebox-Software "iTunes".

LONDON (COMPUTERWOCHE) - Apple hatte die US-Presse heute früh nach San Jose und die europäische Journaille zeitverschoben abends nach London geladen, um eine Reihe von Neuheiten anzukündigen: Eine überarbeitete neue Generation des Consumer-Desktops "iMac G5", einen neuen großen iPod mit Videowiedergabe und die neue Version 6 der Jukebox-Software "iTunes", mit der man nun auch Musikvideos (und in den USA sogar Fernsehserien) online kaufen kann.

Dramaturgisch hatte Apple-Chef Steve Jobs seine Präsentation passend zum San Jose Theatre aufgebaut. Den ersten Akt widmete er dem iMac G5. Nachdem sich dieser in seinem ersten Jahr über eine Million Mal verkauft hat, wurde er nun gründlich überarbeitet. Die Nachfolgemodelle sind deutlich dünner als zuvor und besitzen eine eingebaute Konferenzkamera, die technisch sogar bessere Daten aufweist als die bislang separat verkaufte "iSight". Jobs demonstrierte ihre Fähigkeiten - und sein unleugnbares Kind im Manne - mit der ebenfalls neuen Anwendung "PhotoBooth", die Grafikeffekte aus dem Unterbau von Mac OS X auf das aktuell von der Kamera aufgenommene Bild anwendet.

Beim iMac sitzen Sie jetzt außerdem in der ersten Reihe. Der eigentliche Clou des neuen Modells ist nämlich seine minimalistische Fermbedienung mit nur sechs Tasten (die ein bisschen wie ein iPod shuffle aussieht) und die dazugehörige Benutzeroberflöche "Front Row". Damit kann man à la Windows Media Center Edition (natürlich sieht das bei Apple anders aus) bequem vom Sessel oder Sofa aus seine Musik, Fotosammlung, DVDs und Videos - Film-Trailer von Apple.com werden automatisch mit integriert - anschauen und steuern. Der neue iMac G5 kostet mit 17-Zoll-Bildschirm 1349 Euro und in der 20-Zoll-Version 1749 Euro.

Der zweite Akt der Jobs'schen Vorstellung gehörte dann dem iPod. Die bisherigen Modelle wurden fast 30 Millionen Mal verkauft und beherrschen derzeit den Gesamtmarkt für MP3-Spieler zu 75 Prozent. Allein vom neuen "iPod nano" habe Apple in nur 17 Tagen eine Million Stück verkauft und sei der Nachfrage nicht nachgekommen, so der Apple-Chef. Beim "weißen" iPod aber sei die Zeit für eine Überarbeitung reif gewesen.

Und ja - der neue weiße iPod (den es auf vielfachen Wunsch nun auch in schwarz gibt) könne auch Video, so Jobs, "as a bonus" sozusagen. Er hat dazu ein größeres Display bekommen, ein 2,5-Zoll-TFT mit 320 x 240 Pixel Auflösung und 262.000 Farbnuancen. H.264-Video decodiert er in Echtzeit (mit 30 fps). Er ist in zwei Varianten mit 30 (€319) und 60 GB (€429) Plattenplatz zu haben, beide sind dünner als das bisherige Modell mit 20 GB.

Jobs zeigte anschließend zur Demonstration einen neuen Fernsehwerbespot für den iPod, in dem man ein Musikvideo von U2 laufen sieht. Langsam zoomt die Kamera heraus und erst dann erkennt man, dass das Video auf einem iPod abläuft. Danach lief noch ein neuer "Silhoutte-Spot" mit dem Rapper Eminem in der gestrichelten Hauptrolle, bevor sich der Apple Chef dem dritten Akt zuwandte.

iTunes 6 erscheint ganze fünf Wochen nach Veröffentlichung der Version 5, enthält aber genügend Neuerungen, um den Versionssprung zu rechtfertigen. Nutzer können über die Software künftig Songs, Alben oder Playlists verschenken. Des weiteren kann man persönliche Bewertungen zu Inhalten abgeben. Und à la Amazon schlägt einem iTunes 6 nun auf Basis der bisherigen Einkäufe neue Inhalte vor, die einem gefallen sollten ("Just for you", zunächst im Betatest).

Und last, but not least kann man im iTunes-Online-Store jetzt natürlich auch Musikvideos einkaufen. Zum Start gibt es mehr als 2000 Titel zu je 2,49 Euro im Angebot. Diese stellt Apple in der nativen Auflösung des iPod (320 x 240 Pixel) bereit, auf CD/DVD darf man sie allerdings nicht brennen. Dafür kann man sie ebenso verschenken wie Musik-Files. Ebenfalls im Programm sind sechs Kurzfilmchen von Jobs' zweiter Firma Pixar Animation Studios.

Natürlich gab es auch in der heutigen Präsentation das berühmte "One more thing...". Das allerdings war (vorerst) rein auf den US-Markt beschränkt. Über eine Kooperation mit Disney kann man in den Vereinigten Staaten auch Folgen aus populären Fernsehserien wie "Desperate Housewives", "Lost" oder "The Nightstalker" bei iTunes kaufen - werbefrei und bereits am Tag nach der TV-Ausstrahlung. Man darf gespannt sein, ob und ggf. mit welchen Inhalten Apple dieses Konzept auch nach Europa und Deutschland bringt. Ein geeigneter Kandidat wäre zum Beispiel Harald Schmidts Show - allerdings dürfen die Öffentlich-Rechtlichen, zu den Schmidt ja zurückgekehrt ist, online kein Geld verdienen...

Die Kooperation mit Disney kündigte Jobs gemeinsam mit dessen neuem CEO Robert Iger an. "Das ist nur der Anfang einer langen und hoffentlich ertragreichen Zusammenarbeit mit Apple, hofft dieser. "So weit wir sehen können, ist das die Zukunft." Und Jobs kommentierte den Einstieg in den Online-Verkauf von Premium-TV-Inhalten so: "Manchmal ist der erste Schritt der schwerste, und den haben wir jetzt getan."

Was bedeute dies alles nun, fragte Jobs als Finale. Nun, dazu drehe man am besten den Kalender einen Tag zurück. Seit heute könne man ganz einfach Videos kaufen, sie auf dem Computer ansehen und auch unterwegs mitnehmen. Damit habe man in nur einem Tag eine enorme Strecke hinter sich gebracht. "I've got a feeling we're not in Kansas anymore", schloss Jobs.

Und als Zugabe gab es dann noch einen Auftritt von Wynton Marsalis, der mit seiner Combo einige Minuten lang das Ganze abrundete. "It won't get any better", bedankte sich der Apple-Chef zum Schluss beim Jazz-Trompetenvirtuosen. Also doch keine Madonna und kein ihr gewidmeter iPod in Pink, wie die Gerüchteküche vorher kolportiert hatte. (tc)

Update: Inzwischen steht die komplette Veranstaltung auch als QuickTime-7-Videostream im Netz.