Diversity-Management

Der Autist im Büro

14.01.2014 von Jan-Henrik Förster
Erst SAP, dann Vodafone: IT-Unternehmen entdecken das Potenzial von Autisten. Wer die Mitarbeiter in den Betrieb integriert, muss sie in ihrem Berufsalltag unterstützend führen.

Fabian Hoff starrt auf einen Computerbildschirm, klickt sich durch ein paar Applikationen und landet schließlich in einem Quellcode. Nicht allzu lange darf man ihm dabei über die Schulter schauen. Immerhin arbeitet der EDV-Spezialist mit vertraulichen Kundendaten in der Deutschland-Zentrale von Vodafone, dem britischen Mobilfunkkonzern. Der 30-Jährige programmiert Schnittstellen, die Datenbanken verschiedener Abteilungen miteinander verbinden. In Quellcodes mögliche Fehler suchen, Daten und Zahlen analysieren - Hoff ist ziemlich gut darin. Auch deshalb, weil er Autist ist.

Weltweit versuchen Unternehmen von deren besonderen Begabungen zu profitieren.

Der Software-Konzern SAP gab kürzlich bekannt, in den kommenden sieben Jahren 650 Autisten einstellen zu wollen - das wären ein Prozent der Belegschaft. Weltweit sollen sie als Programmierer, Software-Tester und Datenmanager arbeiten. In Indien und Irland hat SAP die Zusammenarbeit mit Autisten bereits in Pilotprojekten getestet; nun soll das Autisten-Programm in den USA, Kanada und Deutschland starten.

Spielregeln für das Projekt-Team
Diese Spielregeln sorgen für eine offene Kommunikation und bieten auch im Konfliktfall eine Orientierung.
Tipp 2
Eine offene Kommunikation einhalten.
Tipp 3
Eine konstruktive Zusammenarbeit umsetzen.
Tipp 4
Zu Problemen grundsätzlich Lösungsvorschläge anbieten.
Tipp 6
Keine Arbeitspakete ohne Termin und Verantwortlichen definieren.
Tipp 7
Delegieren von Arbeitspaketen vermeiden.
Tipp 8
Lieber miteinander reden anstatt E-Mail-Ping-Pong zu spielen.
Tipp 9
Keine politischen Spielchen treiben.
Tipp 11
Dynamik entwickeln und auf das gesamte Projektteam sowie alle Anwender übertragen.

Betreuung von Autisten

Etwa ein Prozent der Weltbevölkerung leidet an einer autistischen Störung. Autismus ist wohl erblich, zumindest entwickelt er sich bereits im Mutterleib. Es ist eine angeborene und bisher unheilbare Störung der Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungs des Gehirns, die sich schon bei Kleinkindern zeigt. "Autisten haben Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen, Sarkasmus verstehen sie nur schwer, Gesichtsausdrücke können sie nicht interpretieren," sagt Hermann Cordes, Leiter des Bremer Instituts für Autismus-Forschung (IfA). Das Spektrum der intellektuellen Störung reicht von kleinen Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu schweren geistigen Behinderungen.

Eine Variante ist das so genannte Asperger-Syndrom, davon sind weltweit zehn Prozent der Autisten betroffen. Im Gegensatz zum frühkindlichen Autismus sind Menschen mit Asperger in ihren ersten Lebensjahren nicht verhaltensauffällig. Sie entwickeln sich normal, haben beispielsweise keine Sprachstörungen. Die Probleme tauchen erst später auf, vor allem im sozialen Umgang. "Asperger-Autisten sind oftmals Eigenbrötler," sagt Cordes. "Sie sind aber oftmals hervorragende Arbeiter - sie sind präzise, können sich gut konzentrieren, auch bei sich immer wiederholenden Tätigkeiten." Die Talente der Asperger-Autisten unterscheiden sich stark. Manche sind musikalisch, andere gute Mathematiker. So wie Fabian Hoff.

Er erhielt vor drei Jahren die Diagnose: Asperger-Syndrom. "Im Studium fielen mir Fächer wie Programmieren und Mathematik einfacher als vielen anderen Studenten," sagt er. "Allerdings hatte ich Schwierigkeiten beim Auswendiglernen ohne Kontext." Zwei Studiengänge brach Hoff ab, schlug sich mit verschiedenen IT-Jobs durch - eine typische Biografie für einen Asperger-Autisten, die Mehrheit von ihnen ist arbeitslos. Verschenktes Potenzial, dachte sich Dirk Müller-Remus und gründete 2011 das Berliner Start-Up Auticon.

Der Unternehmer hat selbst einen autistischen Sohn und kam so auf die Geschäftsidee. Das IT-Unternehmen arbeitet ausschließlich mit Autisten zusammen und vermittelt die Mitarbeiter an Unternehmen, sie bleiben bei Auticon angestellt.

Über diesen Weg fand Hoff zu Vodafone. In seinem Berufsalltag hilft ihm ein Jobcoach von Auticon, beispielsweise wenn er sich überlastet fühlt. Autisten würden sich anbieten, schnell ausgenutzt zu werden, sagt Hoff. So erging es einem Auticon-Mitarbeiter. Der kam in einem Call-Center zum Einsatz und wachte einst in der Notaufnahme auf. Der Chef hatte ihm befohlen, solange am Computer sitzen zu bleiben, bis er mit der Arbeit fertig sei. Der Angestellte verbrachte dann 24 Stunden am Rechner - ohne Essen und Trinken.


Wer Berater auswählt, muss darauf achten, dass sein Team ausgewogen mit verschiedenen Persönlichkeitstypen besetzt ist - von Neuerern und Wegbereitern über Macher und Koordinatoren bis hin zu Umsetzern und Perfektionisten.
Der Neuerer
...(im Englischen auch Plant oder Chairman) ist der Kreative. Er verfügt über eine ausgeprägte Vorstellungskraft und ist in der Lage, schwierigste Probleme zu lösen. Zu seinen - tolerierbaren - Schwächen zählt, dass er oft zu beschäftigt ist, um effektiv zu kommunizieren, und dass er kleinere Probleme gern ignoriert.
Der Wegbereiter
... (engl. Resource Investigator) zeigt sich aufgeschlossen, enthusiastisch und kommunikativ. Er entwickelt Kontakte. Zu seinen lässlichen Schwächen zählt, dass er überoptimistisch ist, aber zugleich, nach anfänglicher Begeisterung, oft das Interesse verliert.
Der Koordinator/Integrator
...(engl. Co-Ordinator) ist der erfahrene und selbstsichere Typ, der Entscheidungen fördert. Zu seinen negativeren Eigenschaften gehört es, dass er mitunter als manipulativ erscheint und dazu neigt, eigene Aufgaben auf andere zu übertragen.
Der Macher
... (engl. Shaper) ist herausfordernd und dynamisch. Er arbeitet gut unter Druck und überwindet Hindernisse. Zu seinen Schwächen zählt es, ungeduldig, provozierend und verletzend zu sein.
Der Beobachter
...(engl. Monitor Evaluator) denkt nüchtern, strategisch und kritisch. Er untersucht Vorschläge auf ihre Machbarkeit. Auf der Negativseite steht, dass es ihm an der Fähigkeit mangelt, andere zu inspirieren.
Der Teamarbeiter
...(engl. Teamworker) ist kooperativ und diplomatisch, er hört zu und vermeidet unnötigen Streit. Auf der Soll-Seite stehen seine Unentschlossenheit und seine Neigung, Konfrontationen und Konflikten auszuweichen.
Der Umsetzer
... (engl. Implementor) agiert zuverlässig und effizient. Er setzt Maßnahmen um und organisiert die Arbeit. Dem steht gegenüber, dass er mitunter unflexibel und zögerlich handelt.
Der Perfektionist
(engl. Completor) zeigt sich gewissenhaft und pünktlich. Weil er selbst Fehler vermeidet und Fehler entdecken kann, wirkt er qualitätssichernd. Allerdings ist er mitunter unwillig zu delegieren und eher ängstlich.
Der Spezialist
...(engl. Specialist) ist introvertiert und handelt aus eigenem Antrieb. Er ist engagiert und bringt Fachwissen ein. Zu seinen Schwächen zählt, dass er nur sehr spezifische Beiträge liefert und sich oft in Details verliert.

Vorbereitung und Beratung

Deshalb bereitet das Start-Up die Mitarbeiter auf ihre Einsätze in den Unternehmen vor und berät gleichzeitig die Betriebe, worauf sie im Umgang mit Autisten achten müssen. "Wer Autisten einstellt, muss Strukturen schaffen, sonst kann der Versuch auch nach hinten losgehen," sagt Autismusforscher Cordes. Zum einen ist das die Betreuung. Klare Ansagen seitens der Vorgesetzten sind unter Umständen entscheidend.

Viele Autisten würden eigenen - selbst geschaffenen - Regeln folgen, in einem Unternehmen kann das unter Umständen zu Schaden führen. Neben der Betreuung bräuchten viele Autisten eine bestimmte Umgebung am Arbeitsplatz. "Manche lassen sich nicht gerne beim Arbeiten über die Schulter schauen," sagt Cordes.

Auch das dänische Unternehmen Specialisterne berät Betriebe bei der Einbindung von Autisten in den Arbeitsalltag. Wenn sich Unternehmen die nötige Zeit bei der Einarbeitung nehmen, profitieren sie nicht nur von den Begabungen der Autisten.

Der Vorteil Vielfalt

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Dass Autisten teilweise IT-Genies sind, ist laut Vodafone nicht der Grund, warum sie die Mitarbeiter einstellen. "Durch dieses Projekt vermitteln wir unseren Mitarbeitern den Wert von Vielfalt," sagt Vodafones Reputationsmanager Marc Ruckebier. Bei Vodafone weiß man, dass hinter "Diversity" ein Wettbewerbsvorteil stecken kann. Zahlreiche Studien belegen diesen Zusammenhang.

"Unsere Analysen zeigen, dass Diversity Management gerade für Unternehmen mit Wachstums-, Innovations- oder Globalisierungsstrategien unverzichtbar ist," sagt Michael Stuber von "Ungleich Besser", einer Kölner Unternehmensberatung. Betriebe mit einer bunten Belegschaft profitieren von vielfältigen Ideen. Solche Unternehmen antworten kreativer auf Anforderungen verschiedener Kundengruppen. Hinzu kommt, dass immer mehr Kunden auch auf das Image des Unternehmens achten und ihre Kaufentscheidungen davon abhängig machen.

Über 100 Studien hat die Beratung zum Thema Diversity ausgewertet. Die Untersuchungen unterstreichen den Zusammenhang zwischen Vielfalt der Belegschaft und Wirtschaftlichkeit. Insgesamt 80 Prozent der EuroStoxx50-Unternehmen greifen das Thema in ihrer Finanzkommunikation auf, auch für potenzielle Investoren wird der Faktor Vielfalt wichtiger.

Dass sich die Arbeit mit Autisten auf den Erfolg des Unternehmens positiv auswirken kann, weiß man bei Alliance Data bereits seit zwölf Jahren. Das texanische Marketing-Unternehmen (Börsenwert: neun Milliarden US-Dollar) analysiert unter anderem Kreditkarten-Daten. In Zusammenarbeit mit einer wohltätigen Organisation sucht der Konzern gezielt nach Asperger-Autisten - wegen der Vielfalt, aber auch wegen ihrer unglaublichen Talente.

"Einer unserer Mitarbeiter mit Autismus analysiert Daten, er ist dreimal so produktiv wie ein herkömmlicher Arbeiter und erzielt Genauigkeitsraten von 98 Prozent," sagt Alliance Data Manager Jim Pierce. "Das ist etwas sehr Besonderes."

Verschiedene Führungsstile einüben
Frauen führen anders. Empathie, Sensitivität, Diplomatie und Selbstorganisation gehören zu ihren Stärken. Erfolgreiche Projektmanagerinnen nutzen diese Fähigkeiten. Sie entwickeln einen auf Kooperation aufbauenden Führungsstil, der ebenso konstruktiv wie effizient funktioniert. Dennoch können sie notfalls auch „traditionell“ führen und wissen, wie man beispielsweise fruchtlose Diskussionen mit einem Machtwort beendet. Projektmanagement-Expertin Cornelia Zimmer-Reps rät Projektmanagerinnen, einen breit angelegten „Methodenkoffer“ für die Führung anzulegen – der vom ein-fühlsamen Mitarbeitergesprächen bis hin zum finalen „Basta!“ in ausufernden Projektsitzungen reicht.
Selbstmarketing betreiben
Erfolgreichen Projektmanagerinnen eilt ein guter Ruf voraus. Nach dem Prinzip „Tue Gutes und rede darüber“ weisen Sie auf ihre Erfolge hin. Sie können damit ihre Position in neuen Projekten schneller etablieren. Dieses „Selbstmarketing“ sollten Projektmanagerinnen dezent, aber mit System betreiben. Auf keinen Fall sollten sie ihr Licht aus falscher Bescheidenheit unter den Scheffel stellen und darauf hoffen, dass andere ihre Leistungen würdigen. Zu diesen Leistungen zählen neben den „harten Ergebnissen“ am Ende des Projekts auch Managementleistungen, etwa gelungene Einigungen nach Konflikten, reibungslose Abläufe bei der Zusammenarbeit im Team und mit Kunden oder methodisch besonders sorgfältige Projektplanung.
Auf den eigenen Auftritt achten
Erfolgreiche Projektmanagerinnen wissen, wie sie mit ihrer Kleidung, ihrer Frisur, ihrer Körpersprache und Ausdrucksweise auf andere wirken. „Kleidung darf heute durchaus eine weibliche Note haben, sollte aber nicht provozierend sein“, erklärt Zimmer-Reps. Auch kann überbetonte oder defensiv wirkende Körpersprache den Eindruck von Unsicherheit und mangelnder Stärke wecken. Ähnliches gilt für die Wortwahl. Verbindlich gemeinte Einschränkungen („Ich glaube...“, „Ich meine...“, „Vielleicht könnten wir...“) werden häufig als Schwäche ausgelegt. Im Projektmanagement ist ein fester, klar und schnörkellos ausgesprochener Standpunkt gefragt.
Konflikte nicht scheuen
Wer sich vor Konflikten drückt, verliert schnell sein Standing. Nichts vergiftet die Arbeitsatmosphäre in Projekten mehr als schwelende Auseinandersetzungen, sie schmälern schnell die Produktivität. Erfahrene Projektmanagerinnen folgen ihrem Bauchgefühl und erkennen früh aufkommende Streitigkeiten im Team. Sie gehen den Ursachen auf den Grund – auch dann, wenn die Kontrahenten zunächst abwiegeln.
Angriffspunkte vermeiden
Das traditionelle Rollenverständnis in Unternehmen wirkt nach. Vielen Frauen werden Führungspositionen nicht zugetraut; man sucht bei Projektmanagerinnen nach Angriffspunkten, die die alten Klischees wiederbeleben sollen. Deshalb: Projektmanagerinnen punkten offensiv mit Fachkompetenz, mit guter Selbstorganisation, methodischem Vorgehen und verlässlicher Führung. Beispielsweise sind sie gut auf Besprechungen vorbereitet, erlauben sich keine Versäumnisse bei der Projektplanung und wenden die Methodik des Projektmanagements sorgfältig an. Durch gewissenhafte Arbeit verbessert sich nicht nur die Projektarbeit. Auch fühlen sich viele Projektmanagerinnen sicherer, treten dadurch souveräner auf und können so ihr Team von ihrer Kompetenz überzeugen.
Unterstützer im Team finden
Auch Männer schätzen den weiblichen Führungsstil. Nicht alle, aber einige. Erfahrene Projektmanagerinnen haben meistens ein intuitives Gefühl, welche Mitarbeiter ihnen wohlgesonnen sind und den „neuen Ton“ in der Führungskultur schätzen. Diese Mitarbeiter sind gute Verbündete im Team. Sie lassen eine geschlossen wirkende Männerfront löchrig werden und ermöglichen einen Kulturwandel im Projekt.
Sich Netzwerken anschließen
Berufs- und Fachverbände unterhalten mittlerweile Netzwerke für den Erfahrungsaustausch von Managerinnen. Einige dieser Netzwerke werden von der Europäischen Union gefördert, andere ehrenamtlich geführt. „Frauen in Projekt-Führungspositionen sind heute noch verhältnismäßig selten“, sagt Zimmer-Reps, „entsprechend einsam kann es für die Projektmanagerinnen werden.“ Sie empfiehlt Projektmanagerinnen, solche Netzwerke zu nutzen.
Cornelia Zimmer-Reps
Die Projektmanagement-Expertin und Trainerin bietet den eintägigen Workshop „Women only - spezielle Herausforderungen meistern“, der sich an Projektmanagerinnen richtet. Dieser wird regelmäßig in Deutschland und Österreich veranstaltet. Termine und weitere Informationen finden Interessierte beim Veranstalter „next level academy“ unter www.nextlevel-academy.eu und per Mail: info@nextlevel-academy.eu.

Quelle: Wirtschaftswoche