Der Markt für ERP,CRM und SCM: Generationswechsel bei Business-Software

27.09.2006
Der Markt für Business-Software ist von Konsolidierung geprägt. Organisches Wachstum versprechen vor allem Mittelständler, die Altsysteme ablösen.

Ob die aus Anbietersicht derzeit erfreuliche Nachfrage nach Business-Lösungen daraus resultiert, dass Anwender mehrfach verschobene Investitionen angesichts stabilisierter Konjunkturbedingungen jetzt vornehmen, ist umstritten. Fest steht: zahlreiche Firmen tauschen veraltete Software gegen neue Systeme aus und wechseln dabei nicht selten den Hersteller. Vermehrt zwingen organisatorische Gründe die Firmen zur Neuanschaffung. Da Niederlassungen in einheitliche Prozesse eingebunden werden sollen, benötigen Anwender flexible Lösungen, die sich konzern- und weltweit ausrollen lassen.

Während große Firmen sich schon vor Jahren - oft aus strategischen Erwägungen - für SAP entschieden haben und davon auch nicht abrücken, ist die Markentreue im Mittelstand weniger ausgeprägt. Daher stehen Hersteller, die dieses Kundensegment bedienen, gleich mehrfach unter Druck: Einerseits durch Anwender, die moderne Produkte fordern, andererseits durch internationale Softwarekonzerne wie Sage, SAP, Microsoft und Oracle, die mehr von großen Mittelstandskuchen möchten.

Top 10: CRM-Software in Europa (Deutschland) 2005

(Marktanteile nach Umsatz)

  1. SAP 32,4 (57,8)

  2. Siebel Systems 16,8 (3,7)

  3. Oracle (inkl. Peoplesoft) 6,3 (1,2)

  4. SAS Institute 3,7 (3,5)

  5. Amdocs 3,4 (2,6)

  6. SPSS 2,6 (1,9)

  7. Salesforce.com 2,2 (1,2)

  8. SSA Global 1,5 (-)

  9. Superoffice 1,5 (-)

  10. Microsoft 1,4 (-)

In der Topten-Liste 2005 ist die Übernahme von Siebel durch Oracle noch nicht einbezogen. Quelle: Gartner

Druck auf kleine Anbieter wächst

Vor allem kleinere Anbieter bleiben auf der Strecke. Die ohnehin bewegte Geschichte der in Donaueschingen ansässigen Firma Bäurer beispielsweise, ein Spezialist für Fertigungs- und Handelslösungen, gipfelte im Juni dieses Jahres in der Übernahme durch die britische Sage. Bäurer war nach der Insolvenz von einem Investor wieder aufgerichtet worden. Für die Engländer bedeutet der Einstieg mehr Gewicht im deutschen Markt, allerdings adressieren die Bäurer-Produkte Unternehmen mit bis zu 1000 Angestellten, wohingegen die bisherigen Sage-Lösungen üblicherweise in Firmen mit maximal 100 Mitarbeitern laufen.

Einen weitaus größeren Zusammenschluss haben die beiden "Geschmischtwarenhändler" Infor Gobal Solutions und SSA Global vollzogen. Die von Investmentgesellschaften aufgebauten Softwarehäuser hatten zuvor selbst zahlreiche Softwarespezialisten übernommen. Zu Infor gehören die hier verbreiteten Produkte von Brain, Varial und der ehemaligen Infor AG. SSA Global hat nicht zuletzt durch den Kauf von Baan Bedeutung erlangt. Durch den Zusammenschluss wurden die Kräfteverhältnisse auf dem deutschen Markt für ERP-, CRM- und SCM-Lösungen verschoben. Doch noch haben Infor und SSA Global keinen Produktfahrplan aufgelegt, was angesichts der zahlreichen Anwendungen, die auf unterschiedlichen Techniken aufsetzen, auch kein leichtes Unterfangen ist.

Als eigenständiger ERP-Anbieter vom Markt verschwunden ist auch die schwedische Firma Intentia, die jetzt zu dem in Deutschland kaum bekannten US-amerikanischen Hersteller Lawson gehört. Übernahmen verunsichern nicht nur Bestandskunden, sie vergraulen auch neue Interessenten. Nach Ansicht von Chris Pang, Senior Research Analyst für Business-Software beim Beratungshaus Gartner, hat so mancher Anwender seinen ERP-Softwarekauf verschoben, da sie nicht von der Zukunft des Anbieters überzeugt war. Dies habe zu weniger Wachstum geführt, als möglich gewesen wäre. Insgesamt konnte das Geschäft mit dieser Produktgattung um fünf Prozent zulegen.

Oracle gegen SAP

Trotz der Übernahmen und Fusionen im ERP-Umfeld bleibt SAPs Vormacht unangefochten. Noch muss der Marktführer den durch Zukäufe gewachsenen Konkurrenten Oracle hierzulande kaum fürchten, zumindest nicht bei ERP-Lösungen. Der Datenbankspezialist hatte mit Peoplesoft und J.D. Edwards zwar wichtige Anbieter übernommen, doch diese zählen hierzulande deutlich weniger Kunden als in den USA und in anderen europäischen Ländern. Daher bekämpfen sich Oracle und SAP auf dem US-amerikanischen Markt weitaus heftiger als hierzulande. In Deutschland versucht Oracle, mit "J.D. Edwards Enterprise One" den Mittelstand zu begeistern. Dieses Marktsegment will auch SAP verstärkt angehen, da sich viele Großfirmen hierzulande schon mit Produkten aus Walldorf eingedeckt haben.

SAPs potenzielle Wachstumshemmer stellen die eigenen Kunden dar, die das Erfolgsprodukt R/3 nur sehr zögerlich gegen modernere Mysap-Software austauschen. Rabattaktionen verleiten Firmen zwar, Mysap-Verträge abzuschließen, die Migration auf das neue Produkt selbst verschieben sie dann aber.

Top 10: ERP-Software in Westeuropa 2005

(Marktanteil nach Umsatz in Prozent)

  1. SAP 34,3

  2. Sage 10,0

  3. Microsoft Business Solution 4,5

  4. Oracle Corporation 4,3

  5. SSA Global Technologies 2,3

  6. Infor Global Solutions 2,0

  7. Exact Software 1,9

  8. Intentia 1,4

  9. Unit 4 Agresso 1,4

  10. Systems Union (Sun Systems) 1,3

In der Liste ist die Fusion von Infor und SSA und der Verkauf von Intentia an Lawson noch nicht festgehalten. Quelle: Gartner

Neues Geschäft erhofft sich der ERP-Primus von der Infrastrukturplattform "Netweaver". Zwar liefert SAP Teile davon gemeinsam mit den Mysap-Produkten aus, doch für die Kopplung von Drittsystemen bittet das badische Softwarehaus den Anwender zur Kasse. Auf Netweaver laufen zudem neue Applikationen ("Composite Applications"), die SAP als Zusatzprodukte verkauft. Schließlich ist die Plattform das Vehikel, mit dem ERP-Kunden den langen Weg in die Welt der Service-orientierten Architekturen reisen sollen.

Hoffnungsträger

Ein weiterer Hoffnungsträger resultierte aus einer gemeinsamen Entwicklung mit Microsoft. Während beide Softwareriesen im ERP-Geschäft gegeneinander arbeiten, finden sie bei der Integration von Office und Mysap zusammen. Das Ende Juni erschienene "Duet" (vormals "Project Mendocino") verbindet über eine Middleware die Bürokommunikationsprogramme der Redmonder mit den Daten und Prozessen von Mysap ERP 2004 an. Das Produkt soll Anwendern, die bisher selten oder nie ERP-Funktionen genutzt haben, den Einstieg in die SAP-Welt erleichtern und deren Arbeitgeber dazu verleiten, noch mehr in ERP-Lizenzen zu investieren. Firmen benötigen nämlich für diese Gelegenheitsnutzer zusätzliche Lizenzen. Da Office- und ERP-Programme heute in der Regel getrennt voneinander genutzt werden, soll die Kopplung der Welten zu höherer Datenqualität, weniger Redundanz und einer effizienteren Vorgangsbearbeitung führen.

Solche Szenarien realisiert Microsoft auch für die eigenen ERP-Produkte, wobei hier keine Middleware erforderlich ist, sondern diese Bestandteil der Business-Software ist. Die Gates-Company will mit der Verbindung von Office-Frontend und ERP-Backend ihr Gewicht im Markt vergrößern. Fast jeder PC-Nutzer im Unternehmen kennt und verwendet Office. Da liegt es nahe, ihm auch die Buchhaltungsfunktionen über die gewohnte Umgebung zugänglich zu machen. Anwendern verspricht der Hersteller dabei eine Plattform aus einem Guss, gemeint ist eine ganz auf Microsoft-Technik basierende Infrastruktur. Dazu zählen die Datenbank SQL Server, das Windows-Betriebssystem und .NET, Office Sharepoint und Office sowie natürlich die eigenen ERP-Produkte.

War Microsoft bisher die Nummer zwei hinter SAP in Gartners ERP-Ranking für Deutschland, so rutscht das Unternehmen nun auf Platz drei ab. Auf Rang zwei hinter den Walldorfern rangiert nun Infor. Der Grund: Gartner berücksichtigt neuerdings nicht mehr nur den Lizenz-, sondern auch den Wartungsumsatz. Dieser Umstand verschafft auch Firmen wie Bäurer und Intentia einen Platz unter den Top 10. Da die Bäurer-Übernahme durch Sage erst dieses Jahr vollzogen wurde, führt das Beratungshaus dieses Unternehmen noch separat in seiner Liste.

Customer-Relationship-Management

Microsoft möchte nicht nur den ERP-Markt mitgestalten, sondern setzt auch im Geschäft mit Customer-Relationship-Management seine Duftmarken. Das im eigenen Haus entstandene "CRM 3.0" richtet sich an mittelständische Unternehmen sowie an große Firmen, die bereits solche Programme von Siebel oder SAP gekauft haben, weitere Geschäftszweige jedoch mit anderen CRM-Lösungen ausstatten wollen. Auch hier, so glaubt Microsoft, werde unter anderem die Integration mit den Office-Anwendungen - vor allem mit Outlook - ausschlaggebend sein.

Wegen zahlreicher Übernahmen gibt es mittlerweile nur noch wenige CRM-Spezialisten; der größte dieser Gattung, Siebel, wurde von Oracle geschluckt. Somit sind die globalen Softwarekonzerne SAP und Oracle die umsatzstärksten CRM-Anbieter.

Top 10: SCM-Software in Westeuropa 2005

(Marktanteile nach Umsatz)

  1. SAP 30,4

  2. Oracle 8,6

  3. IBS 7,1

  4. i2 Technologies 3,4

  5. Ariba 2,8

  6. Swiss Llog 2,3

  7. Intentia 2,2

  8. Infor 1,9

  9. JDA 1,6

  10. Kewill 1,6

Auch im SCM-Segment ist Konsolidierung kein Fremdwort: Manugistics wurde von JDA Software gekauft. Quelle: Gartner

Neben dem klassischen CRM-Lizenzgeschäft etablieren sich Mietlösungen für das Kunden-Management. Unternehmen wie Salesforce.com, Rightnow und Netsuite versprechen Firmen einen vergleichsweise kostengünstigen Einstieg in die CRM-Welt. Salesforce.com hat sich inzwischen zur Nummer neun im deutschen CRM-Geschäft gemausert.

Auch wenn der Umsatzanteil der CRM-Hosting-Spezialisten noch klein ist, sehen sich die Branchenriesen genötigt, eigene Angebote aufzulegen. Siebel reagierte lange vor der Oracle-Übernahme; SAP konnte sich erst im Frühjahr 2006 zu einer On-Demand-Lösung durchringen. Allerdings scheinen die Walldorfer damit eher eine Einstiegslösung für das bisherige Softwareprodukt "Mysap CRM" schaffen zu wollen.

Zu den bedeutenden CRM-Anbietern in Deutschland zählen auch SAS Institute und SPSS. Anwender nutzen die Produkte der beiden Spezialisten für die Geschäftsdatenanalyse, um Kundendaten auszuwerten und Vertriebsaktionen gezielter zu steuern. SPSS rutschte ebenfalls wegen der zusätzlichen Berücksichtigung der Wartungseinnahmen unter die ersten zehn.

Für Gartner gehört auch der E-Commerce-Spezialist Intershop zum Kreis der umsatzkräftigsten CRM-Hersteller. Der in Jena beheimatete Softwareanbieter hat sich inzwischen zum Komplettlieferanten für den Internet-Vertrieb gewandelt und will auf diese Weise zusätzlichen Umsatz mit Dienstleistungen erzielen. Während der CRM-Markt in Deutschland um etwa zehn Prozent zulegen konnte, verläuft das Geschäft mit Produkten für Supply-Chain-Management vergleichsweise schwach: Auf nicht einmal drei Prozent beziffert Gartner das Wachstum. Analyst Pang zufolge haben es die Lösungsanbieter schwer, da Firmen in schlechten Zeiten eher geneigt sind, Optimierungspotenzial in den Kernprozessen zu suchen, die im ERP-System ablaufen, statt die Lieferkette zu verbessern.

Supply-Chain-Management

Daher verwundert es nicht, dass auch im SCM-Segment eine Konsolidierung eingesetzt hat. Mit Manugistics verlor einer der weltweit bekanntesten Spezialisten seine Unabhängigkeit. Der US-amerikanische Anbieter JDA Software zahlte 211 Millionen Dollar für Manugistics. JDA erwarb mit dem Kauf SCM-Kunden und zusätzliches Branchen-Know-how.

Neben den Global Playern im ERP-Geschäft und den breit aufgestellten SCM-Spezialisten gibt es eine Reihe von Anbietern, die nur bestimmte Funktionen oder Branchen im SCM-Umfeld abdecken. SAP führt auch den SCM-Markt an. Zu den bedeutenden Anbietern gehören ferner Infor und Oracle. Zu den wenigen noch unabhängigen Spezialisten zählt i2. Das in Dallas ansässige Unternehmen kämpft zwar mit sinkenden Umsätzen, schreibt nach drastischen Restrukturierungsmaßnahmen inzwischen aber wieder schwarze Zahlen.

Top 5: CRM-Software weltweit 2005

(Marktanteile nach Umsatz)

  1. SAP 25,9

  2. Siebel 17,0

  3. Oracle (inklusive Peoplesoft) 6,4

  4. Salesforce.com 4,9

  5. Amdocs 4,9

  6. Andere 40,9

Quelle: Gartner (Juni 2006)

Gartner zufolge dürfte sich der Markt für Business-Software, speziell der für ERP-Lösungen, in diesem und im nächsten Jahr etwas abkühlen. "Großes Wachstum wird es 2006 und 2007 nicht geben", sagt Pang voraus. Schon aus diesem Grund verstärken die Anbieter ihre Bemühungen, Konkurrenten die Kunden abzujagen. Oracle umgarnt mit "Oracle Fusion for SAP" vor allem R/3-Anwender. Umgekehrt sind die Walldorfer bemüht, mit "Safe Passage" Nutzer der von Oracle übernommenen Produkte von Siebel, J.D. Edwards und Peoplesoft zu eigenen Kunden zu machen. Ihnen werden ein Wartungsvertrag und die Migration auf Mysap angeboten. Beide Firmen prahlen damit, durch die jeweiligen Offerten Kunden des Konkurrenten gewonnen zu haben.
von Frank Niemann (Redakteur bei der Computerwoche)