Der CRM-Markt erlebt ein Comeback

09.02.2005 von Heide Witte
In das Geschäft mit dem Kundenbeziehungs-Management kommt Bewegung. Einen großen Anteil daran hat der Mittelstand, der kleine, flexible Lösungen sucht und das Hosting-Modell zunehmend akzeptiert.
Vor allem mittelständische Unternehmen wollen in CRM investieren. Sie sorgen dafür, dass der deutsche Markt jährlich um durchschnittlich sechs Prozent wächst.

Die Investitionsneigung hat sich in den letzten Monaten erhöht", beobachtet Frank Naujoks, Chef der Beratungsfirma Naujoks & Collegen sowie Analyst der Hewson Group. Seine Begründung: Nachdem der Fokus in Unternehmen während der letzten zwei Jahre auf Kostenanpassungen lag, werde er nun wieder zunehmend auf Umsatzgewinnung gelegt, "und damit rückt auch der Kunde wieder in den Mittelpunkt der Betrachtung - und wie dieser kostengünstig zu pflegen ist".

CRM - ein Milliardenmarkt

Im vergangenen Jahr haben die Umsätze mit Customer-Relationship-Management (CRM) in Deutschland 1,1 Milliarden Euro erreicht, rechnen die Analysten der Meta Group vor. Und IDC geht von einem anhaltenden Aufwärtstrend aus: Bis 2008 soll der weltweite Markt um jährlich 8,9 Prozent auf 11,4 Milliarden Dollar wachsen.

Dem Wachstumstrend zum Trotz rechnet Gartner mit einem Anhalten der bereits begonnenen Konsolidierungsphase. Gegenwärtig gebe es zirka 300 Anbieter, doch über 50 Prozent des Gesamtumsatzes würden die zehn größten generieren. Diese Spitzengruppe werde von SAP angeführt, gefolgt von Siebel und Oracle/Peoplesoft. Das Verfolgerfeld: Salesforce.com, Microsoft, Sage, Amdocs, Rightnow Technologies, SAS Institute und Epiphany.

SAP meldete für 2004 einen Umsatz mit CRM-Softwarelizenzen von 474 Millionen Euro (578 Millionen Dollar), acht Prozent mehr als im Vorjahr. Siebel gibt die Einnahmen mit 444 Millionen Dollar an, das sind acht Prozent weniger als 2003 - und 30 Prozent weniger als SAP.

Fragezeichen hinter SAP

Doch der Herausforderer erkennt die Marktführerschaft der Deutschen nicht an und nimmt für sich in Anspruch, mehr "aktive Nutzer" zu haben. Denis Pombriant, Managing Principal bei Beagle Research, meint ebenfalls, Umsatzzahlen allein seien nicht aussagekräftig genug und ließen sich auch nicht wirklich vergleichen: "Siebel ist ein reines CRM-Unternehmen mit reinen CRM-Umsätzen. Bei SAP-Anwendern ist ungewiss, ob CRM als Teil von Mysap nicht ungenutzt im Schrank liegt", zweifelt Pombriant. Außerdem genieße SAP einen Heimvorteil durch den starken Euro.

Die größten Wachstumsimpulse für den hiesigen Markt des Kunden-Managements werden in diesem Jahr aus dem Mittelstandsbereich erwartet. "Diese Unternehmen sind in der Regel Erstkunden und werden keine Ersatzinvestitionen tätigen", meint Naujoks. Von diesem großen Kuchen wollen die Schwergewichte der Branche ein Stück abhaben: Microsoft, SAP, Siebel und Oracle/Peoplesoft buhlen mit entsprechend zugeschnittenen Lösungen um die mittelständischen Anwender.

Auf zunehmende Beliebtheit bei den kleinen und mittleren Unternehmen stößt das wieder-belebte Modell des Application-Service-Providing (ASP), das auch unter den Begriffen "Hosted CRM" oder "CRM on Demand" bekannt ist. Dabei können Kunden im Rahmen von Serviceverträgen detaillierte CRM-Angebote etwa aus den Bereichen Kundenservice, Marketing oder Analyse über das Netz beziehen. Die Anwender überzeugt vor allem die Skalierbarkeit und das günstige Preis-Leistungs-Verhältnis sowie die Flexibilität.

Pionier und Platzhirsch auf diesem Gebiet ist das amerikanische Unternehmen Salesfor-ce.com. Zu dessen Kundenkreis zählen längst nicht mehr nur kleine und mittelständische Anwender, sondern zunehmend auch Großkunden wie AOL. Hierzulande hat Salesforce.com derzeit viel damit zu tun, Neukunden zu gewinnen und dabei Stammkunden nicht zu verprellen, wie die Hewson Group beobachtet. "Viele Drei-Jahres-Verträge laufen in den nächsten neun bis 15 Monaten aus - und nicht alle diese Kunden werden verlängern."

Salesforce.com greift an

Gartner erwartet, dass Salesforce.com seinen Umsatz in diesem Geschäftsjahr um 80 Pro-zent auf 204,6 Millionen Dollar steigern kann. 2005 soll der Umsatz um weitere 40 Prozent auf 285 Millionen Dollar wachsen. Salesforce.com werde zum Ende des laufenden Jahres Oracle/ Peoplesoft als drittgrößten Anbieter ablösen.

CRM-Pionier Siebel hat sich unterdessen vorgenommen, den Siegeszug von Salesforce.com nicht tatenlos hinzunehmen. "Salesforce.com und andere Unternehmen konnten sich bislang nahezu ungestört im CRM-Hosting-Markt tummeln", so Bruce Cleveland, Senior Vice President und General Manager bei Siebel. Das soll anders werden: Seit Mai 2004 ist das Unternehmen mit seinem Produkt "CRM on Demand" mit IBM und British Telecom als Hosting-Partner am europäischen beziehungsweise britischen Markt aktiv. Zielgruppe sind in erster Linie Großunternehmen. Ab Februar 2005 soll Web-basierendes CRM auf der Basis von Siebel CRM On Demand auch von T-Systems offeriert werden. Damit und mit einer eigenen Vertriebsmannschaft will man den Mittelstandssektor aufmischen. Die Telekom-Tochter bietet die CRM-Lösung unter anderem in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Polen, Kroatien und Russland an.

Bei der Preisgestaltung für Hosted CRM orientiert sich Siebel am Konkurrenten Salesforce: Die CRM-Mietpreise liegen bei rund 70 Euro pro Monat und Nutzer. Unternehmen können die Mietversion auch in vorhandene Siebel-Applikationen integrieren. So können Firmen ihre Auslands- oder Tochtergesellschaften schnell mit einem CRM-System ausstatten, das problemlos zu integrieren ist und bei Bedarf gegen eine gekaufte Version eingetauscht werden kann.

"In Osteuropa ist Siebel bereits jetzt sehr aktiv und auch ganz erfolgreich", meint Naujoks. Die T-Systems-Kooperation werde sicher ab Frühjahr für noch mehr Bewegung sorgen, "es ist jedoch die Frage, inwieweit T-Systems am Ball bleibt, wenn die schnellen Erfolge abgearbeitet sind".

Die verstärkten Aktivitäten tragen bereits Früchte: "Zum ersten Mal seit 14 Quartalen konnten wir im abgelaufenen vierten Quartal wieder zulegen", frohlockt Siebel-CEO Michael Lawrie. Die Einnahmen stiegen im Jahresvergleich um sieben Prozent auf 392,4 Millionen Dollar. Nach eigenen Angaben schloss Siebel im Berichtsquartal 423 Verträge mit einem Gesamtvolumen von 380 Millionen Dollar ab. 52 Prozent der Aufträge kamen von Neukunden.

Laut Lawrie nutzten Ende 2004 rund 28000 Endanwender die Mietlösung "Hosted CRM", 8000 davon stammen von dem im Herbst 2003 übernommenen Hosting-Anbieter Upshot. Der Konkurrent Salesforce.com hatte vor kurzem gemeldet, dass inzwischen 214000 zahlende Abonnenten in 13000 Unternehmen seinen Service nutzen.

Salesforce.com rückt unterdessen nicht nur Siebel auf die Pelle. Gartner erwartet in absehbarer Zeit Konkurrenz unter anderem von Netsuite, Rightnow und Sage. Auch von Oracle, Microsoft und SAP könne mit ASP-Lösungen in diesem oder im nächsten Jahr gerechnet werden. Trotzdem sei Salesforce zum Ende des Jahres ein Platz unter den drei größten CRM-Anbietern sicher. "Die Peoplesoft-Akquisition ist den CRM-Umsätzen von Oracle derzeit nicht zuträglich, sie verunsichert die Kunden", meint Gartner. Diese Irritation will sich beispielsweise auch Siebel zunutze machen - mit Spezialofferten an Peoplesoft-Anwender.

Open-Source-Angebot im Kommen

Konkurrenz erwächst den CRM-Anbietern außerdem aus dem Open-Source-Lager. Gartner prognostiziert auch deswegen einen verstärkten Preisdruck auf die etablierten Anbieter. "Bei den Geschäftsanwendungen liegt der Anteil von Open-Source-Software bislang noch bei zwei bis drei Prozent, Tendenz aber stark steigend", so Naujoks,

Der Hamburger Anbieter Wice beispielsweise zählt neben Warner Music den Transport- und Logistikspezialisten Hartrodt zu den Anwendern seines Web-basierenden CRM- und Groupware-Produkts. "Die Praxistauglichkeit hat Wice bei der Softwarezertifizierung von Hewson Group und Schwetz Consulting bewiesen und bietet damit das erste zertifizierte Produkt aus dem Open-Source-Umfeld an", sagt Naujoks.

Mittelständler holen auf

"Der Markt bekommt durch die Aktivitäten der kommerziellen Open-Source-Anbieter neue Impulse, selbst wenn die herkömmliche Software noch einen großen Vorsprung bei den Funktionen hat", so Naujoks. Wolfgang Schwetz vom CRM-Spezialisten Schwetz Consulting fügt hinzu: "Auch die kleineren deutschen Anbieter wie Adito, CAS Software, Regware, Update Software AG und Cursor Software AG haben ihre Hausaufgaben gemacht. Sie verzeichnen stolze Zuwächse und brillieren mit neuen Softwaretechnologien sowie Internet-tauglichen CRM-Lösungen und Mehrschichtarchitektur. Sie zeigen den früheren Vorbildern aus den USA die Zähne." (hv)