Der Kreis schließt sich

21.01.1983

In der Herstellerwerbung wird immer wieder betont, daß der Computer beim Endbenutzer angelangt ist. Ja, hatte er sich denn vorher von diesem entfernt? Die Frage mag naiv klingen, doch sie legt den Finger in die Wunde. So sehr nämlich die Anbieter versichern, daß sie das Wohl der Sachbearbeiter im Auge haben, so wenig zimperlich gehen sie mit DV-historischen Tatsachen um.

Es stimmt einfach nicht, daß die Arbeitsplatzcomputerei in ihrer heutigen Ausprägung die logische Weiterentwicklung der Datenverarbeitung der sechziger und siebziger Jahre ist, wie es die Geräteproduzenten gerne hinstellen. In dem Maße, wie die Datenverarbeitung zentralisiert wurde, mußte der Sachbearbeiter Funktionen an den Computer abgeben. Das Problem, auf das die Zentralisten stießen, war ein technisches. Es betraf die "Freß- und Verdauungsgewohnheiten der Stapel-Dinosaurier": Wie und wo mußten die Daten erfaßt und gespeichert werden, um die Verarbeitung möglichst effektiv zu gestalten? Der Forderung nach kostengünstiger Datenverarbeitung konnte nur eine Betriebsform genügen, in welcher die Rechenleistung der Number-Cruncher voll zur Geltung kam: Batch.

Auf der anderen Seite führte die Stapelverarbeitung dazu, daß organisatorisch gewachsene Arbeitsabläufe zerissen wurden und die Endbenutzer auf Ergebnisse warten mußten. Es entstand ein Endloslisten-Proletariat, bei dem die Stapelmaschine nicht gerade beliebt war. Mit dem Online-Bildschirm und der Großraumplatte entdeckten die DV-Oberen das Realtime-Paradies wieder: Zentrale Speicherung und Verarbeitung, direkter Zugriff auf die Daten von dezentralen Stationen aus, so lautete der ebenso simple wie geniale Ansatz. Hierfür einige Beispiele: Unter IBMs "Systems Network Architecture" (SNA) blieb die Top-Down-Struktur erhalten (Oben schlau, unten mau!), während sich das Datenverarbeitungsequipment nahezu unbegrenzt ausbauen ließ. DV-Leiterherz, was wolltest du mehr?

Auch Siemens (Transdata), Honeywell Bull (DSE) und Sperry Univac (DNA) bedienten die Anwenderfirmen mit herstellerspezifischen Netzwerkkonzepten. Kein Anbieter, der nicht mit Network-Ideen von sich reden machte. Von Endgeräten wie Display-Terminals und Druckern versprach man sich das große Geschäft.

Die Online-Sache ließ sich anfangs auch sehr gut an. Und wenn nicht das Problem mit den Antwortzeiten aufgetaucht wäre, die großen Hersteller ritten noch heute auf der Bildschirmwelle. Daß die zentralen Jumbos der Flut von Benutzeranfragen nicht gewachsen sein könnten, hatte man nicht im Kalkül gehabt. So machten sich in der DV-Kulisse klammheimlich einige Newcomer breit, die das DDP-Pferd (Distributed Data Processing) von hinten aufzäumten: Der Endbenutzer, so ihre Empfehlung, sollte aus der Not eine Tugend machen und sich mit Computerintelligenz vor Ort (selbst) versorgen. Das Ergebnis ist bekannt: Insellösungen mit kompakten Mikrocomputern schossen wie Pilze aus dem Boden.

Nachteil, aus der Sicht des Informationslotsen: Die von der Personal Computer-Welle erfaßten Fachbereiche sagten sich von der DV-Zentrale los.

Zum großen Insulaner-Halali geblasen hat jetzt die IBM, die lange Zeit an der Philosophie hostgelenkter Datenverarbeitung festhielt. Der neue Personal Computer (PC) kommt mit einer "Softkarte", die 3270-Emulation ermöglicht.

Der Endbenutzer erhält jene Funktionen zurück, die ihm einst die Mainframe-Maschine weggenommen hatte. Er braucht gleichwohl auf Unterstützung durch die Zentrale nicht zu verzichten Der Kreis schließt sich.