Dell gegen HP: Ein Herz für Drucker

12.05.2006
Im Rennen zwischen Dell und HP hat sich der Wind gedreht: Die Börse entdeckt ihre Zuneigung für den Druckerkonzern.
Mark Hurd, CEO von HP, hat derzeit an der Börse gute Karten.

Die jüngste Schwächephase des texanischen Direktversenders Dell und die erfolgreichen Restrukturierungsbemühungen seines Konkurrenten Hewlett-Packard (HP) haben den PC-Markt wieder spannend gemacht. Während Dells globaler Marktanteil im ersten Quartal laut IDC leicht schrumpfte, legte HP zu. Dell verfehlte die Erwartungen im ersten Quartal, zu HPs zeitgleichem zweiten Fiskalquartal gibt es bis dato noch keine Warnung. Richtungsweisend wird die kommende Woche sein: Am Dienstag legen die Kalifornier ihre Zahlen vor, Dell folgt zwei Tage später mit den offiziellen Ergebnissen für den Zeitraum Februar bis April.

Interessant dürften vor allem die Prognosen der Konzerne für den Geschäftsverlauf werden. Investoren und Analysten jedenfalls haben sich eine Meinung gebildet und setzen seit Jahresbeginn vermehrt auf Aktien von HP. Demgegenüber trennten sich viele von ihren Dell-Papieren. Rund 15 Prozent hat die Dell-Aktie seit Januar verloren, während HPs Wert um zirka 15 Prozent zugelegt hat. Der eine Konzern hat seit dem Abgang von CEO Carleton Fiorina den Turnaround absolviert, der andere Konzern hat sich hingegen im Lauf der Jahre in seinen Grundsätzen verfangen: kein indirektes Geschäft, keine Prozessoren von AMD, keine großen Übernahmen (Alienware bildete die erste nennenswerte Ausnahme).

Für Dell wird es zunehmend schwierig, sein Wachstumstempo ohne Anpassungen der Grundsätze zu halten. Ebenfalls nicht leicht wird es für die Texaner, von ihren starren "Grundtugenden" abzuweichen und dies mit glaubwürdigen Argumenten zu belegen. In jedem Fall erscheint es unmöglich, die Wachstumsraten der vergangenen zehn Jahre zu halten. Hier entwickelte sich Dell von rund fünf Milliarden Dollar Jahresumsatz auf zuletzt zirka 56 Milliarden Dollar. Die Kursentwicklung der Texaner in dem Zeitraum ist dementsprechend phänomenal - was man von der HP-Aktie nicht gerade behaupten kann.

Derzeit einziges Mittel von Dell - neben dem Ausbau der Services und einem forcierten Engagement in Wachstumsregionen wie Indien und China - scheint der Preiskampf zu sein. Dieser verhagelte den Texanern aber bereits das jüngste Quartal. Zudem sind Preissenkungen in erster Linie eine defensive Strategie, und sie zeigen, dass die Geschäfte nicht mehr von alleine laufen. Da viele Wettbewerber inzwischen ihre Strukturen angepasst haben, ist der Kostenvorteil von Dell allmählich geschrumpft. Laut Richard Gardner, einem Analysten der Citigroup, sank der Vorteil der Texaner von acht bis zwölf Prozent vor einigen Jahren auf zuletzt drei Prozent.

Allerdings wäre es verfrüht, von Dells akuter Schwächephase auf das Ende des Direktmodells zu schließen. Wirtschaftlich ist der Konzern immer noch kerngesund, nur ist die "Phantasie" der Börsianer verflogen. Angesichts der traditionell reinen Ausrichtung des Konzerns auf Profite ist das jedoch kein Wunder. Dell braucht dringend eine neue "Story", damit die Anleger und Analysten wieder an das Potenzial glauben. Allein ein Paradigmenwechsel, eigene Läden zu eröffnen oder AMD-CPUs zu verbauen, wird dafür aber wohl nicht ausreichen. (ajf)