Apple mischt Traditionsbranche auf

Der Kampf um die "schlaue Uhr"

20.03.2015
Wie schlau ist schlau genug? Der Markt für Smartwatches ist noch klein, aber heiß umkämpft. Es geht um künftige Milliarden und auch um die Frage, ob aus Uhrmachern Computerhersteller werden müssen. Gerade in der Schweiz.

Noch trägt sie keiner am Arm. Doch bei der Baselworld, der wichtigsten Messe der Uhren- und Schmuckhersteller, die vom 19. bis 26. März stattgefunden hat, war sie in allen Köpfen: Ein paar Wochen vor dem Verkaufsstart hat die Apple Watch die milliardenschwere Zeitmesser-Branche aufgemischt. Viele Augen sind nun auf Swatch-Patron Nick Hayek gerichtet. Kann der Mann an der Spitze des weltgrößten Uhrenkonzerns dem Industriezweig, der wie kein anderer mit dem Image der Schweiz verbunden ist, den Weg aus einer potenziell bedrohlichen Krise weisen?

Eine Apple Watch muss nach spätestens 18 Stunden aufgeladen werden. Die neue Touch Zero aus dem Hause Swatch mit angepassten digitalen Funktionen soll man hingegen ein Jahr lang nutzen können, bevor man an eine neue Batterie denken muss.
Foto: Apple

Die Uhrenbranche, sagte der Schweizer Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann beim Messerundgang, sei ein Paradebeispiel, wie man sich aus einer Krise herausarbeiten kann. In den 70er Jahren wurde die Welt mit Digitaluhren aus Fernost überschwemmt. In den Edelmanufakturen im Schweizer Jura brachen Aufträge und Arbeitsplätze weg. Da setzte Nicolas Hayek, der Vater von Nick, auf Firmenfusionen. Und auf ein billiges Fashionprodukt – die knallig-fetzige Swatch, ein Welterfolg.

Das war der Zopf, an dem sich die Schweizer Uhrenindustrie aus dem Sumpf zog. Längst strahlt sie wieder mit mehr als 500 Firmen, mehr als 50.000 Jobs und von Jahr zu Jahr gestiegenen Milliardenumsätzen. Aber wird das so bleiben angesichts des immer breiteren Angebots an Smartwatches? Jener "schlauen Uhren", die als elektronische Beinahe-Alleskönner – einschließlich Internetzugang – daherkommen?

Die Aussichten für Hersteller sind verlockend: Der Weltmarkt für Smartwatches wird sich einer Studie des Marktforschungsinstituts GfK zufolge allein in diesem Jahr mehr als versechsfachen.

Zur Gegenwehr entschlossen

Hayek bleibt gelassen. "Wer von Ihnen trägt eine Smartwatch?", fragte der 60-Jährige die Reporter, die zur Swatch-Bilanzpressekonferenz gekommen waren. Er lächelt, als sich niemand meldet. Die Apple Watch mag in aller Munde sein – für Hayek bedeutet dies aber nicht, dass ihr ein mit dem iPhone vergleichbarer Erfolg beschieden ist.

Zumal man bei Swatch zur Gegenwehr entschlossen ist. Freilich nicht mit einem "Minitelefon für das Handgelenk". So etwas überlasse man anderen, erklärt Hayek bei der Präsentation der Swatch Touch Zero. Die Uhr mit jeweils angepassten digitalen Funktionen für Freizeitaktivitäten vom Beachvolleyball bis zum Kochen soll weniger als 150 Franken (140 Euro) kosten. Zudem soll man mit der Touch Zero per Handgelenkbewegung im Supermarkt bargeldlos zahlen oder auch elektrische Türschlösser öffnen können.

Hayek hofft, dass die Bezahlfunktion neue Märkte eröffnen wird. Gerade in den USA würden viele Leute keine Uhr mehr tragen. "Wenn man damit aber bezahlen kann, wird sich dies wieder ändern." Vor allem sieht Hayek sein Produkt im Vorteil, weil man es ein Jahr lang nutzen kann, ehe man an die Batterie denken muss. Die Apple Watch muss nach spätestens 18 Stunden aufgeladen werden.

Präsentation der Apple Watch am 9. März 2015
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Tim Cook stellt die Watch vor.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Unter anderem kann die Watch Siri, Apple Pay, Kamera vom iPhone auslösen, navigieren, Passbook für Tickets oder die Musik des Smartphones fernsteuern.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Hier sehen Sie den Homescreen der Watch.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Viel Wert legt Apple auf das Fitness-Tracking.
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Man kann sich persönliche Ziele setzen...
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
... oder das Workout begleiten.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Die Watch bietet in der App "Workout" die passenden Funktionen.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
So zeigt sie beispielsweise die gelaufene Strecke an.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Ein Druck auf die Taste unterhalb der Krone gibt Zugriff auf die persönlichen Kontakte.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Auf Nachrichten lässt sich direkt antworten.
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Der Herzschlag lässt sich messen und anderen Watch-Trägern aus den persönlichen Kontakten direkt senden.
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Siri kann über die Watch direkt angesteuert werden.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Durch NFC eignet sich die Watch auch für Apple Pay.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Oder man betrachtet Bilder via Instagram.
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Stört ein Anruf, so lässt er sich direkt auf der Watch annehmen - oder ablehnen.
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Durch die Integration von Passbook auf der Watch lässt sich mit der Uhr direkt einchecken.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Die App Uber kann ein Taxi zum Flughafen rufen.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Wenn eine Hotelkette will, dann kann man die Watch auch als Schlüssel verwenden.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Eine App Alarm.com erlaubt laut Apple auch das Überwachen der Garage und das Tor öffnen durch Remote-Steuerung via Internet.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Hier sehen Sie die Möglichkeiten der App Alarm.com.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Texte lassen sich per Sprache diktieren und entweder als Audio oder eben Text verschicken.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Alle Apps von Drittanbietern werden über die iPhone-App "Apple Watch" installiert. In der App ist auch ein App Store für die Watch integriert.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
18 Stunden gibt Apple als Akkulaufzeit an; bei einem typischen Betrieb.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Das reicht, damit Apple von einer Nutzung über den ganzen Tag spricht.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Laden erfolgt über Induktion durch einen magnetisch sich fixierenden Connector.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Die Watch Sport gibt es ab 349 US-Dollar; oder in Deutschland ab 399 Euro.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Dafür bekommt man dann auch den Herzfrequenzmesser, den Sie hier im Bild sehen.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Etwas teurer sind die "normalen" Watch-Modelle im Edelstahlgehäuse.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Deutschland ist bei den ersten Ländern dabei, in denen man die Watch kaufen kann.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Ab 24. April 2015 ist es soweit.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
So werden übrigens die Watch-Modelle im Apple Store präsentiert.
Apple Watch: Präsentation zur offiziellen Vorstellung
Ungeduldige können schon ab 10. April vorbestellen und sich die Watch in selektierten Läden anschauen.

Sinneswandel in der Uhrenindustrie

Doch egal, welche Art von Smartwatch sich am Ende durchsetzen wird, in der traditionellen Uhrenindustrie vollzieht sich ein Sinneswandel. Das machte bei der Baselworld ein anderer der großen Chronometer-Patrone klar: Der 66-jährige Jean-Claude Biver, Chef der Uhrensparte des Louis-Vuitton-Konzerns LVMH, zu der Marken wie Hublot, Zenith und TAG Heuer gehören.

Es ist nicht lange her, dass Biver noch meinte, die Smartwatch werde in fünf Jahren "Sondermüll" sein. Jetzt kündigte er eine Allianz von TAG Heuer mit Intel und Google für eine Computeruhr auf der Basis des Erfolgsmodells Carrera an. Google stellt sein Betriebssystem Android Wear zur Verfügung, Intel die Chips.

Anders als Hayek mit der Touch Zero will Biver mit der Carrera Connected nach eigenem Bekunden klar dem Weg von Apple folgen und Amerikaner möglichst noch überholen: "Weil wir das volle Programm wollen und etwa sechs Monate später kommen, werden wir an der Spitze der Technologie stehen und Apple bei den Funktionen vielleicht noch übertreffen", sagte Biver der Schweizer "Sonntags-Zeitung". (dpa/tö)