Der Markt für Productivity-Tools

Der Markt für Productivity-Tools 2005: Die Kleinen müssen Federn lassen

13.10.2005 von Uwe Küll
Noch kann sich IBM als Marktführer bei Groupware-Lösungen behaupten. Doch Wachstum ist nur im unteren Marktsegment absehbar. Damit hat Microsoft beste Chancen, auch hier eine dominierende Markposition zu erreichen.

Ein Wachstum um gerade mal 0,6 Prozent von 427 Millionen auf 430 Millionen Euro ist nicht gerade dazu angetan, die Herzen der Hersteller höher schlagen zu lassen. Dennoch sehen Experten wie Alexander Kubsch, Consultant beim Kasseler Marktfoschungsunternehmen Techconsult, und dessen Ex-Kollege Andreas Zilch, inzwischen Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender der Experton Group AG (i.G.), einige Bewegung im Groupware-Geschäft. In nackten Zahlen sieht das nach Erhebungen von Techconsult so aus: Microsoft gewinnt als einziger der drei großen Player und steigert seinen Umsatz um 8,5 Millionen Euro oder 5,7 Prozent auf 157,6 Millionen Euro.

Microsoft größter Gewinner

Damit wächst Microsofts Marktanteil von 34,9 auf 36,6 Prozent. Zwar liegen die Redmonder immer noch leicht hinter IBM, doch konnten sie den Abstand beim Marktanteil in Prozentpunkten fast halbieren. Die Ursachen dieser Entwicklung sieht der Techconsult-Analyst Kubsch in der Ausbreitung von E-Mail- und Groupware-Servern im unteren Mittelstand: „Insbesondere die Paketangebote von SMB-Server und Exchange sind in diesem Marktsegment gut angekommen.“ In den kommenden fünf Jahren, meint Kubsch, könne die Fortsetzung dieses Trends Microsoft Marktanteile nach Umsatz von bis zu 50 Prozent im Gesamtmarkt bescheren.

Im vergangenen Jahr hingegen reichten dem Marktführer IBM noch magere 0,9 Millionen Euro Umsatzwachstum, um Platz eins im Ranking mit 38,7 Prozent Marktanteil (166,3 Millionen Euro) zu behaupten. Damit, so Kubsch, ist das Marktpotenzial für Lotus Notes in Deutschland allerdings weitgehend ausgeschöpft: „Im Enterprise-Bereich, also bei Installationen mit 1000 und mehr Anwendern, bleibt Notes die Nummer eins, aber hier gibt es wenig Wachstumspotenzial. Die Musik spielt eindeutig in den unteren Marktsegmenten.“ Zwar gebe es immer noch eine ganze Reihe großer Konzerne wie BMW und Daimler-Benz, die eigenentwickelte Mail- Server einsetzten, doch sei hier nicht mit einer raschen Ablösung zu rechnen. Andererseits droht IBM im Highend-Level von Microsoft keine Gefahr, so Kubsch. Wer Groupware in Workflows integrieren wolle, beispielsweise im Bereich des Customer-Relationship-Managements (CRM), sei mit Domino/Notes auch zukünftig deutlich besser bedient als mit Exchange.

Novell vor Turnaround

Während die Spitzenreiter im Umsatz-Ranking also beide zulegen konnten, musste der Drittplatzierte Novell mehr als sieben Prozent Umsatzverlust hinnehmen und sich mit weniger als einem Zehntel Marktanteil (9,4 Prozent) begnügen. Dennoch sieht Kubsch das Unternehmen auf dem Weg zum Turnaround: „Der Schritt, Suse zu kaufen, kam vielleicht etwas spät, aber man hat ihn getan. Und mit der konsequenten Ausrichtung auf Linux und den funktionalen Verbesserungen in Version 7 von Groupwise hat man nicht nur für Altkunden der eigenen Software ein attraktives Angebot, sondern auch für die wachsende Zahl der Linux-Anwender.“ Innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre erwartet Kubsch eine Stabilisierung und erneutes Umsatzwachstum für Novell im Groupware-Markt.

Die sonstigen Anbieter mussten ebenfalls Federn lassen und kamen gemeinsam nur noch auf gut 15 Prozent des Marktes. Kleinere Hersteller wie die deutsche Tobit AG mit ihrem Produkt „David“ haben es nach Ansicht von Kubsch trotz umfangreicher Funktionalität vor allem deshalb schwer, weil sie der gigantischen Marketing- Maschinerie von Microsoft wenig entgegenzusetzen vermögen: „Gerade die kleineren Unternehmen, für die solche Produkte interessant wären, kennen diese in der Regel nicht, weil sie niemanden haben, der über detaillierte Marktkenntnisse verfügt.“ Außerdem sei die Bereitschaft der Anwender, sich an neue Systeme zu gewöhnen, oft gering. Die Konsolidierung des Marktes werde deshalb auch in Zukunft anhalten. Allerdings wird es auch weiterhin eine Nische für die zahlreichen Groupware-Tools auf Open-Source-Basis geben. Wer über entsprechendes Know-how verfüge, könne damit eine Menge Lizenkosten sparen.

Anwenderseitig ist das größte Problem aus Sicht von Meton-Chef Andreas Zilch derzeit die E-Mail-Archivierung: „Unabhängig vom eingesetzten System haben alle Unternehmen damit zu kämpfen, dass immer mehr E-Mails mit geschäftsrelevanten Informationen verschickt und empfangen werden“. Insbesondere die Verwaltung der Anhänge stelle Endanwender und IT gleichermaßen vor Probleme: Einerseits müsse man die Größe der Mail-Fächer kontrollieren, um die Server-Belastung und den Speicherbedarf im Griff zu behalten, andererseits bräuchten Anwender immer öfter Zugriff auf die Daten im Mail-System. Wer regelmäßig archiviere, spare zwar Speicherplatz auf dem Server, müsse aber häufig mehr Zeit für das Wiederfinden oder Neubeschaffen von Informationen in Mails und ihren Anhängen aufwenden. Profitieren werden von diesem Dilemma laut Zilch vor allem die Anbieter von Dokumenten- und Content-Management- Systemen, „allerdings nur dann, wenn sie über wirklich intelligente Tools zur E-Mail-Archivierung verfügen“. Darunter versteht er Werkzeuge, die Anhänge automatisch von Mails trennen, archivieren und durch Links ersetzen. Wo sie fehlen, werden sich nach Zilchs Einschätzung Desktop-Suchmaschinen durchsetzen. Die unterstützten zwar keinen systematischen Workflow im Sinne eines Information-Lifecycle-Management, geben ihren Anwendern aber immerhin das Gefühl, das Informationschaos zu beherrschen.

* Der Autor UWE KÜLL ist Redakteur bei der Computerwoche. [ukuell@computerwoche.de]