Dell industrialisiert Services

27.11.2003 von Joachim Hackmann
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit seinem aus dem Produktgeschäft bewährten Direktvertriebsmodell startet Dell in den europäischen Servicemarkt. Beratungs- und Installationsdienste wurden standardisiert und modularisiert, so dass sich Anwender eigene Servicepakete zusammenstellen können. Auf diese Weise hofft Dell, die selbst gesteckten ehrgeizigen Wachstumsziele erfüllen zu können.
Fotos: Dell

Dell bleibt sich auch im Servicemarkt treu. Im PC-Geschäft stieg der Anbieter mit seinem Direktvertrieb und dem Build-to-Order-Prinzip, bei dem sich Kunden aus definierten Komponenten einen Rechner zusammenstellen können, zum weltweit größten PC-Hersteller auf. Das Dienstleistungsgeschäft gehen die Texaner in den USA bereits seit zwei Jahren mit dem adaptierten "Service-to-Order"-Modell an: Beratungs- und Installationsleistungen werden in einzelne Module zerlegt, aus denen sich die Anwender ein auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Servicepaket zusammenstellen können, samt Liefer- und Kostenzusage. "Wir industrialisieren die Dienstleistung", erklärte Patrick Cowden, Service Director bei Dell in Deutschland. Einzig der Vertrieb via Web und Mausklick funktioniert noch nicht so wie im PC-Versand-Geschäft.

Ab sofort gibt es die "Dell Professional Services" auch in Europa. Das Unternehmen konzentriert sich auf infrastrukturnahe Dienste, aufgeteilt in die fünf Kategorien Microsoft, Oracle-Datenbanken, Linux, Speicher und Clustering. Ergänzend kommen noch Schulungs- und Zertifizierungsangebote hinzu. Am Beispiel der Migration von Windows NT 4.0 zu einem neueren Server-Betriebssystem von Microsoft lässt sich die von Cowden angesprochene Industrialisierung veranschaulichen: Ausgehend von der Einschätzung, dass sämtliche Umstellungsprojekte nahezu gleich verlaufen, hat Dell den Gesamtprozess in 20 Schritte zerlegt und daraus eine Assessment-, Design-, Implementierungs- und Testphase kreiert. Zusammen ergeben diese Abschnitte das Servicepaket zur NT-4.0-Migration, doch jeder einzelne Schritt wird separat abgerechnet und mit garantierten Bearbeitungszeiten angeboten.

Einfache Dienste ohne Innovationen

Für eine Umstellung von zehn Servern unter Windows NT 4.0 veranschlagt Dell beispielsweise acht Arbeitstage und 8000 Euro. Für solche einfachen Dienste und für Projekte in überschaubarem Rahmen und bereits standardisierter Umgebung kann sich die Kommunikation zwischen Kunde und Verkäufer durchaus auf den E-Mail-Verkehr beschränken. Der Anwender schickt die Anforderungen, der Anbieter antwortet mit der entsprechenden Offerte samt Preis- und Terminangaben. "Wir definieren die Beratungsleistungen neu", erklärt Cowden, "IT ist einfach und nicht kompliziert. Wir haben kein Interesse daran, die Beratungsphase in die Länge zu ziehen."

Dell bewegt sich allerdings auch in den weniger kritischen IT-Gefilden, und aus den angebotenen Consulting-Leistungen werden keine innovativen Ideen für das Kerngeschäft des Kunden hervorgehen. Größten Zuspruch verspricht sich der PC-Marktführer von Anwendern mit Vorhaben in den Bereichen Windows-Migration, SQL, Exchange, Active Directory und Backup. Hier baut Dell in bewährter PC-Hersteller-Manier auf das Volumengeschäft. Ebenso wie beim Rechnerbau binden die Texaner ihre Zulieferer in eine straff organisierte Liefer- und Prozesskette ein, behalten jedoch alle wichtigen Fäden selbst in den Händen. Im Dienstleistungsbereich heißt dies, dass den Vor-Ort-Service Partner wie Getronics und Unisys leisten, das Design und Projekt-Management aber in den Dell-Händen verbleiben. Zudem sind Dell-Mitarbeiter ganz im Sinne des Direktvertriebsmodells immer die ersten und letzten Ansprechpartner für den Kunden.

Wettbewerb mit Systemhäusern

Das Angebot ist zurzeit auf Unternehmen mit mehr als 300 Mitarbeiter zugeschnitten. "Die kleinen Firmen werden wir erst im nächsten Jahr mit unserem Web-Angebot erreichen können. Dann erschließen wir uns ein enormes Marktpotenzial", freut sich Cowden. Aktuell muss sich Dell aber mit der Konkurrenz aus den Systemhäusern auseinandersetzen, die den deutschen Mittelstand heute mit Dienstleistungen bedienen. "Dell wird nicht auf die großen Serviceanbieter stoßen, sondern auf die Händler und Partner der großen Hardwareanbieter", schildert Peter Burghardt, Geschäftsführer des Kasseler Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Techconsult.

Hier bewegt sich Dell auf ungewohntem Terrain. Die Systemhäuser dürften nicht allzu gut auf den Direktanbieter zu sprechen sein, der kräftig daran mitgewirkt hat, mit einer aggressiven Preispolitik die Margen im PC- und Server-Geschäft zu verderben. Der Einstieg der Texaner ins Servicegeschäft verheißt den bisherigen Mittelstands-Dienstleistern erneut nichts Gutes, denn Dell wird den Preiskampf auch hier fortführen. "Der Hardwareverkauf spielt bei den Systemhäusern unter monetären Gesichtspunkten kaum noch eine Rolle", beschreibt Burghardt die Lage. "Er ist oftmals der Türöffner für den Verkauf von Services, und damit verdienen die Systemhäuser derzeit Geld." Zudem unterhält Dell bislang keine Beziehungen zu den Wiederverkäufern, über gute Kontakte zu diesen Häusern verfügen jedoch die Hardwarerivalen Hewlett-Packard und Fujitsu-Siemens.

Dell wird vermutlich die Dienste des einen oder anderen Systemhauses benötigen, um das Angebot wie angekündigt flächendeckend in Deutschland und Österreich verfügbar machen zu können. Eigenen Angaben zufolge hat der PC-Anbieter neben Getronics und Unisys, die für Dell-Kunden schon seit längerem Garantiefälle bearbeiten und einfache Betreuungsdienste erbringen, für jede der fünf Servicekategorien jeweils zwei weitere Servicehäuser verpflichten können. Techconsult-Geschäftsführer Burghardt rechnet auch nicht damit, dass sämtliche Türen der Systemhäuser verschlossen bleiben: "Die Partner können sich neue Kunden erschließen und ein Zusatzgeschäft erzielen, indem sie nachfolgend höherwertige Services verkaufen."

Hohe Margen- und Wachstumsziele

Dell selbst setzt große Erwartungen in das neue Geschäft, denn es soll helfen, die selbst gesteckten hohen Wachstumsziele zu erfüllen. Die Gesamteinnahmen im Jahr 2002 beliefen sich auf gut 35 Milliarden Dollar. Im April 2003 kündigte das Unternehmen dann eine Umsatzverdoppelung innerhalb der nächsten fünf Jahre an. Dazu müsste das Geschäft Jahr für Jahr um 15 Prozent zulegen. In der Vergangenheit hat der Direktanbieter das oft, aber keineswegs immer geschafft.

Schon seit geraumer Zeit ist Dell darum bemüht, sich breiter aufzustellen. Neben PCs, Servern und Speichern verkauft das Unternehmen mittlerweile auch Drucker und PDAs und will in den Markt für Unterhaltungselektronik einsteigen. Für das Servicegeschäft wurden ebenfalls anspruchsvolle Ziele formuliert. "Bis Ende des Jahres werden wir weltweit 2,6 Milliarden Dollar mit Services einnehmen", kündigte Dell-Manager Cowden an. "Das Wachstum in dieser Sparte betrug zuletzt 31 Prozent. Ziel ist es, dass der Serviceumsatz zwei- bis dreimal so schnell wie der gesamte Dell-Umsatz wächst." Zudem lässt sich nach Meinung einiger Marktbeobachter mit Dienstleistungen die Gewinnspanne des Unternehmens aufbessern. Dells Profitmarge sank im Zuge des Preiskampfes im PC-Markt von 8,3 auf 6,4 Prozent. Im Servicegeschäft rechnen die Finanzanalysten hingegen mit einer Marge von 30 Prozent.