2. Platz - Andreas Strausfeld, DAK

Der Durchstarter

28.11.2008 von Christoph Lixenfeld
2009 wird Andreas Strausfeld nicht mehr IT-Chef der DAK sein. Was man durchaus als Erfolg seiner Arbeit werten kann.
Andreas Strausfeld von der DAK schaffte es auf Platz zwei beim diesjährigen CIO des Jahres.

Seine berufliche Welt verändert sich gerade mit einer Geschwindigkeit, dass Andreas Strausfeld kaum noch nachkommt mit dem Beschreiben der Strukturen. Im Fragebogen zum diesjährigen Wettbewerb "CIO des Jahres" hatte er die "Ausgründung der DAK-IT zur 100-prozentigen DAK-Tochter Esanio GmbH" erwähnt. Beim Interviewtermin, nur ein halbes Jahr später, sagt der IT-Lenker dann: "Die Esanio gibt es übrigens nicht mehr."

Es ist mehr eine beiläufige Bemerkung als eine große Ankündigung. Und tätsächlich handelt es sich eher um eine Kleinigkeit, wenn sie an den sonstigen Umwälzungen rund um den DAK-CIO misst. Die wichtigste Veränderung: Strausfeld wird 2009 kein CIO mehr sein und auch nicht mehr DAK-Angestellter. Jedenfalls nicht direkt, sondern er ist dann einer von drei Geschäftsführern der Bitmarck Holding GmbH, eines IT-Dienstleisters der Sozialversicherungsbranche (siehe Interview). An dem Unternehmen hält die DAK etwa 25 Prozent. In dieser Firma ist Esanio aufgegangen, und rund 300 IT-Mitarbeiter der DAK werden 2009 für Bitmarck arbeiten.

"Der Konkurrenzkampf ist deutlich härter geworden."

Andreas Strausfeld über die Umbrüche in der Krankenkassenlandschaft und die Rolle der IT.

CW: Fusionen, Allianzen, Umstrukturierungen: In Deutschlands Krankenkassenlandschaft scheint kein Stein mehr auf dem anderen zu bleiben. Was sind die Gründe?

STRAUSFELD: Krankenversicherer sind heute in einer zwiespältigen Situation. Sie erfahren von politischer und gesetzgeberischer Seite viele Reglementierungen, dennoch sollen sie agieren wie Wirtschaftsunternehmen, inklusive dem Risiko, im schlimmsten Fall auch pleite zu gehen. Der Konkurrenzkampf ist deutlich härter geworden, verbunden mit einem gewissen Zwang zur Größe.

CW: Was bedeutet das für die IT?

STRAUSFELD: Die Unternehmen konzentrieren sich auf das Kerngeschäft, und das ist eine optimale, individuelle Betreuung der Kunden. Hier spielt die IT eine sehr große Rolle, gleichzeitig gibt es noch Verbesserungspotenzial. Wie eine aktuelle IDC-Studie erneut bestätigt hat, funktioniert in unserer Branche die Abstimmung zwischen der IT- und den Fachabteilungen nicht immer optimal. Mit unserem Projekt proDAK und der DAKOR-Plattform sind wir hier einen großen Schritt vorangekommen.

CW: Im kommenden Jahr werden Sie einer von drei Geschäftsführern der Bitmark Holding GmbH, eines von mehreren Krankenkassen getragenen IT-Dienstleisters. Was ist das Ziel dieser Allianz?

STRAUSFELD: Die Rolle der Bitmarck ist die eines integrierten IT-Service-Unternehmens für den gesamten Sozialversicherungsbereich. Schon heute bedienen wir etwa 180 Krankenkassen sowie andere Institutionen mit zusammen über 40 000 Mitarbeitern. Unsere Stärke ist dabei der Full-Service, das heißt wir bieten Software, Betriebsleistungen, Beratung und Business Process Outsourcing aus einer Hand.

CW: Verspüren Sie manchmal ein gewisses Schwindelgefühl in Anbetracht der Größe Ihrer neuen Aufgabe?

STRAUSFELD: Eigentlich nicht. Natürlich wird mein Job deutlich anders sein als die jetzige Tätigkeit als DAK-CIO. Aber das macht die Sache ja gerade so spannend.

Alle Kundendaten in einem System

Das ist allerdings nicht der Grund, warum es Strausfeld bei der Wahl zum "CIO des Jahres" unter die Top Drei geschafft hat. Entscheidend war, wie er das komplexe Gebilde, das die IT einer jeden Krankenkasse darstellt, vorher fit gemacht hat für diese Revolution.

Zentraler Ansatzpunkt war das Projekt "proDAK". Hierbei ging es um die Integration von Prozessen und Arbeitsabläufen der fachlichen Kernanwendungen auf einer zentralen Plattform. Deren Name ist Programm: "DAKOR" steht für DAK KundenOrientierung, Das Ziel lag darin, den Kunden ins Zentrum aller Vorgänge zu rücken. "Wir wollten eine CRM-Lösung in Verbindung mit einer integrierten Vorgangssteuerung," erzählt Strausfeld. "Vorher waren die Kundendaten im Unternehmen über verschiedene Softwareapplikationen verteilt. Die Herausforderung bestand darin, all diese Informationen zusammenzuführen."

Dabei alles auf einmal und von Grund auf neu zu programmieren kam nicht in Frage: zu groß, zu komplex das Vorhandene. Das sieht man am Beispiel DAKIDIS: Allein diese Kernanwendung für die Mitgliederbestandsführung und das Beitrags-Management umfasst etwa 5000 Programmmodule. Strausfeld und sein Team haben DAKIDIS ebenso wie andere Anwendungen in DAKOR integriert. Zentrales Werkzeug dabei war die Integrationslösung des CRM-Spezialisten Chordiant.

Zehn Tonnen Papier pro Monat

Mit Hilfe von DAKOR sind die DAK-Mitarbeiter jetzt in der Lage, über eine einzige Oberfläche Zugriff auf alle Kundendaten zu bekommen, das Wechseln zwischen verschiedenen Anwendungen ist vorbei. Jeder Vorgang kann während der Bearbeitung an einen Kollegen weitergereicht werden. Schließlich ist die Integration von Daten- und Sprachnetz ebenso Teil von DAKOR wie ein Dokumenten-Management-System namens DMSplus. Das ermöglicht ein papierloses Bearbeiten von Anträgen und anderem Schriftverkehr. "Wir digitalisieren im Endausbau mit dem System täglich etwa 100 000 Eingangspoststücke. Das entspricht über zehn Tonnen Papier pro Monat," sagt Strausfeld.

DAKOR, in nur elf Monaten umgesetzt, war ein großer Schritt, dem allerdings viele nicht weniger wichtige folgen werden. Strausfeld wird die Entwicklung weiter vorantreiben, allerdings ab dem kommenden Jahr nicht mehr als DAK-CIO, sondern als einer von drei Geschäftsführern der BITMARCK Holding GmbH, Dachgesellschaft der zukünftig vier operativen Konzerntöchter. Eine von Strausfelds wichtigsten Aufgaben wird die Weiterentwicklung der Softwarelösung "IKSV 21c" sein, einer komplett neu geschaffenen Mega-Software für alle Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Das modulare, Service-orientierte System läuft im Piloteinsatz bei den ersten Kassen und wird - in einigen Jahren - vorhandene Systeme zur Kundenverwaltung wie das beschriebene DAKIDIS ablösen.

"Wir schaffen damit eine skalierbare und moderne Standardlösung für die gesetzliche Krankenversicherung," sagt Strausfeld, den es natürlich reizt, in dieser aufwändigen Inszenierung eine Hauptrolle zu spielen. Der Preis dafür: viel Arbeit. Im Augenblick kommt Strausfeld auf 60 Stunden in der Woche, "mindestens", wie er zugibt. Schließlich hat er aktuell zwei "Hüte auf", einen DAK-Hut und einen Bitmarck-Hut. Ob die Menge der Arbeit in Zukunft abnimmt? "Das muss weniger werden, ganz klar. Meine Frau beschwert sich schon."

Abschalten im Schwimmbad

Strausfeld hofft, dass der Stress Ende 2009 abnimmt, wenn die Integration der DAK-IT in die Bitmarck abgeschlossen sein wird. Dann will er sich auch mehr Zeit nehmen für sein - ziemlich seltenes - Hobby. Strausfeld ist Schwimmtrainer. Oder vielleicht sollte man lieber sagen: Schwimmlehrer. Während er früher in seiner westfälischen Heimat eine Mannschaft der zweiten Bundesliga trainierte, bringt er heute Kleinkindern das Schwimmen bei. "Dabei kann ich total abschalten. Und es gibt nichts Schöneres als die Freude einer Siebenjährigen, die gerade ihr Seepferdchen geschafft hat."

Andreas Strausfeld (40), DAK

Position: CIO.

Branche: Krankenversicherung (14 000 Mitarbeiter).

Ein CIO … muss den Mut haben, unkonventionelle Wege zu gehen.

Er liest gerade … Francois Lelord und Christophe Andre: "Der ganz normale Wahnsinn: Vom Umgang mit schwierigen Menschen".

Lieblingsfach in der Schule: Englisch.

Wichtigstes Projekt

Name: DAKOR (steht für DAK KundenORientierung).

Projektbeschreibung: Einführung der Integrationsplattform Chordiant zur Unterstützung der DAK-Neuausrichtung, speziell zur Optimierung sämtlicher Arbeitsprozesse im Unternehmen; nutzt Web-2.0-Technologien, bezieht die neue auf dem Internet Protocol (IP) basierende DAK-Plattform für Sprach- und Datenkommunikation ein.

IT-Bereiche des Projekts: CRM, Datenqualität / -Management, Service-Management.

Kernprodukte: Chordiant-Integrationsplattform (SOA-Architektur).

IT-Umgebung: Mainframe, Windows Terminal Server.

Besondere Herausforderungen: Integration einer zuvor heterogenen Umgebung; Steigerung der Beratungsqualität, erhöhte Effizienz.

Zeitrahmen: elf Monate.

Projektmitarbeiter: zehn (IT-Mitarbeiter gesamt: 340).

IT-Budget (allg.): 82 Millionen Euro pro Jahr.