Der schwere Weg vom BC zu SAP XI

26.07.2006 von Rüdiger Bellof
Mittelfristig müssen Anwender vom "Business Connector" auf alternative Produkte wie SAPs "Exchange Infrastructure" umsteigen. Das ist kein Hexenwerk, will aber geplant sein.

Via Business Connector konnten SAP-Anwender ihre Lösungen mit anderen SAP-Systemen, Drittsoftware und Marktplätzen kommunizieren lassen. Er eignete sich zur einfachen und schnellen Einrichtung von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen und kleineren Integrationsszenarien.

Hier lesen Sie …

  • wieso Anwender eine Alternative für den Business Connector suchen sollten;

  • was bei einer Migration auf die Exchange Infrastructure von SAP zu beachten ist;

  • welche Elemente des BC in XI weiterverwendet werden können;

  • dass es eine automatische Migration nicht gibt.

SAPs Exchange Infrastructure 3.0 bietet weit mehr Funktionen. Jedoch kostet im Gegensatz zum BC die Kopplung von Fremdsystemen extra.

Seit es die Exchange Infrastructure (SAP XI) gibt, ist er aus Sicht der SAP aber nicht mehr das Werkzeug der Wahl, um Geschäftsprozesse über Applikationen und Geschäftspartner hinweg zu integrieren. Da die Entwicklung des BC eingestellt wurde, dürften Anwender sukzessive auf XI umsteigen. Doch wann sollten Unternehmen migrieren, und was ist dabei zu beachten?

Der designierte Nachfolger

Mit der aktuellen Version 3.0 von SAP XI stehen heute erheblich umfangreichere Werkzeuge für Entwicklung, Customizing und den Betrieb von über System- und Unternehmensgrenzen hinweggehenden Geschäftsprozesse zur Verfügung als mit dem BC. Derzeit ist SAP dabei, das XI- eigene "Integration Repository" zum "Enterprise Services Re- pository" weiterzuentwickeln. Grund genug, sich mit den wesentlichen Änderungen bereits jetzt vertraut zu machen (siehe auch Kasten "Was sich mit XI ändert").

Gründe für eine Migration

Nach wie vor verwenden viele Unternehmen den Business Connector, da er einfach zu betreiben und kostengünstig ist. Trotzdem diskutieren Anwen- der seit einiger Zeit über ihre Erfahrungen mit einer Migration auf SAP XI. Einerseits stößt der Business Connector in manchen Szenarien an seine Grenzen, andererseits sprechen bei Firmen strategische Überlegungen für XI. Besonders in stark SAP-geprägten IT-Landschaften kann das modernere Integrations- produkt sinnvoll sein, da neue SAP-Lösungen zunehmend mit ihm als Integrationsplattform entwickelt werden und des- halb eine Einführung über kurz oder lang ohnehin notwendig ist.

Die aktuelle Version des BC ist dagegen drei Jahre alt. Sie wurde mit Windows 2000 (neben einigen Unix-Derivaten) freigegeben. Spätestens dann, wenn Microsoft die Wartung für dieses Betriebssystem-Release einstellt, müssen sich Unternehmen fragen, was mit BC-Installationen auf Windows-Rechnern geschehen soll.

Außerdem leidet der BC bei großen Datenmengen in komplexen Szenarien unter Stabilitätsproblemen, und das Moni- toring bereitet ebenfalls Schwierigkeiten. Zudem lassen sich diese Überwachungsfunktionen nicht vollständig in CCMS (Computing Center Management System, ein System-Management-Werkzeug der SAP) einbinden.

Lebensverlängerung für den BC

SAPs Business Connector setzt auf dem "Integration Server 4.6" des Integrationsspezialisten Webmethods auf, den die Walldorfer als OEM weiterent- wickelten. Die mittlerweile nicht mehr so enge Partnerschaft kam zustande, als SAP noch keine so deutlichen Infrastrukturambitionen wie jetzt mit Netweaver verfolgte.

Webmethods bietet BC-Anwendern eine Migration auf den "Integration Server 6.5" an. Der US-amerikanische Hersteller verspricht Kunden, sie müssten anders als bei einem Umstieg auf SAPs "Exchange Infrastructure" nichts neu programmieren, da ja praktisch nur ein Release-Wechsel vorgenommen werde. Natürlich ist dieser Umstieg nicht kostenlos: Pro CPU kostet das Webmethods-Produkt 90000 bis 150000 Euro. In der teuersten Variante ist ein Tool für das grafische Modellieren von Prozessen sowie für das Monitoring von Geschäftsprozessen enthalten. Diese sind für eine Eins-zu-eins-Migration des BC nicht erforderlich. Der Hardwarebedarf entspräche dann etwa dem des heutigen Business Connector.

Umfassendes Monitoring

Laut Webmethods gestatten es die genannten Monitoring-Features anders als die von XI, Abläufe in heterogenen Systemlandschaften zu überwachen. Auf einen weiteren Unterschied verweist Wilhelm Hilker, Business Consultant bei der Pikon Deutschland AG, die Projekte sowohl mit XI als auch mit Webmethods-Produkten realisiert: "Der Bedarf an Arbeitsspeicher ist beim SAP-Produkt erheblich höher, was jedoch immer vom jeweiligen Integrationsszenario abhängt."

Doch XI und Webmethods schließen sich nicht grundsätzlich aus: Über einen XI-Adapter sind Anwender in der Lage, die Webmethods-Lösung mit dem SAP-Produkt zu verbinden. Auf diese Weise können beide Integrationsansätze in IT-Umgebungen koexistieren. Frank Niemann

In komplexeren Szenarien ist eine Unterstützung durch eine lokale Datenbank für Steuerungsdaten wünschenswert. Dies ist mit SAP XI deutlich besser zu realisieren, da das Produkt als Plattform den "Web Application Server 6.40" nutzt.

Der Business Connector dient vielen SAP-Anwendern als Integrationsbaustein zur Anbindung von Drittsystemen, etwa zum Datenaustausch mit Kunden, Lieferanten und Partnern.

In vielen Unternehmen finden sich unternehmensweit verteilte BC-Installationen. Gelingt es, deren Zahl zu reduzieren, lässt sich Geld sparen. Integrationsarchitekten müssen prüfen, wie und wann eine Migration auf XI erfolgen soll. Zu Hektik besteht kein Anlass, die deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) empfiehlt, die Planung in den nächsten Monaten anzugehen.

Schrittweiser Umstieg

Insbesondere dann, wenn eine SAP-XI-Installation schon vorhanden ist, bietet sich ein schrittweiser Umstieg an. Ein guter Anlass dafür sind anstehende Änderungen am BC oder der Einführung einer neuen Hardware.

Ist noch keine XI-Installation vorhanden, sollten Firmen zunächst ein überschaubares Integrationszenario des BC auf die neue Plattform migrieren. Auf diese Weise können die Projektbeteiligten Erfahrungen in puncto Entwicklung und Betrieb sammeln.

Analyse der BC-Installation

Bevor mit einer Migration begonnen werden kann, ist eine gründliche und vollständige Analyse der vorhandenen BC-Umgebung(en) notwendig: Als problematisch erweist sich oft die fehlende, unvollständige oder nicht aktuelle Dokumentation der Prozesse und Mappings sowie das fehlende Know-how über Schnittstellen, die vor längerer Zeit eingerichtet wurden. Es gilt zu analysieren, welche Prozesse und Funktionen realisiert wurden und welche Protokolle und Packages im Einsatz sind; wo mögliche Probleme (Stabilität, Monitoring, Performance, Funktionalität) liegen und ob Flow Logic oder Java genutzt wird.

Der BC läuft bei vielen Unternehmen unter Windows, XI dagegen oft unter einem Unix-Derivat. Hier muss genau geprüft werden, ob alle Funktionen der Windows-Installation auch unter Unix zur Verfügung stehen. Für eine erfolgreiche Migration ist daher in jedem Fall fundiertes Know-how auf beiden Seiten (BC und XI) notwendig.

Migration der Szenarien

Sind die Prozesse genau analysiert, geht es an das mehr oder weniger intelligente Abschreiben der BC-Konfiguration. Ein Migrations-Tool steht derzeit nicht zur Verfügung. Bewegt sich ein Unternehmen ausschließlich in Szenarien ohne Individualentwicklung, lassen sich die Einstellungen ohne allzu großen Aufwand nach XI überführen. Zu den dort zum Einsatz kommenden Standardmechanismen gibt es in der Regel jeweilige Entsprechungen in XI, die jedoch umfangreichere Konfigurationsmöglichkeiten bieten.

Schwieriger wird es bei Individualentwicklungen. Hier gilt es grundsätzlich zu beachten:

- Flow Language ist proprietär, wird von keinem gängigen Produkt unterstützt und lässt sich auch nicht automatisiert auf XI migrieren. Diese Funktionen sind mit XI-Werkzeugen neu zu entwickeln.

- Zwar können beide Plattformen Java verarbeiten, allerdings ist der BC im Gegensatz zu XI kein standardisierter Java-Applikations-Server. Er erfüllt den J2EE-Standard nicht und hat ein proprietäres Laufzeitdatenmodell. Deshalb laufen solche Java-Routinen in XI nicht immer ohne Änderungen.

- Es lohnt sich zudem zu prüfen, ob nicht auf der neuen Plattform eine Standardlösung für das zu migrierende Szenario existiert. Beispielsweise ist zur Übertragung von steuerrelevanten Daten ans Finanzamt ("Elster") kein BC mehr erforderlich. Auch das aktuelle ERP-Produkt "Mysap ERP 2005" benötigt ihn nicht mehr.

Die Erfahrung zeigt, dass in den Fällen, in denen auf dem Business Connector Individualentwicklungen betrieben wurden, ein nicht zu vernachlässigender Entwicklungsaufwand bei einer Migration auf XI anfällt. Unverändert übernehmen lassen sich meist nur XML-Stylesheets (XSLT), die Anwender gerne zur Transformation von XML-Dokumenten verwenden. Dabei ist aber zu beachten, dass diese zwar in XI importiert und verwendet, die Mappings aber in der Folge nicht mit den dortigen grafischen Mapping-Tools weiterbearbeitet werden können.

Umfang und Komplexität der erforderlichen Entwicklung hängen stark von Art und Qualität der vorhandenen Programmierung ab. Unterstützung seitens SAPs gibt es bei einem solchen Vorhaben gegenwärtig in Form eines Migrations-Guides. Darin sind exemplarisch Schritte ausgeführt, die bei einer Umstellung notwendig sind. Das Dokument beschreibt die Grundlagen, orientiert sich jedoch eher an Standardszenarien und kann, insbesondere was Individualentwicklung betrifft, nicht alle Fragen beantworten.

Was sich mit SAP XI ändert

  • Zur Realisierung der Ablauflogik wird im SAP XI anstelle der Flow Logic das "Cross Component Business Process Management" (ccBPM) mit der "Business Process Engine" (BPE) ein- gesetzt.

  • XI bietet verbesserte Connectivity durch eine große Anzahl von Applikations-, Technologie- und industriespezifischen Adaptern.

  • Erweiterte Entwicklungsmöglichkeiten durch eine integrierte Ent- wicklungsumgebung für das Design von standardbasierenden Geschäftsprozessen, Schnittstellen, Mappings etc. (weitgehende grafische Funktionen für Mapping und Routing).

  • Verbesserte Einsatzmöglichkeiten durch die Integration mit dem SAP Web Application Server (SAP Web AS), der Skalierbarkeit, Load Balancing und Failover gewährleistet.

  • Integriertes Monitoring und Alarmfunktionen im (zentralen) CCMS.

  • Der XI-Server steht üblicherweise im internen Netz. Der Zugang vom und zum Internet erfolgt über Proxy/Reverse Proxy Server, Webdispatcher oder über ein zusätzlich in der DMZ zu installierendes "XI Adapter Framework".

  • Integrationsentwickler benötigen Java-Know-how, falls sie die Mappings in Java erstellen möchten. Ansonsten werden keine Programmierkenntnisse in Java vorausgesetzt

  • Hilfreich sind, wie beim SAP BC, Grundkenntnisse in XML.

Kostenaspekte

Eine generelle Aussage zu den Kosten ist derzeit nicht möglich, da der Migrationsaufwand, wie ausgeführt, stark von den gewählten Szenarien abhängt. Der Einspareffekt durch die Reduzierung dezentraler BC-Systeme kann aber erheblich sein.

Der aus Sicht der Unternehmen große Vorteil des Business Connector liegt in der kostenfreien Nutzung, wenn mindestens auf einer Seite der Schnittstelle ein eigenes SAP-System steht. Für XI gilt, dass alle Szenarien, an denen nur unternehmenseigene SAP-Komponenten beteiligt sind, im Rahmen einer Mysap-Business-Suite-Lizenz kostenlos von den Firmen verwendet werden können.

Was der Business Connector leistet

Mit dem Business Connector lassen sich Systeme mit Hilfe der gängigen Kommunikationsprotokolle HTTPS, FTP und SMTP nach außen beziehungsweise RFC (Remote Function Call) und ALE (Application Link Enabling) in Richtung der eigenen SAP-Systeme lose miteinander koppeln.

Individuelle Kopplungen

Sind Verbindungen über das Internet erforderlich, wird der BC üblicherweise auf einem Windows-Server in einer "demilitarisierten Zone" (DMZ) des Unternehmensnetzwerks installiert. Für einige Standardszenarien sind Systemkopplungen ohne individuellen Entwicklungsaufwand möglich. Beispiele hierfür sind der Versand von "Intermediate Documents" (Idoc). Diese dienen zum Austausch von Geschäftsbelegen (etwa für eine Bestellung oder eine Rechnung) als E-Mail-Anhang oder per HTTP(S)-Übertragung mit einer Applikation in einem definierten Format.

Darüber hinaus lassen sich mit der "Flow Language" oder direktem Java Coding eigene Entwicklungen realisieren:

  • Mit der Entwicklungssprache Flow Language bedient sich das Integrationswerkzeug einer grafischen Umgebung und erlaubt es, ohne umfangreiche Programmiererfahrung Prozeduren zu schreiben.

  • Java-Coding eröffnet die Möglichkeiten einer modernen Programmiersprache zur Entwicklung von Mappings und Routing-Regeln. Dies setzt selbstverständlich Java-Kenntnisse voraus.

Volumenabhängige Abrechnung

Die Integration von Nicht-SAP-Applikationen und/oder die Kommunikation mit Geschäftspartnern wird von den Walldorfern volumenabhängig bepreist. Diese Kosten sind je nach Szenario nicht zu vernachlässigen. Ist im Unternehmen noch keine XI-Installation vorhanden, müssen die Projektveranwortlichen zusätzliche Aufwände für Hardwarebeschaffung und -betrieb, Installation und Schulung einplanen. Spielt man die aktuellen Service Packs ein, lässt sich XI für kleinere Umgebungen auf dem Server betreiben, auf dem schon das ERP-System läuft.

Fazit

XI wird im Rahmen der zukünftigen SAP-Lösungen zunehmend als Infrastruktur benötigt. Die Migration des BC auf die neue Integrationsplattform ist kein Hexenwerk, will aber gut geplant sein und ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Langfristig kommen Unternehmen an der Migration nicht vorbei.

Es besteht kein Grund für überstürztes Handeln, aber mit den Planungen sollten Firmen bald beginnen, um nicht irgendwann von den Anforderungen der Geschäftsbereiche überrascht zu werden.