Der Markt für IT-Services

Der Markt für IT-Services 2005: Deutsche Spezialitäten

13.10.2005 von von Hermann
Die Anbieter von IT-Services haben wirtschaftlich harte Jahre hinter sich. Nun stürzen sie sich mit Schwung in eine Zukunft, die von der Gartner Group mit dem Begriff Service-Industrialisierung umschrieben wird.

Der Slogan von der Industrialisierung der IT-Services klingt nach historischen Umwälzungen und Professionalisierung. Dahinter steckt allerdings der Zwang, die Preise auf ein Niveau zu drücken, das die Kunden bereit oder in der Lage sind, zu zahlen. Es hängt nicht mit der notorischen Unterkapitalisierung des deutschen Mittelstands zusammen, wenn Dienstleistungen nur dann geordert werden, wenn IT mit Service weniger kostet als ohne. Dieser Trend ist global.

Die Folge ist, dass die IT-Dienstleister die gleiche bittere Pille schlucken müssen, die sie ihren Kunden empfehlen: Vereinfachung und Automatisierung von Prozessen, Konzentration auf Kernkompetenzen, Personalabbau und Auslagerung von weniger lukrativen Bereichen auf Subunternehmen oder in Billiglohnländer. Erste Ergebnisse: Für Deutschland erwartet die Gartner Group von 2004 auf 2005 ein Wachstum des IT-Service-Marktes von knapp 0,8 Prozent auf 30,57 Milliarden Euro, sprich: Stagnation mit einer schwachen Tendenz zum Wachstum. In Gesamt-Westeuropa liegt das Wachstum etwas besser bei 2,1 Prozent.

Doch laut Gartner-Group-Analystin Nicole France geht es nicht nur um die Umkehr des negativen Trends der vergangenen Jahre. Die eigentliche Umwälzung bestehe darin, zu begreifen, welche IT-Funktion wie viel wert ist und wie man sie anbieten kann. Das sei weniger eine Frage der Technik als der Verträge und des Ineinanderwirkens von Dienstleistern und Kunden. Dahinter liege das leicht verständliche Grundprinzip, fixe Kosten durch variable zu ersetzen.

Als Paradebeispiel der Industrialisierungsidee führt France das Utility-Konzept an. Dabei sollen Rechenleistung oder Speicherplatz als Dienstleistung so einfach wie aus der Steckdose bezogen werden. Laut France entstehen bei Großanwendern analog zur Energiebranche eigene IT-Versorger, Fließbänder für IT-Services. Mehr noch bemühen sich die führenden IT-Hersteller um das Konzept, wohl wissend, dass es noch Jahre dauert, bis IT aus der Steckdose technisch und wirtschaftlich reif ist. So wartet die gesamte Branche auf Suns erste Dienstleistungs- Rechenzentren, während HP seine Utility-Ambitionen bereits deutlich zurückfahren musste, und Analysten berichten, dass die Verträge für IBMs angeblich so einfaches Storage on Demand schon einmal 500 Seiten umfassen können. Mit der Situation am hiesigen Dienstleistungsmarkt hat die Utility-Vision also noch wenig zu tun.

Im Vordergrund der Industrialisierungsbemühungen stehen daher eher bodenständige Aspekte. Dazu gehört vor allem, sich auf gut bezahlte Dienste wie Beratung zu konzentrieren, auf sichere Einnahmequellen wie langfristige Outsourcing-Verträge und vor allem, wenig profitable Bereiche wie Hardwaresupport auszulagern.

Nicht nur auf den Preis gesehen

Tatsächlich trägt die wachsende Akzeptanz von Teil-Outsourcing auch im Mittelstand viel dazu bei, dass sich die Lage nicht schlimmer darstellt. Dabei schauen die Unternehmen laut Marktbeobachter Lünendonk nicht mehr nur auf den Preis. An zweiter Stelle der Prioritätenliste steht bei den kleineren Unternehmen Know-how, das große Firmen offensichtlich voraussetzen. Sie sehen daher die internationale Ausrichtung des Dienstleistungspartners als wichtigstes Kriterium nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis.

Eine kleine Blüte erleben in diesem Zusammenhang Beratungsleistungen. Vor allem das Schlagwort „Business Transformation“ belebt die Fantasie der Anbieter. Besonders viel Erfolg versprechen sich hier globale Dienstleister, weil mit dem hochtrabenden Begriff oft der Aufbau von Niederlassungen in China, den USA oder in Nearshore-Gebieten gemeint ist. Die Anbindung der Prozesse muss geplant werden, SAP-Installationen sind nötig, und vor allem brauchen die Unternehmen Rat beim Umgang mit den vielen gesetzlichen Vorschriften in den jeweiligen Ländern. Unter den Begriff Business Transformation fasst HP-Services aber auch echte Marktveränderungen wie sie etwa durch die Befreiung der Autohäuser von der Markenbindung entstanden sind. Jetzt brauchen die Werkstätten beispielsweise Systeme, die die Teile mehrerer Autohersteller gemeinsam verwalten können. Und der US-amerikanische Anbieter Sapient berät beispielsweise Telecom-Unternehmen bei dem Unterfangen,multimediale Inhalte gewinnbringend über Handys zu vermarkten. Generell gilt die Telecom- Industrie als Hoffnungsträger, seit sie nach Geschäftsmodellen für Konvergenzthemen wie IP-Telefonie oder IP-Fernsehen fahndet - ob mit Erfolg, wird sich zeigen. Die momentane Akzeptanz für die noch vor zwei Jahren eher verpönten Berater hat weniger mit der Orientierungssuche der Kunden zu tun als damit, dass die Dienstleister inzwischen bereit sind, Verantwortung für ihren Rat zu übernehmen, vor allem dadurch, dass sie ihn selbst umsetzen. So hat etwa Accenture sein Portfolio um Outsourcing erweitert. Umgekehrt verstärkten Systemintegratoren wie HP oder IBM ihre Beratungsleistungen.

Nebulöses Offshoring

Als wesentliches Mittel der Kostenreduzierung haben in den vergangenen Jahren Anwender wie Dienstleister das Off- und Nearshoring entdeckt. Zwar geht es dabei nach wie vor meist um einfache Programmieraufgaben, doch inzwischen werden dort zunehmend anspruchsvollere Projekte realisiert. Kenner sind sich einig, dass in Indien die Entwicklungsmethoden zum Teil fortgeschrittener sind als in den klassischen Industrieländern. Das gilt vor allem für die von Gartner eingeforderte Industrialisierung der Abläufe. Vor allem die IT-Dienstleister nutzen die Fertigkeiten der preiswerten und dabei hochklassigen Entwickler. Dabei hat sich ein Verfahren etabliert, bei dem die Auftraggeber der Dienstleister gar nicht erst erfahren, wo die Leistung erbracht wird. Auf diese Weise bleibt unklar, inwieweit die Preisvorteile des Offshoring tatsächlich weitergereicht werden.

Nicht ins Ausland verlegen lässt sich der Hardwaresupport, wenn vor Ort Hand angelegt werden muss. Davon profitieren Spezialunternehmen wie Unisys oder Getronics. So betreut Getronics den gesamten Support für Dell. Oft werden die unlukrativen Arbeiten aber an kleine regionale, vor allem preiswerte Dienstleister abgetreten, in der Hoffnung, deren Kostenstruktur sei belastungsfähiger als die der Dienstleistungskonzerne. Doch die Subunternehmer neigen selber dazu, den Kostendruck nach unten weiterzugeben, so dass eine Zulieferkette entsteht, bei der auf jeder Ebene mitverdient wird. Da diese Mehrkosten nicht auf die Kunden umzulegen sind, ist die Gefahr von Qualitätseinbußen groß.

Vorbehalte in Deutschland

BPO gilt hier zu Lande als Hoffnungsträger. Der durchschnittliche Wert einzelner BPO-Aufträge (Business Process Outsourcing) ist zwar von 2003 auf 2004 um 39,8 Prozent gesunken. Die Zahl solcher Abschlüsse selbst steigt dagegen deutlich um 51 Prozent. Doch während der Markt in England und Frankreich boomt, will in Deutschland das Geschäft mit der Auslagerung von Rechnungsstellung, Gehalts- oder Reisekostenabrechnung nicht abheben. Die Marktbeobachter etwa von Pierre Audoin Consultants (PAC) stellen eine mangelnde Akzeptanz bei den Kunden fest. Deutsche Anwender wollen brisante Firmendaten nur sehr ungern an ausländische Anbieter geben.

Überhaupt gilt Deutschland wegen seiner vielen Unternehmen zwar als lukrativer Markt, aber auch als sehr schwierig, insbesondere für ausländische Anbieter. Beflügelt durch ihre internationalen Erfolge, versuchen Offshorer wie Tata Consultancy Services (TCS), Wipro oder Infosys in Deutschland Fuß zu fassen. Hiesige Manager, so Gartner-Group-Analyst Gianluca Tramacere, macht ungewohntes Geschäftsgebaren jedoch misstrauisch, wie ihre Zurückhaltung gegenüber BPO zeigt. Auch ist Offshoring - auch aufgrund der hohen Arbeitslosenquote - weniger akzeptiert als in England oder den USA.

Zu den Besonderheiten des hiesigen Marktes zählen die vielen kleinen Softwarehäuser, die von den Dienstleistungen rund um ein eigenes Produkt leben. Ihnen fehlt in aller Regel das Geld, ihre Software zu modernisieren. Um im Geschäft zu bleiben, brauchen sie entweder eine gute lokale Verankerung oder hervorragende Branchenkenntnisse. Optimistisch sind die wenigsten. Nach einer Umfrage von Berlecon Research rechnen 95 Prozent dieser Firmen für 2005 mit stagnierenden oder sinkenden Preisen. Viele werden sich über kurz oder lang als Dienstleister für Produkte von Microsoft oder SAP verdingen. SAP selbst dagegen macht hervorragende Geschäfte mit Services (inklusive BPO) rund um seine betriebswirtschaftliche Software und setzt damit viele kleinere und größere Partner in Lohn und Brot. Die Walldorfer haben sich inzwischen auf Rang vier des hiesigen IT-Dienstleistungsrankings der Gartner-Group vorgearbeitet.

Ebenfalls eine deutsche Spezialität sind ausgelagerte IT-Abteilungen. Sie machen häufig 80 Prozent ihres Umsatzes oder mehr mit ihrer Konzernmutter. Von ihr erhalten sie entweder automatisch neue Aufträge oder erfahren doch wenigstens früher als mögliche Mitbewerber von neuen Projekten. Das ärgert externe Anbieter, die darin eine Marktblockade sehen. Auf der anderen Seite sind die Ausgründungen inzwischen ein beliebtes Akquisitionsziel geworden. Sie zu kaufen hat meist den Vorteil, damit auch gleich die Konzernmutter als Outsourcing-Kunden zu gewinnen. Der Gartner-Group-Analystin Nicole France zufolge, gilt diese Methode insbesondere für ausländische IT-Dienstleister als Königsweg, um den schwierigen deutschen Markt zu öffnen. Allerdings steigen inzwischen die Preise. So wäre HP beim Kauf der Thyssen-Krupp-Auslagerung Triaton vermutlich günstiger weggekommen, hätte man nicht den ebenfalls interessierten indischen Offshore-Spezialisten Tata Consultancy Services (TCS) ausstechen müssen. Aber auch deutsche Konzerne wie Marktführer T-Systems (Fiducia) und Siemens Business Services (RAG Infomatik) kaufen angesichts der Schwierigkeiten, organisch zu wachsen, IT-Dienstleister im In- und Ausland.

* Der Autor HERMANN GFALLER ist freier Journalist in München. [hgfaller@arcor.de]