Der Markt für Integrationslösungen

Der Markt für Integrationslösungen 2005: Ein Feld - mühsam zu beackern

13.10.2005 von Martin Bayer
IBM dominierte auch 2004 den deutschen Integrationsmarkt. Die zehn größten Anbieter konnten Umsatz und Marktanteil mehr oder weniger steigern. Einzige Ausnahme: SAP musste Einbußen hinnehmen.

„Von den Boomzeiten der Jahre 2000 und 2001 ist der Integrationsmarkt weit entfernt“, lautete das Fazit von Gartner-Analyst Fabrizio Biscotti für das Jahr 2003. Betrachtet man die Zahlen für das Jahr 2004, behält diese Analyse ihre Gültigkeit. Auch im vergangenen Jahr hielten sich die Anwender beim Kauf von Integrationslösungen zurück. Meldete die Branchen vor einigen Jahren noch Wachstumsraten von 20 Prozent und mehr, sind die Zahlen heute rückläufig beziehungsweise stagnieren.

Insgesamt investierten die deutschen Anwender laut Gartner im vergangenen Jahr 351,9 Millionen Dollar für Lösungen aus dem Bereich Application Integration und Middleware (AIM). Das ist exakt die gleiche Summe, die hierzulande ein Jahr zuvor ausgegeben wurde. Im zurückliegenden Jahr hatte das Geschäft mit AIM-Lösungen in Deutschland im Vergleich zu 2003 noch um 4,8 Prozent zugelegt.

Die Marktforscher von Gartner fassen in der AIMSparte Integrationsapplikationen wie Application Server und Enterprise-Application-Integration-Tools (EAI) sowie Middleware und Portale zusammen. Damit hinkt der deutsche Markt der Entwicklung in Westeuropa weiter hinterher. Im vergangenen Jahr verzeichneten die Hersteller mit rund 1,9 Milliarden Dollar um 5,4 Prozent höhere Einnahmen als im Jahr zuvor. Für 2004 melden die Gartner-Analysten einen Umsatzanstieg von 7,4 Prozent auf etwa zwei Milliarden Dollar.

Dollar hui - Euro pfui?

Während der europäische Markt damit auf Dollar-Basis ein solides Wachstum zeigt, sieht die Situation in Euro gerechnet ganz anders aus. So profitieren die Hersteller von der starken europäischen Währung, wenn sie ihre in Euro erzielten Umsätze aus der Alten Welt in Dollar umrechnen. Unter Euro-Vorzeichen schrumpften dagegen die AIM-Geschäfte 2004 im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 Prozent von 1,69 auf 1,63 Milliarden Euro. Ein Jahr zuvor hatte der Rückgang sogar 9,5 Prozent betragen. Auch für das laufende Jahr rechnen die Analysten nicht mit einer Trendwende. Auf Euro-Basis soll der europäische Gesamtumsatz um weitere 0,5 Prozent sinken. Die Dollar-Rechnung geht wie für 2004 etwa von einem Plus von 7,4 Prozent aus. Von einer Erholung des Marktes kann daher keine Rede sein.

Trotz der eher ernüchternden Vorzeichen rechnet Gartner-Analyst Biscotti damit, dass sich der Integrationsmarkt in den kommenden Jahren stabilisiert: „Die Integration von Anwendungen steht im Zentrum einer Welle der Erneuerung im Bereich Business Applications sowie der dazugehörigen Infrastruktur.“ Die Geschäfte würden sich daher in den kommenden Jahren gut entwickeln - „zwar langsam, aber dafür beständig“. Zugleich warnt Biscotti jedoch vor zu viel Optimismus. Das Wachstum, über das sich die Hersteller Ende der 90er Jahre freuen konnten, werde kaum zurückkehren.

Der Wettbewerb wird härter

Für die Anbieter werde der Markt nicht leichter, prognostiziert Biscotti, obwohl die Integration moderner Anwendungsplattformen mittlerweile zum technischen Standard für viele Anwender gehört. Der Wettbewerb wird nach Einschätzung des Gartner-Analysten härter: Die großen Softwareanbieter forcieren ihre Anstrengungen im Integrationsgeschäft, und neue engagierte Player, die sich vornehmlich auf Service-orientierte Architekturen konzentrieren, drängen verstärkt in den Markt.

Unter diesen Vorzeichen werde sich die Konsolidierung des Marktes weiter fortsetzen, glaubt Biscotti. Auch in den kommenden Monaten und Jahren sei mit zahlreichen Akquistionen und Mergern in diesem Segment zu rechnen.Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den aktuellen Zahlen wider. Kamen die Top Ten im deutschen AIM-Geschäft im Jahr 2003 zusammen auf einen Marktanteil von 63,7 Prozent, waren es im vergangenen Jahr 74,4 Prozent. Damit reduziert sich der Anteil der Kleinanbieter, die ein Prozent und weniger des Marktes für sich beanspruchen können, von 36,3 Prozent 2003 auf 25,6 Prozent im zurückliegenden Jahr.

Vor allem IBM hatte in den vergangenen Jahren viel zur Konsolidierung des Integrationsmarktes beigetragen. Rund 25 Softwarefirmen hat Big Blue seit 2001 geschluckt, den Großteil davon, um sein Angebot rund um die Integrationsplattform „Websphere“ auszubauen.Mit Akquisitionen komplettiere der weltgrößte IT-Anbieter sein Portfolio an den Stellen, an denen Eigenentwicklungen zu lange dauerten, erläuterten die Verantwortlichen ihr Vorgehen.

Die Strategie scheint sich auszuzahlen. Im deutschen AIM-Markt belegt IBM mit deutlichem Abstand den ersten Platz. Nach einem Marktanteil von 34,4 Prozent im Jahr 2003 kam der Branchenprimus im vergangenen Jahr sogar auf 40,4 Prozent. Die Einnahmen hierzulande wuchsen von 121,1 auf 142 Millionen Dollar.

Auch auf den Plätzen zwei bis vier gab es 2004 keine Veränderungen im Vergleich zum vorangegangenen Jahr. Mit weitem Abstand auf IBM folgen Bea Systems (7,1 Prozent), Fujitsu- Siemens Computers (6,4 Prozent) und Oracle (5,0 Prozent). Von dem Verfolger-Trio konnte lediglich Oracle etwas Boden gutmachen. Der Datenbankspezialist steigerte seine AIM-Einnahmen von 14,8 Millionen Dollar 2003 auf 17,5 Millionen Dollar im vergangenen Jahr. Der Marktanteil wuchs damit um 0,8 Prozentpunkte. Dagegen konnte Bea Systems seinen Umsatz mit Integrationslösungen in Deutschland zwischen 2003 und 2004 lediglich von 24,3 auf 25 Millionen Dollar verbessern. Der Marktanteil legte damit um magere 0,2 Prozentpunkte zu. Mit 6,4 Prozent Anteil am deutschen AIM-Geschäft verzeichnete FSC eine Stagnation im Heimatmarkt. Die Einnahmen legten im Jahresvergleich von 22,5 auf 22,6 Millionen Dollar zu.

FSC verdankt seine Position unter den ersten Fünf im deutschen Integrationsmarkt in erster Linie seiner weit verbreiteten Infrastruktur aus alten Siemens-Zeiten. International kann das japanisch-deutsche Joint Venture mit seiner „Openseas“-Plattform dagegen kaum punkten. So taucht FSC im europäischen Ranking nicht unter den Top Five auf. Bei Bea scheint sich laut den jüngsten Unternehmensmeldungen die von Gartner prognostizierte Erholung des Marktes zu bestätigen. So meldete der Anbieter für das Ende Juli abgeschlossene Quartal erstmals seit über einem Jahr wieder steigenden Lizenzeinnahmen. Der Umsatz mit Softwarelizenzen wuchs im Jahresvergleich um zwei Prozent auf 118,2 Millionen Dollar.

Spezialisten wahren ihre Chancen

Wacker geschlagen haben sich auf den Plätzen fünf und sechs die Integrationsspezialisten Tibco und Seeburger. Der in Bretten bei Karlsruhe ansässige deutsche Anbieter steigerte seinen Umsatz von 8,4 Millionen Dollar im Jahr 2003 auf 11,3 Millionen Dollar im zurückliegenden Jahr und erzielte damit einen Anteil von 3,2 Prozent am deutschen AIM-Markt nach 2,4 Prozent ein Jahr zuvor. Der US-amerikanische Anbieter Tibco verdoppelte Umsatz wie auch Marktanteil. Die Einnahmen in Deutschland verbesserten sich von 7,7 auf 15,5 Millionen Dollar. Damit erreichte das im kalifornischen Palo Alto ansässige Unternehmen 2004 einen Marktanteil von 4,4 Prozent.

Diese Zahlen belegen, dass die auf Integration spezialisierten Anbieter durchaus noch ihre Chance haben. Noch im vergangenen Jahr hatten viele Experten gemutmaßt, die Spezialisten würden in die Mühlen zwischen Infrastrukturanbietern wie IBM und Microsoft auf der einen Seite und den großen Applikationsanbietern wie Oracle und SAP auf der anderen Seite geraten. Zwar konnte auch Microsoft seinen AIM-Umsatz in Deutschland von 4,6 Millionen Dollar 2003 auf 10,2 Millionen Dollar deutlich steigern. Das reichte für Platz sieben in der deutschen Rangliste. Mit einem Marktanteil von 2,9 Prozent nach 1,3 Prozent im Vorjahr bleibt der Einfluss des weltgrößten Softwareanbieters in diesem Marktsegment jedoch überschaubar.

Auch SAP vermochte den Integrationsspezialisten trotz aller Bemühungen keine Marktanteile abzunehmen. Die Walldorfer sind mit Platz acht die großen Verlierer im deutschen Integrationsgeschäft. Als einziger Anbieter unter den Top Ten beklagte der größte deutsche Softwarehersteller rückläufige Einnahmen und Marktanteile. Nach Umsätzen mit Integrationslösungen von 13 Millionen Dollar im Jahr 2003 und Platz fünf im Gartner- Ranking kam SAP im vergangenen Jahr nur noch auf einen Umsatz von acht Millionen Dollar und Platz acht. Daraus errechneten die Marktforscher einen Marktanteil von 2,3 Prozent nach 3,7 Prozent im Jahr 2003.

SAP arbeitet seit nunmehr zwei Jahren mit „Netweaver“ als zentralem Bestandteil seiner Enterprise Services Architecture (ESA) an einer eigenen Integrationsplattform. Grundsätzlich könne SAP damit seinen Kunden eine enge Verknüpfung zwischen eigenen und Fremdapplikationen bieten, meint Gartner-Analyst Biscotti. Doch offenbar warten die Anwender noch ab. Derzeit ist SAP damit beschäftigt, ein Repository mit Definitionen von Geschäftsprozessen aufzubauen, auf deren Basis sich Kunden ab 2007 über ESA und Netweaver eigene Geschäftsapplikationen zusammenstellen können.

SOA - flexibler aber auch komplexer

Der Integrationsmarkt bewege sich auf die neue Welt der Service Oriented Architectures (SOAs) zu, prognostiziert Biscotti. Wie diese genau aussehen werde, ist bei den meisten Anbietern jedoch noch nicht klar. Bis es so weit ist, werden die Anbieter jedoch noch einiges an Aufklärungsarbeit leisten müssen. So können die Anwender zwar mit einer Service-orientierten Softwarewelt flexibler agieren, die wachsende Zahl der Schnittstellen steigert aber trotz aller Standardisierungsversprechen die Komplexität dieser Architekturen.

Trotz dieser Bedenken blicken die Gartner-Analysten etwas zuversichtlicher in die Zukunft als noch vor einem Jahr. Nachdem sie vor Jahresfrist dem europäischen AIM-Markt lediglich eine durchschnittliche Wachstumsrate von 0,8 Prozent bis 2008 vorhersagten, rechnen sie jetzt mit einem mittleren Plus von 2,5 Prozent bis 2009. Dann sollen die Anbieter in Europa rund 2,33 Milliarden Dollar mit Integrationslösungen verdienen. Diese Zahlen liegen im weltweiten Trend. Global rechnet Gartner bis 2009 mit einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 2,7 Prozent der Einnahmen. In vier Jahren würden die Hersteller dann knapp 7,13 Milliarden Dollar pro Jahr einnehmen.

* Der Autor MARTIN BAYER ist Redakteur bei der Computerwoche. [mbayer@computerwoche.de]