Windows Phone mit Volltastatur

Dell Venue Pro im Praxistest

17.05.2011 von Jakob Ginzburg
Die COMPUTERWOCHE hat das erste Dell-Smartphone mit Windows Phone 7 getestet und zeigt die Vor- und Nachteile des Venue Pro auf.

Neben dem HTC 7 Pro ist das Dell Venue Pro das einzige hierzulande verfügbare Windows Phone mit einer echten QWERTZ-Tastatur. Ob noch mehr Hersteller Windows Phone 7 Smartphones mit einer Hardware-Tastatur herausbringen werden ist derzeit noch unklar. Der Marktanteil des mobilen Betriebssystems liegt aktuell bei zirka 3,2 Prozent. Grund genug, sich das Gerät genauer anzuschauen und auf seine Business-Tauglichkeit zu prüfen.

Dell Venue Pro
Dell Venue Pro
Das Dell Venue Pro ist das erste Smartphone des Herstellers mit Windows Phone 7 als Betriebssystem.
Dell Venue Pro
Drei große, beleuchtete Touch-Tasten schmücken die Vorderseite des Dell Venue Pro. Der Bildschirm weist eine Lupen-ähnliche Vergrößerung auf.
Dell Venue Pro
Die QWERTZ-Tastatur hat einen guten Druckpunkt und ist angenehm hell beleuchtet. Gelegentlich stößt man beim Schreiben an den unteren Bildschirmrand.
Dell Venue Pro
Das Design des Dell Venue Pro und die Verarbeitung überzeugen. Der Chrom-Rahmen verleiht dem Smartphone einen modernen Touch.
Dell Venue Pro
Die zwei Lautsprecher hören sich bei Bass-haltigen Song blechern an. Die Aufladung und Datenübertragung erfolgt über MicroUSB
Dell Venue Pro
Trotz des spührbaren Gewichtes liegt das Venue Pro gut in der Hand.
Dell Venue Pro
Die 5-Megapixel-Kamera macht nur durchschnittliche Bilder. Das LED-Kamera-Licht ist angenehm hell
Dell Venue Pro
Auf der rechten Seite befinden sich die Lautstärke- sowie die Kamera-Taste.
Dell Venue Pro
Auf der Oberseite liegen die 3,5mm-Klinke und der Ein-/Aus-Schalter.

Lieferumfang und Verarbeitung

Bei der Wahl des Verpackungsmaterials für das Venue Pro zeigt sich Dell von einer umweltfreundlichen Seite, so besteht das Innenleben des Kartons aus Bambusfasern, die sich besonders leicht recyceln lassen. Der Lieferumfang fällt leider eher minimal aus, da sich Dell auf das Nötigste beschränkt: Das beiliegende, kabelgebundene Stereo-Headset hat eine nur mittelmäßige Verarbeitung und Sprach/Sound-Qualität. Neben einem Ladekabel liegt auch ein USB-Adapter samt EU- und UK-Stecker für die Steckdose bei. Garantie und Handbuch klären den Käufer über wichtige Rechte auf und helfen bei der Inbetriebnahme des Smartphones.

Drei große, beleuchtete Touch-Tasten schmücken die Vorderseite des Dell Venue Pro.
Foto: Jakob Ginzburg

Auch beim Venue Pro sollte man aber nicht von der Verpackung auf das Innere schließen: Die Verarbeitung des Smartphones ist ausgezeichnet. Der um den großen 4,1-Zoll-Touchscreen (800 x 600 Pixel Auflösung) laufende Rahmen im Chrom-Design sieht nicht nur gut aus, er verleiht dem Gerät auch eine gewisse Robustheit. Die nach unten ausziehbare Tastatur hat einen sehr guten Druckpunkt und eine helle Beleuchtung, kommt aber nicht an derzeitige Blackberry-Smartphones heran. Der Akkudeckel ist speziell beschichtet und ermöglicht dem Venue Pro einen sicheren Halt in der Hand. Das ist auch nötig, denn das Gerät ist recht schwer. Schnelles Tippen ist erst nach einer mehrtätigen Gewöhnungszeit möglich.

Das Venue Pro ist recht dick und beult die Hosentasche deutlich aus. Auf der rechten Seite befinden sich die Lautstärke- sowie die Kamera-Taste.
Foto: Jakob Ginzburg

Sowohl die Kamera-, als auch die Lautstärke-Tasten sind gut in das Design integriert. Die Vorderseite wird durch drei große, beleuchtete, berührungsempfindliche Tasten, die für Windows Phone 7 typisch (und vorgeschrieben) sind, geschmückt. Eine Frontkamera für Video-Telefonie fehlt dem Venue Pro, dafür sind Licht-, Proximity- und Gravity-Sensor an Bord. Ansonsten orientiert sich die Hardware an den von Microsoft vorgegebenen Standards für Windows Phone 7 und spendierte dem Gerät eine kräftige 1-Gigahertz-CPU, 256 MB RAM sowie 8 GB Flash-Speicher.

Die Tastatur

Die QWERTZ-Tastatur hat einen guten Druckpunkt und ist angenehm hell beleuchtet. Gelegentlich stößt man beim Schreiben an den unteren Bildschirmrand
Foto: Jakob Ginzburg

Besonders viel Mühe hat sich Dell bei der eingebauten Eingabemethode gegeben. Die Tastatur, die sich nach unten herausschieben lässt, orientiert sich an dem bekannten Blackberry-Keyboard und hat einen besonders guten Druckpunkt. Die Höhe der Tasten ist ebenfalls gut abgestimmt. Weniger positiv fällt hingegen der geringe Abstand zwischen den einzelnen Tasten auf. Hier ist eine gewisse Gewöhnungszeit nötig. Ebenfalls negativ: die Tabulator-Taste fehlt und die ".com" Taste sollte eigentlich eine ".de" Taste sein. Außerdem ist der Abstand zwischen der oberen Tastenreihe und dem Bildschirmrahmen sehr gering. Menschen mit größeren Fingern werden sich hier anfangs schwer tun. Trotz dieser kleinen Mängel erleichtert die Tastatur das tägliche Arbeiten mit dem Venue Pro enorm.

Produktiv sein

Trotz des spürbaren Gewichtes liegt das Venue Pro gut in der Hand.
Foto: Jakob Ginzburg

Apropos tägliches Arbeiten. Ob E-Mails schreiben, oder schnell einen Kommentar unter das neueste Foto eines Freundes bei Facebook verfassen - mit der Tastatur lassen sich auch besonders lange Texte schnell auf den Bildschirm bringen. Doch leider gibt es unter Windows Phone 7 sehr viele Limitierungen, die ein echtes Arbeiten kaum möglich machen. Dokumente lassen sich beispielsweise nicht einfach auf eine Speicherkarte übertragen und auf dem Venue Pro öffnen. Microsoft zwingt die Anwender, Services wie "SkyDrive" und Windows Live zu benutzen. Das Unternehmen bezeichnet dieses Vorgehen als eine "weitsichtige Maßnahme", denn auch Windows 8 werde verstärkt eine Integration dieser Services bieten. Ein wenig mehr Mitspracherecht wünscht man sich als Nutzer aber allemal.

Grundsätzlich sind die eingeschränkten, beziehungsweise gar fehlenden Business-Funktionen, die bei anderen mobilen Betriebssystemen schon seit Jahren zum Standard zählen, das größte Kriterium gegen Windows Phone 7 als "Firmen-Handy". Das vorinstallierte Office-Paket bietet nur eine minimale Funktionalität und auch die Anbindung an Microsoft-Services wie den Sharepoint-Server funktioniert mehr schlecht als recht. Immerhin: Notizen lassen sich in OneNote erstellen, was in der Praxis auch gut klappt. Leider gibt es aber keine Lösung zum Darstellen von Notizen, die außerhalb von OneNote erstellt wurden, beispielsweise mit Microsoft Outlook. Ein manuelles Einspielen bereits vorhandener Outlook-Notizen in OneNote ist also ein Muss, wenn man diese auch auf seinem Windows Phone 7 Gerät nutzen will.

Leider sind auch die anderen Office-Apps nicht sonderlich überzeugend. Zwar gibt es eine Kommentar-Funktion, die in Verbindung mit Sharepoint oder einem Dokument, an dem mehrere Personen arbeiten, tatsächlich Sinn macht. Microsoft hätte lieber mehr Formatierungsmöglichkeiten implementiert, mit denen sich Dokumente interessant und lebendig gestaltet lassen.

Mäßig multimedial

Die zwei Lautsprecher hören sich bei Bass-haltigen Song blechern an. Die Aufladung und Datenübertragung erfolgt über MicroUSB.
Foto: Jakob Ginzburg

Das Venue Pro bietet die grundlegenden multimedialen Funktionen, die jedes Windows Phone 7 Smartphone mit sich bringt. Diese lassen sich aber nur in Verbindung mit Zune, dem iTunes-Klon aus dem Hause Microsoft nutzen. Das wäre eigentlich nicht ein solch großer Kritikpunkt, wenn Zune alle Funktionen von iTunes bieten würde. Besonders schade ist das Fehlen von Podcasts. Nur über mühsames, manuelles Einpflegen einer Podcast-URL werden besagte Inhalte als Feed heruntergeladen. Einen Katalog, wie er bei iTunes vorzufinden ist, sucht man vergeblich.

Auch sonst erschließt sich der Sinn von Zune nicht sofort, denn die Verbreitung von der Anwendung und des Dienstes ist in Deutschlang gering. Vielen ist unklar, warum eine zusätzliche Multimedia-Anwendung installiert werden muss, wenn der Windows Media Player bereits auf dem PC installiert ist. Dieser kann aber keine Inhalte mit Windows Phone 7 synchronisieren. Zählt man dann noch das Media Center dazu, so sind drei Audio- und Video-Wiedergabe Anwendungen auf dem Computer installiert, von denen aber nur eine mit dem neuen mobilen Betriebssystem interagieren kann - eine ziemlich schwache Leistung.

Ebenfalls schwach ist die Tatsache, dass für System-Updates noch immer Zune benötigt wird. Microsoft hat zwar eine "over the air update" Funktion eingebaut, von dieser aber noch keinen Gebrauch gemacht. Pluspunkte gibt es hingegen für die Backup-Funktion von Zune, die sich anders als iTunes nur bei System-Updates zeigt. Weniger gut gefiel uns die Verwaltung neuer und vorhandener Musik- und Video-Daten. Hier hat iTunes wieder einmal die Nase vorne.

Die 5-Megapixel-Kamera macht nur durchschnittliche Bilder. Das LED-Kamera-Licht ist angenehm hell.
Foto: Jakob Ginzburg

Abgesehen von Zune werden Besitzer eines Venue Pro an allzu viel Multimedia-Nutzung ohnehin keine Freude haben: Die 5-Megapixel-Kamera erreicht nur mittelmäßige Qualität bei der Aufnahme von Fotos und die eingebauten Lautsprecher klingen blechern. Letzteres wird besonders bei Songs mit Bass deutlich. Wie bereits erwähnt sind auch die mitgelieferten Kopfhörer kaum für einen klaren Musikgenuss geeignet.

Fazit: Die falsche Plattform

Das Dell Venue Pro gehört leider nicht zu den kompromisslosen Smartphones, die man so ohne weiteres empfehlen kann. Auch wenn die Hardware und deren Verarbeitung größtenteils stimmen, war Windows Phone 7 eindeutig eine falsche Wahl für dieses Mobiltelefon. Fehlende System-Funktionen beschränken die Business-Möglichkeiten. Durch die mangelhafte Qualität der Kamera, Lautsprecher und mitgelieferten Kopfhörer wird der Multimediagenuss getrübt. Wer mit diesen Limitierungen leben kann, wird das Dell Venue Pro lieben. Alle anderen, die ein Smartphone mit Tastatur suchen, sollten zu einem HTC Desire Z oder dem günstigen Samsung Galaxy 551 greifen. Beide Geräte laufen mit Android und bieten dank Android Market eine großzügige Auswahl an Office- und Productivity-Apps. (mb)