Konsolidierungsprojekte sind nach wie vor gefragt

Datenintegration beschäftigt die Anwender

21.11.2003
MÜNCHEN (jha) - Nach einer langen Phase der Stagnation steigen die IT-Ausgaben in den Anwenderunternehmen langsam wieder an. Davon dürften auch die Dienstleister profitieren - allerdings müssen sie sich im Projektgeschäft auf branchenspezifisch unterschiedliche Budgets und Investitionsmuster einstellen.

Noch immer ist das Gros der Anwenderunternehmen mit Konsolidierungs- und Datenintegrationsarbeiten beschäftigt. Doch den Höhepunkt dieser Phase sehen die Marktbeobachter überschritten. Allmählich reift die Zeit, in der sich die Anwender wieder anderen Themen widmen. "Der Markt springt an", zeigt sich Christophe Chalons, Geschäftsführer des Münchner Marktforschungshauses Pierre Audoin Consultants (PAC), optimistisch. Zwar rechnet sein Unternehmen im Bereich Systemintegration für das laufende Jahr noch mit einem Rückgang von zehn Prozent, doch 2004 soll es einen leichten und im folgenden Jahr einen substanziellen Zuwachs im hohen einstelligen Prozentbereich geben.

"Auf der Suche nach innovativen Projekten, wie es sie zu Zeiten des E-Business-Hypes gab, wird man zurzeit kaum fündig", beschreibt Markus Huber-Graul, Senior Consultant IT Services bei der Meta Group, die Lage. Zum Teil werden die Anwenderunternehmen zu neuen Vorhaben gedrängt, etwa aufgrund aktualisierter gesetzlicher Anforderungen, Veränderungen im Kerngeschäft oder zusätzlicher funktioneller Anforderungen. Letztlich ist die Ausgangssituation in den IT-Abteilungen der verschiedenen Banken keineswegs homogen, wie der folgende Überblick zeigt:

Banken

"Die Banken betreiben Projekte im Zusammenhang mit Basel II und der Umstellung der Bilanzierung auf den International Accounting Standard (IAS)", beschreibt PAC-Analyst Chalons. Zudem streben die Banken vermehrt an, ihre Eigenapplikationen im Kerngeschäft durch Standardanwendungen zu ersetzen, meistens fällt die Wahl auf SAPs Branchenlösung.

Versicherungen

Die Anforderungen der Versicherer im IT-Bereich sind mit denen der Banken vergleichbar. Auch in dieser Branche zeigt sich der Trend, vermehrt auf Standardapplikationen zu setzen. Eine drängende Aufgabe ist die Datenintegration, denn die Häuser haben in der Vergangenheit die Datenbestände für Kapital-, Lebens- und Sachversicherungen getrennt geführt. "Eine Auswertung und Analyse aller Informationen war kaum möglich", beschreibt Huber-Graul das Defizit. Zunehmende Bedeutung gewinnt für die Assekuranz der Vertriebskanal.

Diskrete Fertigung

Neuen Herausforderungen im Vertriebskanal sieht sich auch die Automobilindustrie gegenüber. "Die Branche zeigt vermehrt Interesse an CRM-Themen", schildert Chalons die Entwicklung. "Dort hat die Gruppenfreistellungsverordnung, wonach die Hersteller ihre Händler nicht mehr an die eigenen Markten binden dürfen, neue Bedürfnisse geweckt." Dem Marktforscher zufolge führt die Rechtssprechung dazu, dass die Hersteller vermehrt eigene Informationen über die Kundenbedürfnisse sammeln. Jenseits der Autohersteller müssen viele Firmen aus der Fertigungsindustrie ihre IT konsoldieren, vor allem wenn sie sich im Kerngeschäft neu aufgestellt und Teilbereiche verkauft sowie Übernahmen integriert haben. "Großes Interesse besteht am Product-Lifecycle-Management, denn bislang sind derartige Systeme nur rudimentär vorhanden", berichtet Huber-Graul von der Meta-Group.

Prozessorientierte Fertigung

Tief greifende Veränderungen gibt es in der Chemie- und Pharmabranche, wo sich die Unternehmen stärker fokussieren - der Umbau des Bayer-Konzerns ist ein aktuelles Beispiel. Damit bleibt auch die IT in Bewegung, denn die Neuerungen im Kerngeschäft müssen technisch unterstützt werden. Auch in der Prozessindustrie zeichnet sich der Trend ab, Kernprozesse mit Standardsoftware abzubilden. Aktuell arbeitet die Branche an der Einführung von Order-Tracking-Systemen und Produktsimulationen.

Öffentliche Hand

Trotz dieser Anforderungen belaufen sich die IT-Investitionen in der Fertigungsindustrie auf niedrigen Niveau, die Ausgaben für die Systemintegration in dieser Industrie schrumpfen laut PAC im laufenden Jahr um zehn Prozent. Bessere Zahlen verzeichnen die Marktforscher nur bei den Energieversorgern und der öffentliche Hand. "Hier rechnen wir mit einer Stagnation oder einem leichten Wachstum für das ausgehende Jahr", so Chalons. Vom Behördengeschäft haben sich indes viele Dienstleister mehr versprochen, die hoch gesteckten Erwartungen in die Investitionsbereitschaft der Beamten-IT wurden bislang nicht erfüllt. Projekte betreibt die öffentliche Hand überwiegend im Rahmen der E-Government-Initiative der Bundesregierung "Bund Online 2005". Reges Interesse zeigen die Behörden zudem an Linux- und Open-Source-Themen.

Handel

Gemächlich steigen die IT-Budgets im Handel. Einer von IBM im Frühjahr 2003 betriebenen Umfrage zufolge legten die Ausgaben im Jahr 2002 um 2,1 Prozent zu, zwei Drittel der Befragten gaben an, keine Mehrausgaben zu planen. Als Kernprobleme nannten sie die mangelnde Datentransparenz und fehlende Systemintegration. Auch scheint der Handel, der mit extrem knapp Margen arbeitet, in der Vergangenheit seine Kassensystemevernachlässigt zu haben. Rund die Hälfte der befragten IT-Manager klagten über veraltete Point-of-Sales-(PoS-)Systeme. Von intelligenten Kassenautomaten sowie Funketiketten (RFID) und der Integration der Prozesse von Warenannahme bis -verkauf erhofft sich der Handel künftig enormes Sparpotenzial.

Datenintegration bewegt alle

Für Datenintegration interessieren sich fast alle Branchen, Meta-Group-Analyst Huber-Graul ist sich sicher: "Das wird das vorherrschende Thema der kommenden Jahre." In der Vergangenheit oder aktuell betriebene E-Business-, CRM- und BI-Installationen sowie neue Techniken wie RFID sorgen für einen Datenstrom, der verarbeitet und ausgewertet werden will. Doch die Unternehmen zögern, mit diesen Projekten vorzuspreschen, die meisten testen und verschieben die Implementierung: "Sie schauen zunächst einmal, was die anderen machen", schildert Huber-Graul.

Stabile Honorare

Die Preise für IT-Services haben eine enorme Talfahrt hinter sich und werden sich auf absehbare Zeit auch nicht erholen: "Im letzten waren Abschläge von durchschnittlich 30 Prozent zu beobachten, und auch in diesem Jahr wird es einen Rückgang von mindestens sechs Prozent geben", bilanziert Markus Huber-Graul, Senior Consultant IT Service bei der Meta Group. "Die tatsächlich gezahlten Preise dürften sogar darunter liegen." In einer Analyse der aktuellen Straßenpreise schildert die Meta Group einen Fall, in dem ein großes Beratungshaus einen erfahrenen Mitarbeiter für 75 Euro pro Stunde für ein SAP-Projekt angeboten hat. Andere Quellen berichteten in der Vergangenheit von 50 Euro pro Stunde und SAP-Consultant.

Für die Anbieter stellt dieser Preisverfall derzeit die größte Hürde auf dem Weg zum profitablen Geschäft dar, denn das andere Problem der Krisenjahre, die mäßige Auslastung, scheint sich zu legen. Die Meta Group errechnete eine Quote für das Jahr 2003 von 69 Prozent, im letzten Jahr hatte sie noch 48 Prozent betragen. Liegt der Durchschnittswert bei rund 80 Prozent spricht die Branche von Vollauslastung. Diese Entwicklung bestätigt auch Christophe Chalons, Geschäftsführer des Münchner Marktforschungshauses Pierre Audoin Consultants (PAC): "Im letzten Jahr ist der Markt eingebrochen, weil die Volumina und die Preise zurückgegangen sind. In diesem Jahr steigt die Zahl der geleisteten Stunden wieder, aber der Preisdruck sorgt dafür, dass das Marktvolumen erneut zurückgehen wird. Wir haben aber registriert, dass sich die Honorare in Deutschland stabilisiert haben. Was die Servicepreise nach unten zieht, ist der steigende Anteil der Offshore-Komponenten in den Projekten."

Abb: Deutsche Serviceteilmärkte in der Nahaufnahme

Das IT-Projektgeschäft zieht langsam wieder an. Gefragt sind Vorhaben zur Datenintegration sowie zur Integration von branchenspezifischen Lösungen. Quelle: Metagroup IT Service