Der Markt für intelligente Kommunikationsendgeräte: Smarte Superphones

27.09.2006
Smartphones setzen sich in Unternehmen durch. Wegbereiter dieser Kreuzung von Handheld-Computer und Mobilfunktelefon ist das populäre E-Mail-Gerät Blackberry von Research in Motion (RIM).

Markführer bleibt jedoch Handy-Hersteller Nokia, aber auch Microsoft bringt sich in eine aussichtsreiche Position. Der Markt für Smartphones entwickelte sich in Westeuropa anders als erwartet. Den klarsten Nutzen versprachen ursprünglich Geräte mit Spezialanwendungen für Außendienstmitarbeiter etwa von Versicherungen oder Wartungsfirmen. Nach den Erhebungen von Berlecon Research blieb dieses Geschäft jedoch weitgehend aus.

Förderlich oder störend?

Stattdessen setzte sich mit dem Blackberry die Push-E-Mail als "Workstyle"-Feature für Manager durch. Dabei ist durchaus umstritten, ob ständig eintreffende Mails die Produktivität fördern oder die Arbeit eher stören. Jedenfalls beherrscht RIM den Markt für mobile E-Mail-Systeme mit 59 Prozent, wobei dieser Anteil aufgrund wachsender Konkurrenz um fünf Prozent gefallen ist.

Zum Marktführer schaffte es RIM trotz seiner Beliebtheit nicht. Dominiert wird das globale Smartphone-Geschäft von den Handy-Anbietern, die allerdings in der Regel auch Geräte mit Blackberry-Funktionalität verkaufen. Nokia führt laut IDC weltweit mit rund 43 Prozent Marktanteil vor den Japanern Panasonic (zehn Prozent) und NEC (9,5 Prozent). RIM folgt mit 7,7 Prozent. In Westeuropa, wo Nokia mit 66 Prozent Marktanteil klar in Führung liegt, besetzt RIM mit einem Anteil von sechs Prozent laut IDC immerhin Platz zwei. Bei den Marktforschern von Gartner folgt RIM hinter Sony-Ericsson erst auf Platz drei.

In der Tat variiert der Markt für Handhelds stark nach Regionen. Die USA sind für RIM ein Heimspiel, weil dort E-Mailing auf dem Handy weit intensiver genutzt wird als in Europa. Was die Plattformen betrifft, sind die Amerikaner offensichtlich undogmatisch, während sich in Westeuropa die Symbian-Plattform durchsetzte, die einem Konsortium aus Nokia, Sony-Ericsson, Siemens, Panasonic und Samsung gehört.

Was ist ein Smartphone?

Dieser Beitrag hält sich im Wesentlichen an die Smartphone-Definition von IDC, weil sie am ehesten den gängigen Vorstellungen entspricht. Die Analysten sprechen von konvergenten Geräten mit Sprach- und Datenfunktionen inklusive E-Mail, die ihre Informationen mit Computern austauschen können.

Gartner dagegen hält Smartphones für Geräte mit den Funktionen von Pocket-PCs, die sich aber im Gegensatz dazu nicht auf Daten-, sondern auf Sprachkommunikation konzentrieren und zudem mit einer Hand zu bedienen sind. Deshalb zählen sie beispielsweise nur die 71xx-Serie von RIMs Blackberry-Geräten zu den Smartphones, alle anderen gelten trotz ihrer Telefonfunktion als PDAs. Damit wird RIM zwar zum Marktführer für PDAs, doch verzerren die Zahlen von Gartner die zentrale Rolle der Kanadier im Smartphone-Geschäft.

Laut Berlecon kann man davon ausgehen, dass heutige Smartphones mit (Push-)E-Mail, Office-Funktionen, PC-Synchronisierung und vor allem offener Programmierschnittstelle die Definition eines Smartphones umreißen. Je nach Bedarf wird dieses Gerät dann für berufliche oder private Zwecke ausgebaut und angeboten.

In Asien dagegen, wo Symbian keine herausragende Rolle spielt, etabliert sich vor allem dank des taiwanesischen Handy-Bauers HTC Microsofts Plattform Windows Mobile 5.0. HTC glänzt mit Wachstumsraten von über 200 Prozent. Bekannt sind hierzulande HTCs Qtek-Geräte sowie die MDA-Fabrikate, wie sie von T-Mobile, O2 oder Vodafone angeboten werden.

Markteroberung

In der Tat sieht es so aus, als ob Microsoft wie im PC-Geschäft die Integration von Betriebssystem und Anwendung als Hebel nutzen könnte, um auch diesen Markt zu erobern. RIM hat zwar Push-E-Mail als zentrale Attraktion für Business-Smartphones hoffähig gemacht, aber Mobile Windows 5.0 bietet darüber hinaus eine nahtlose Integration aller Anwendungen, die der Nutzer von seinem PC her kennt. Text- und Spreadsheet-Anhänge lassen sich dort Konvertierung im Original weiterbearbeiten. Damit stehen die vielen E-Mail-Systeme der Mobilfunker und Handyhersteller schlagartig im funktionalen Abseits.

Dass Microsoft mit den bekannten Methoden versucht, die Regeln in diesem Geschäftssegment zu bestimmen, bestätigt auch Nicole Dufft, Geschäftsführerin von Berlecon Research in Berlin: "Der Coup von Microsoft besteht darin, den Kunden über ein kostenloses Update von Exchange zu helfen, eine Push-E-Mail-Lösung umzusetzen. Damit soll natürlich die Windows-Mobile-Plattform nach vorne gebracht werden."

Dem wollen andere Unternehmen mit eigenen Aktivitäten entgegenwirken. So zum Beispiel mit der Initiative, einen Linux-Standard für Handys zu entwickeln. Hier sind NTT DoCoMo, Motorola, NEC, Vodafone, Samsung, Matsushita (Panasonic) etc. involviert. Dieser richtet sich vor allem gegen Symbian und Windows Mobile und damit gegen die Marktführerschaft von Nokia und die Eroberungsgelüste von Microsoft.

Top 5: PDA-Hersteller weltweit 2005

(Marktanteile nach Stückzahlen in Prozent)

  1. Research in Motion 21,4

  2. Palm 18,6

  3. Hewlett-Packard 15,2

  4. Nokia 6,8

  5. T-Mobile 5,5

  6. Andere 32,5

Die Zahlen beinhalten keine Smartphones wie etwa die Modelle "Treo 650" und "BlackBerry 7100", sehr wohl aber PDAs mit Telefonfunktion wie den "iPAQ 65xx" oder "Blackberry 8700". Quelle: Gartner

Vereinzelt Linux

Vereinzelte Linux-Geräte wie das Qtopia Greenphone von Trolltech kommen gerade in die Läden, und auch der einstige PDA-Marktführer Palm versucht, seine auf drei Prozent Marktanteil geschrumpfte Position mit einer Smartphone-Plattform zu verbessern. Hier gilt, dass erst ein industrieweit gültiger Standard eine hardwareunabhängige und kostengünstige Entwicklung möglich machen würde. Zudem müssen der Open-Source-Community erst noch zugkräftigere Anwendungen einfallen.

Glaubt man den Prognosen von Gartner, dann wächst der globale Smartphone-Markt bis 2009 jährlich um etwa 49 Prozent; 100 Millionen User sollen dann mobil per E-Mail erreichbar sein. Die Zahlen reflektieren allerdings eine Gartner-spezifische Definition von Smartphones, die man nicht unbedingt teilen muss (siehe Kasten: "Was ist ein Smartphone?").

In Westeuropa fallen die Zahlen weniger rosig aus. Der Handy-Markt nähert sich der Sättigungsgrenze. So gibt es allein in Deutschland inzwischen mehr Mobilfunkverträge als Einwohner. Laut IDC hat sich der Absatz von Smartphones von 2005 bis 2006 lediglich um 23 Prozent erhöht. Das klingt zwar immer noch sehr gut, war aber für die Informations- und Telekommunikations-Branche eine herbe Enttäuschung. Die Zuwächse haben nicht gereicht, um den generellen Rückgang im Geschäft mit Handhelds (Handys, PDAs und Smartphones) auszugleichen. Der Markt ist laut IDC seit Mitte vergangenen Jahres um drei Prozent geschrumpft.

Top 5: PDA-Hersteller weltweit im 2. Quartal 2006

(Marktanteile nach Auslieferungen in Prozent – vorläufige Zahlen)ilid_48

  1. Research in Motion 22,5

  2. Palm 12,7

  3. Hewlett-Packard 10,4

  4. Mio Technology 8,2

  5. Nokia 4,4

  6. Andere 41,8

Die Zahlen beinhalten keine Smartphones wie etwa die Modelle "Treo 700w" und "BlackBerry 71xx", sehr wohl aber PDAs mit Telefonfunktion wie den "iPAQ 69xx" oder "Nokia E61". Quelle: Gartner

Hart getroffen

Besonders hart trifft diese Entwicklung die PDA-Anbieter, deren Markt jährlich mit 49 Prozent wesentlich schneller schrumpft, als der Smartphone-Markt nachwächst. Das gilt etwa für Palm. Dieses Unternehmen hatte (zum Redaktionsschluss) zudem das Problem, dass es wegen giftiger Bestandteile in einigen seiner Produktreihen in Europa verordnete Auslieferungsstopps hinnehmen musste. Insbesondere Microsoft regnet es in Sachen PDA-Marktentwicklung erheblich rein, wie IDC-Analyst Geoff Blaber feststellt: "Das Unternehmen gehört zu den Opfern. Das Wachstum für die Windows-Mobile-Plattform auf konvergenten Geräten liegt zwar bei 84 Prozent. Wegen des Einbruchs bei Handhelds ist aber die Microsoft-Plattform insgesamt um sieben Prozent geschrumpft."

Wenn neben den Handy-Anbietern auch die Netzbetreiber den Einsatz von VoIP anstreben, klingt das vordergründig danach, als würde die Branche an dem Ast sägen, auf dem sie sitzt. Schließlich leben die Unternehmen traditionell von der Dauer der Telefongespräche. Tatsächlich tun sich reine Mobilfunkbetreiber schwer, solche Dienste in ihr Geschäftsmodell zu integrieren. E-Plus zum Beispiel untersagt VoIP in seinen Geschäftsbedingungen. Aber auch solche Vorgaben können nicht verhindern, dass in Zeiten von Deregulierung und Flatrates die Margen bei der Sprachkommunikation drastisch sinken.

Ausbleibender Boom

Generell setzen daher alle Netzprovider auf Datenverkehr und haben dafür ihre Netze umgerüstet. Der damit erhoffte Boom ist aber ausgeblieben. Während im Konsumentengeschäft mit Versenden von Bildern, Videoclips oder mit Handy-TV experimentiert wird, sorgen bei Business-Kunden bislang fast nur E-Mails für Auftrieb. Doch die umworbenen Firmenkunden verlangen günstige Sonderkonditionen oder Pauschaltarife. So richtet sich die Hoffnung auf die nächste Smartphone-Welle, in der dann tatsächlich Geschäftsprozesse unterstützt werden sollen.

Top 10: Smartphone-Hersteller in Westeuropa 2005

(Stückzahlen)

  1. Nokia 7.600.125

  2. Sony Ericsson 341.000

  3. Research In Motion 278.000

  4. Motorola 242.750

  5. Orange 170.000

  6. T-Mobile 118.000

  7. Palm 111.450

  8. Qtek 56.500

  9. Panasonic 44.000

  10. Samsung 22.500

Die Marktführer herkömmlicher Handys dominieren auch das Industriesegment der "intelligenten Multifunktionsgeräte". Quelle: Gartner

E-Mail gilt der Branche als Einstiegsdroge. Ist dieser Dienst erst einmal in die Firmen-IT integriert, dann folgt - so die Hoffnung - rasch die Anbindung von Außendienstmitarbeitern, von Wartungungstechnikern sowie von Managern, die auch unterwegs nicht auf ihre Firmenanwendungen verzichten wollen.

Um schon in der Einstiegsphase mithalten zu können, hat sich Marktführer Nokia mit Intellisync einen eigenen Push-Dienst ins Unternehmen geholt. Die Sybase-Tochter iAnywhere erweitert ihr reiches Middleware-Angebot um den Integrationsspezialisten Extended Systems, der bereits große Erfahrung mit der Anbindung mobiler Systeme in Unternehmensanwendungen wie SAP oder Notes aufweist. Allerdings gilt es noch ein paar Hausaufgaben in Sachen Sicherheit zu machen. Gefährdet sind laut Berlecon vor allem die Endgeräte - insbesondere die mit Microsofts mobilem Betriebssystem.
von Hermann Gfaller (freier Journalist in München)

Top 5: Multifunktionsgeräte weltweit 2. Quartal 2006

(Marktanteile nach Stückzahlen)

  1. Nokia 46,9

  2. Motorola 8,9

  3. Research In Motion 6,7

  4. Panasonic 6,4

  5. Sharp 5,1

  6. Andere 25,9

In den Zahlen sind nicht die Verkäufe von OEM-Absatzzahlen enthalten. IDCs Taxanomie für die Multifunktionsgeräte deckt sich mit der Definition von Smartphones. Quelle: IDC (September 2006)