IBM will Sun

Der Server-Markt wird neu geordnet

19.03.2009 von Wolfgang Herrmann
Sollte IBM tatsächlich den Konkurrenten Sun Microsystems übernehmen, ergäben sich insbesondere im Server-Markt weitreichende Veränderungen.

Für die leidgeprüften Aktionäre von Sun Microsystems war gestern ein guter Tag. Nach Meldungen mehrerer US-Medien, IBM wolle die Java-Company für mindestens 6,5 Milliarden Dollar übernehmen, schoss der Kurs der Sun-Aktie zeitweilig um mehr als 80 Prozent in die Höhe. Doch was verspricht sich IBM von dem Deal? Wie würde der weltweit zweitgrößte IT-Konzern hinter Hewlett-Packard (HP) mit den starken Überschneidungen im Produktportfolio umgehen und welche Auswirkungen hätte eine Fusion der Hardwareriesen auf den Server-Markt und die Kunden?

Andreas Zilch und Steve Janata vom Beratungshaus Experton Group haben eine erste Analyse möglicher Szenarien und Optionen vorgelegt. Ihr Fazit: Der Server-Markt würde weitgehend neu geordnet, eine weitere Konsolidierung im Software- und Storage-Markt würde folgen. Im Einzelnen kommen die Analysten zu folgenden Einschätzungen:

Aktuelle Informationslage

Die vom Wall Street Journal gemeldete Kaufsumme von 6,5 Milliarden Dollar wäre ungefähr das Doppelte des derzeitigen Börsenwertes. Das klingt im ersten Moment relativ hoch, wird aber dadurch relativiert, dass der Börsenwert von Sun in den letzten zwölf Monaten um zirka 75 Prozent gefallen ist. Bezogen auf den Umsatz von rund 14 Milliarden Dollar, den Sun im Geschäftsjahr 2008 erzielt hat, und relativ hohen Cash Positionen erscheint der Preis angemessen, obwohl Sun in den letzten Quartalen zumeist Verluste schrieb. Für das Jahr 2008 musste das Management einen Fehlbetrag von 209 Millionen Dollar verbuchen (siehe auch: Sun Quartalsergebnis).

Bei der Professionalität von IBM und Sun muss davon ausgegangen werden, dass die Verhandlungen schon weit fortgeschritten sind und sich beide Parteien im Wesentlichen einig sind, wenn solche Details an die Öffentlichkeit dringen. Das Best-Practice-Beispiel ist hier sicher die Übernahme von EDS durch HP, den Worst Case in der letzten Zeit bildet die Übernahme von Bea durch Oracle. Die folgenden Analysen stehen also bis auf weiteres unter Vorbehalt.

Die technologische Komponente

Im Server-Bereich bieten beide Unternehmen derzeit absolut führende Technologie: Sun auf Basis der Ultrasparc-Technologie und IBM mit den Power-P6-basierten Systemen. Im Storage-Bereich haben beide Unternehmen - aus einer schwächeren Position - durch Neuentwicklungen und Ankündigungen in den letzten zwölf Monaten deutlich an Boden gewonnen. Erstaunliche Parallelen also, die nicht gerade für eine technikgetriebene Akquisition sprechen.

Gerade der Markt für Unix-Server steht unter starkem Druck durch Linux und Windows - hier steht also seit längerem eine Konsolidierung an. Dass dies nun wahrscheinlich durch die beiden Technologieführer (mit entsprechenden zu erwartenden "Opfern") vorangetrieben wird, kann aus neutraler Sicht nicht gerade als positiv bewertet werden. In den Marktsegmenten für x86- und IA64-basierten Rechnern wäre die Integration sicher einfacher, aber auch wesentlich weniger spannend.

Die technischen Überschneidungen sind allerdings nicht nur negativ zu betrachten. Gerade mit Blick auf die strategischen Softwarethemen Open Source, Linux und Java ist es als durchaus positiv zu bewerten, dass IBM und Sun die gleiche Sprache sprechen. Die Gesamtposition von IBM würde mit der Übernahme von Sun kurz- und mittelfristig weiter gestärkt, auch wenn sicher harte Zeiten bezüglich der Auswahl der zukünftigen Technologien zu erwarten sind.

Der Einfluss auf den Server-Markt

Der Einfluss der Akquisition auf den gesamten Server-Markt und insbesondere auf das Unix-Segment wäre extrem und würde zu einer weitgehenden Neuordnung führen. Die IBM-Sun-Fraktion würde auf jeden Fall gestärkt und wäre gerade im Highend absolut führend. HP würde in diesem Segment deutlich geschwächt, die aktuell angekündigte vertiefte Partnerschaft mit Sun wäre wohl obsolet und HP würde sich primär auf das jetzt schon sehr erfolgreiche x86- und IA64-Geschäft konzentrieren. Auf Dell hätte die Transaktion relativ wenig Einfluss, da die Überschneidungen der Geschäftsfelder von Dell und IBM/Sun nicht besonders relevant sind.

Der große Verlierer einer Fusion von IBM und Sun wäre Fujitsu (inklusive FSC), da Sun aus strategischer und technischer Sicht optimal zu Fujitsu gepasst hätte. Die schon bestehende Technologiepartnerschaft zwischen Fujitsu und Sun (Prozessoren, Betriebssystem) hätte weiter ausgebaut werden können und auch die regionale Ausweitung auf die USA hätte perfekt gepasst. Eigentlich müsste Fujitsu jetzt aggressiv in den Bieterkampf eintreten - das entspricht aber kaum der Mentalität der Japaner. Zusätzlich verliert Fujitsu auch einen verlässlichen Partner im Unix-Markt, da IBM mittelfristig wohl weder Solaris noch die Prozessortechnik Sparc für den Wettbewerber in der gewohnten Form weiterentwickeln und bereitstellen dürfte.

Im Softwaremarkt könnte die "Anti-Microsoft-Koalition" mit einer starken Kombination von IBM und Sun weiter Auftrieb bekommen. Dies ist aber nicht der primäre Treiber des Deals.

Der Einfluss auf die Kunden

Kurzfristig, also im Zeitraum von ein bis zwei Jahren, ist kein besonderer Einfluss auf die Anwender zu erwarten - außer der Tatsache, dass die Zukunft von Sun "gesichert" wäre. Welche Technologien weitergeführt werden und damit "überleben" können, würde in diesem sehr speziellen Fall sicher erst nach einer gründlichen Analyse entschieden werden. Diese bräuchte mindestens sechs bis zwölf Monate Zeit. Eine Tendenz zu IBM-Techniken ist zwar zu erwarten. Doch auf der anderen Seite betont Big Blue wie kein anderes Unternehmen der Branche das Thema "Investitionssicherheit" gegenüber dem Kunden.

Der Einfluss auf den Handel

Für das Partner-Ökosystem würde sich eine - auch schon kurzfristig spürbare - sehr spannende Konstellation ergeben. Die Partner von Sun gelten als sehr loyal. Sie schätzen an Sun unter anderem die für einen IT-Konzern geradezu mittelständische Organisation mit kurzen Wegen und Entscheidungen. Dass das bei der IBM so wäre, kann man nicht behaupten, obwohl der Konzern in den letzten Jahren signifikante Fortschritte gemacht hat. IBM versucht zwar derzeit, sich durch seine Partnership Solution Center geografisch und organisatorisch dem Mittelstand zu nähern. Doch dieser sicher richtige Ansatz braucht noch Zeit, um Erfolge zu zeigen. Die Partnerlandschaft von Sun wäre ohne Zweifel eine große Bereicherung für IBM. Umso wichtiger erscheint es deshalb, in diesem Umfeld sehr behutsam vorzugehen.

Bottom Line und Ausblick

Bei der Abwägung der positiven und negativen Aspekte einer Akquisition von Sun durch IBM überwiegen die Vorteile, insbesondere, weil IBM seine Wettbewerbsposition im Server-Bereich deutlich stärken würde. Die Abwicklung der Übernahme wäre indes eine große Herausforderung. Eine schnelle und tiefe Integration von Sun in den IBM-Konzern nach dem Vorbild von Oracles Akquisitionen würde extreme Risiken bergen. IBM ist allerdings dafür bekannt, Übernahmen nicht mit der Brechstange umzusetzen. Trotzdem wird es auch für den Fall, dass IBM alles richtig macht, nicht einfach. Dafür sind die Firmenkulturen der beiden Unternehmen zu unterschiedlich.